ÖFB-Teamchef Stadler vor der WM in Katar: „Die Jungs werden immer cooler“

Am 5. November ertönt für Österreichs U17-Nationalteam der WM-Anpfiff in Katar mit der Partie gegen Saudi-Arabien. Es folgen noch Duelle mit Mali und Neuseeland. Vorbereitet hat sich das Team rund um Cheftrainer Hermann Stadler (64) in der vergangenen Woche am neuen ÖFB-Campus.
Zwei Tests gegen Italien gelangen - einem 2:1 folgte am Sonntag noch ein 1:0 über die Squadra Azzurra. Für die WM scheint man gerüstet, sie soll für die Talente aber nur ein Zwischenstopp in ihrer Karriere sein.
KURIER: Wie groß ist bei Ihnen die Vorfreude auf das Turnier?
Stadler: Die ist sehr groß, weil man nicht alle Jahre zu einer WM kommt. Es ist ein toller Erfolg der Mannschaft, wenn man bei so etwas dabei sein darf.
Was hat man aus der WM 2013 in Dubai gelernt?
Dass bei so einem Großereignis sehr viel auf die jungen Burschen einprasselt. Medientermine, Präsenz im Allgemeinen, da gibt es viele Ablenkungsmöglichkeiten mit einer anderen Kultur, einer anderen Mentalität, worauf man sie vorbereiten muss. In der vergangenen Woche haben wir das schon erlebt mit Vorträgen zu den Themen Doping und Ernährung, dazu einige Medientermine. Die WM ist eine Bühne für alle, viele Scouts sind vor Ort. Logisch, dass sich viele vielleicht etwas mehr als sonst unter Druck setzen. Das gilt es so gut es geht auszublenden. Wir fliegen nach Katar, um gute Leistungen zu bringen und Österreich würdig zu vertreten.

Welches Ziel setzen Sie sich?
Jeder, der teilnimmt, will die Vorrunde überstehen und so weit wie möglich kommen. Wir denken da in Schritten. Wir sind zumindest drei Wochen dort. Da muss man den Spielern auch abseits etwas anbieten, damit ihnen die Decke nicht auf den Kopf fällt. Zudem sind sie diese Zeit aus der Schule, daher braucht es Lernmöglichkeiten via Zoom. Wir sind im Austausch mit den Schulen, zudem haben wir im Betreuerstab sechs oder sieben Lehrer, die mit ihnen arbeiten können, dazu gibt es Lehrer in Katar, die wir buchen können. Alle haben Talent und Potenzial, aber die Ausbildung gehört ebenso dazu. Wichtig ist, dass jeder am Ende einen Abschluss hat.
Wie war Hermann Stadler mit 16, 17 Jahren im Vergleich zu den aktuellen Spielern?
Fußballerisch ist das jetzt eine ganz andere Sportart als damals. Sie sind auch viel reifer und erfahrener und weiter. Bei denen kannst du dich nicht hinstellen und irgendwas erzählen. Sie hinterfragen viel mehr und äußern das. Auch als Personen sind sie sicher reifer als wir damals.
Ist das für einen Trainer unangenehm oder schön zu sehen?
Das ist super, ich finde es cool, wenn von ihnen was kommt. Wir geben den Rahmen vor, wollen die Spieler aber immer ins Boot holen. Es ist sehr positiv, wenn dann von intern etwas kommt.
Was hat sich seit der letzten WM 2013 im Nachwuchs-Fußball alles verändert?
Das ganze Rundherum, der Betreuerstab ist viel größer geworden, die Analysen gehen vielmehr ins Detail. Das Ausmaß hat sich geändert. Den Spielern wird so viel eingetrichtert, dass man immer auf die richtige Balance schauen muss. Die Intensität im Spiel ist viel höher, der Fußball ist variabler geworden.
Zuletzt wurde auch die Ausbildung in Österreich hinterfragt. Welche Meinung haben Sie dazu?
Man hat zuletzt wieder einen Schritt in Richtung Individualität gemacht. Sie wurde früher auch trainiert, aber Österreich lebt vom Kollektiv, von der Kompaktheit, vom Spiel gegen den Ball. Da können wir sehr gut mithalten. Andere Länder haben dafür mehr Spieler mit einer höheren individuellen Qualität, die dann auch den Unterschied ausmachen. Diese Fülle an solchen Spielern haben wir noch nicht. Vielleicht wurde das ein wenig vernachlässigt in den vergangenen Jahren. Ralf Rangnick ist der Schirmherr des neue ÖFB-Ausbildungskonzepts, das er in jedem Bundesland mit Trainings vorgestellt hat. Das ist sicher der richtige Anstoß.
Hält die Arbeit mit jungen Menschen jung?
Zu 100 Prozent, ich liebe es mit jungen Leuten zu arbeiten. Jeder einzelne Jahrgang ist anders, die Jungs werden irgendwie immer cooler mit den ganzen Trends.
Holen Sie sich Tipps?
Eher von meinen Kindern. Aber jede Generation hat ihre eigenen Sprüche, das ist lässig und taugt mir total. Ich bin ja eher der Kumpeltyp als Trainer und will auf Augenhöhe kommunizieren. Zuerst kommt bei mir der Mensch, dann der Fußballer. Jeder, der zu uns kommt, soll sich wohl fühlen, darf Spaß haben und auch Fehler machen. Aber es gehören eben auch Regeln eingehalten.
Was wollen Sie den jungen Menschen mitgeben?
Nach wie vor gewisse Werte, die sie bei uns immer wieder erfahren. Respekt, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Bitte, Danke, Guten Morgen, Mahlzeit. Simple Sachen, die aber nicht mehr selbstverständlich sind.
Macht es Sie stolz, dass Sie zum zweiten Mal zu einer WM fahren und schon drei EM-Turniere erlebt haben?
Ich bin aber auch schon am Längsten dabei. Es freut mich viel mehr für mein Betreuerteam und die Spieler. Sie schaffen es, dass wir zu Turnieren fahren. Wir können ihnen alles sagen und beibringen – entscheidend ist, was sie auf den Platz bringen.
Wenn Sie im A-Team Spieler sehen, die Sie früher trainiert haben – wie geht es Ihnen dann?
Das ist natürlich lässig. Es ist toll, wenn ein 17-Jähriger jetzt zur U17-WM fährt. Aber die harte Arbeit beginnt erst jetzt, die Karriere entscheidet sich in den kommenden zwei, drei Jahren. Jetzt ist der Spieler ein Talent, aber was macht er daraus? Das wollen wir ihnen vermitteln. Es macht schon stolz, wenn wie zuletzt Spieler wie Alex Schlager, Alaba, Laimer, Arnautovic und Romano Schmid mit Respekt auf mich zukommen. Dann habe ich zumindest menschlich nicht allzu viel falsch gemacht. Eine meiner größten Stärken ist vielleicht die Menschlichkeit. Wichtig ist, dass ich viele Spezialisten im Betreuerstab habe, denen ich vollstes Vertrauen entgegen bringe. Nur wenn das Miteinander funktioniert, kann die Mannschaft Erfolg haben.
Der Spieler
Der Stürmer spielte für Austria Salzburg (1979-1983, 1987-1996) und Rapid (1983-1987), wurde drei Mal Meister, drei Mal Cupsieger. Mit Rapid stand er 1985 im Europacupfinale, mit Salzburg 1994 im UEFA-Cup-Finale.
Der Teamchef
Seit 2003 ist er ÖFB-Teamchef in verschiedenen Altersklassen. Er qualifizierte sich mit seinen Teams drei Mal für eine EM und zwei Mal für eine WM.
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