Seit mehr als fünf Jahren führt an Xaver Schlager im ÖFB-Team kein Weg vorbei. Wie Franco Foda setzt auch Ralf Rangnick uneingeschränkt auf den gebürtigen Linzer, der am Dienstag gegen Deutschland sein 40. Länderspiel bestreiten wird. Der 26-jährige Leipzig-Legionär erzählt, wieso er gerne einen Schritt mehr macht, um an sein Ziel zu kommen, warum ihm dabei auch der Buddhismus hilft und was ihn am Backpacken in Thailand beeindruckt hat.
KURIER: Macht Ihnen das Training immer Spaß? Jeden Tag?
Xaver Schlager: Nein, jeden Tag nicht. Aber es ist wichtig, dass man jeden Tag versucht, das Training mit 100 Prozent zu absolvieren.
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Haben Sie sich schon dabei erwischt, wenn es einmal nicht 100 Prozent waren?
Natürlich. Die Kunst ist es, das so gering wie möglich zu halten. Entscheidend ist, dass man ehrlich zu sich selbst ist.
Sie haben das Image eines Vorzeigesportlers, von dem man glauben könnte, er übernachtet im Fitnessraum. Stimmt der Eindruck?
Ich versuche, das Maximum herauszuholen und wenn es so ist, dass ich mehr machen muss als andere und einfach mehr im Kraftraum oder in anderen Teilbereichen arbeiten muss, dann ist das so. Und es ist Teil des Jobs. Wenn man dann am Fußballplatz gewinnt, ist das das schönste Gefühl, und das überwiegt dann auch gegenüber jenen Stunden, die vielleicht nicht so lustig, aber enorm entscheidend sind. Mir machen aber auch die harten Trainings Spaß, das muss ich ganz klar sagen.
Woher kommt diese Einstellung?
Ein Grundgerüst bekommst du zu Hause mit, von deinen Eltern, deinem Umfeld, deinen Freunden. Bei mir daheim wollten wir immer gewinnen, mit dem Verlieren habe ich mir schon als Kind schwer getan. Später habe ich mich dann auch speziell damit auseinandergesetzt, als ich gemerkt habe: Es gibt Talentiertere als mich, also muss ich schauen, dass ich irgendwie anders mithalten kann. Ich habe mich intensiv mit meinem Kopf beschäftigt, damit ich da immer klar und motiviert bleibe. Disziplin und Beharrlichkeit sind für mich entscheidend, sonst reicht es einfach nicht. Ich muss ständig an mir arbeiten, das ist nicht immer einfach, aber dafür umso schöner, wenn es dann funktioniert. Deshalb versuche ich ständig, meinen Kopf zu entwickeln. Dieser Prozess ist nie abgeschlossen.
Fußball ist ein Mannschaftssport. Erwarten Sie die gleiche Herangehensweise von Ihren Mitspielern?
Das wünscht man sich, aber jeder Mensch hat seinen eigenen Zugang. Andere Typen würden verkrampfen, wenn sie ständig an Fußball denken würden oder in der Kraftkammer wären. Manche gehen es entspannter an und es gibt mehrere Wege zum Ziel. Man muss mit diesen unterschiedlichen Charakteren auch umgehen können.
Fällt Ihnen das leicht?
Ich habe damit kein Problem. Wichtig ist, dass man miteinander redet und Dinge anspricht, die nicht passen. Dass man auch Kritik einstecken kann, dann kommt man auf einen Nenner.
Wann haben Sie erkannt, dass Sie mehr machen müssen als andere?
Mit 15, 16 Jahren – da wurden wir in der Salzburger Akademie schon dazu aufgefordert, immer mehr zu machen neben dem Mannschaftstraining. Die Trainer haben uns gelehrt: Jeder hat seine eigene Firma. Wenn man arbeitet, dann bewegt und entwickelt sich die Firma. Ich hab’ mich damit früh identifizieren können.
Von welchem Attribut oder Talent hätten Sie gern mehr?
Schnelligkeit, dieser Endspeed, den man schwer trainieren kann, der aber heute im Fußball essenziell ist. Das wäre angenehm. Aber es ist einfach nicht so, deshalb muss man andere Wege finden. Das ist völlig okay.
Sie treten in der Öffentlichkeit, auch auf Social Media, vergleichsweise zurückhaltend auf. Bewusst?
Ich sehe meinen Job als ganz normale Arbeit und muss der Welt nicht ständig zeigen, was ich tu’.
Was man dennoch herausfinden kann, ist, dass sie sehr naturverbunden sind, sich stark für Buddhismus interessieren und letzten Winter Backpacken in Thailand waren. Wie war das für Sie?
Ich denke, dass Backpacken in Thailand kein ungewöhnlicher Urlaub ist. Es war eine sehr coole Erfahrung, ein cooler Urlaub, wo ich wirklich weggekommen bin von allem. Diesen Urlaub wollte ich immer schon machen und letzten Winter hat es sich aufgrund der längeren Pause durch die WM in Katar ergeben. Ich habe viele Eindrücke vom Leben gewonnen, die ich sonst nicht kenne, weil ich in einer Blase lebe, wo man das nicht mitbekommt. Ich habe dort richtig gelebt.
Was hat Sie beeindruckt?
Die Bootsfahrten zwischen den einzelnen Inseln. Wenn man auf dem Meer und ganz bei sich ist, weil kaum Menschen da sind. Da habe ich mit dem einen Abenteuer abschließen können, bevor auf der nächsten Insel ein neues begonnen hat und man nie gewusst hat, was einen erwartet. Dieses Abenteuer-Feeling habe ich sonst nie. Auch die Strände, die Kultur, das thailändische Essen, oft einfach am Straßenrand, das hat mir alles gefallen.
Was hat es mit dem Buddhismus und Xaver Schlager auf sich?
Das ist ein Weg, der mir hilft. Vor allem, wenn man mit Kritik konfrontiert wird. Es geht stark darum, sich selbst unter Kontrolle zu halten, immer für sich selbst verantwortlich zu sein. Wenn man im Fußball die Schuld bei anderen sucht, kommt man nicht weiter. Buddhismus und Meditation helfen mir dabei, mich zu entspannen, loszulassen und – wie eingangs erwähnt – immer wieder motiviert zu sein. Ich bin neugierig und will mich immer weiterentwickeln.
Was würden Sie tun, wenn Sie nicht Fußballer geworden wären?
Das ist hypothetisch. Ich würde etwas im psychologischen Bereich machen, weil ich es so spannend finde, wie unterschiedliche Ansichten und Herangehensweisen wir Menschen haben. Aber mein Interesse dafür hat sich erst durchs Fußballspielen entwickelt, daher kann ich nicht behaupten, dass ich in diesem Berufsfeld tätig wäre, wenn es mit dem Fußball nicht geklappt hätte. Der Fußball hat mich da hingebracht.
Arbeiten Sie mit einem Mentaltrainer zusammen?
Mit einer Psychologin, ja.
Steilpass auf den Fußballplatz. Was kann Österreichs Nationalteam heute besser als noch bei der letzten EURO 2021?
Viele Spieler sind ja noch dabei, dadurch sind wir erfahrener geworden, das ist ein wichtiger Faktor, weil man gewisse Dinge besser einordnen kann. Ich denke, dass diese Qualifikation sehr souverän war im Vergleich zur letzten, wo wir mit Polen Probleme hatten. Mit Belgien hatten wir jetzt eine größere Nation, die wir richtig fordern konnten. Wir haben zweimal gegen Schweden gewonnen, da hätte im Vorfeld jeder gesagt: Überragend. Wir waren sehr stabil und konstant und haben uns auch durch den Trainerwechsel noch einmal weiterentwickelt.
Wie steht es um Ihre Vorfreude auf das Spiel gegen Deutschland?
Man muss es richtig einordnen: Es ist ein Freundschaftsspiel. Ich würde mich freuen, wenn wir gegen Deutschland einmal in einem Bewerbspiel, etwa bei einer Endrunde, antreten können. Das würde ja bedeuten, dass wir gute Arbeit machen, weil sie immer dabei sind. Diese Nachbarschaftsduelle machen schon Spaß. Wir wissen, dass wir mit einem Sieg vielen Österreichern den Tag versüßen könnten.
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