ÖFB-Star Kurt Jara wird 75: "130.000 Fans und Pelé hat auch mitgespielt"

Kurt Jara bestritt 59 Länderspiele für das ÖFB-Nationalteam
Familie, Fußball, Flights – darum dreht sich alles im Leben von Kurt Jara. Am Dienstag feiert der 59-fache ÖFB-Teamspieler im kleinen Kreis in der Schweiz seinen 75. Geburtstag. Das kommende halbe Jahr wird der Innsbrucker dann in seiner zweiten Heimat Spanien verbringen.
Drittteuester Spieler der Welt
Jara ist immer noch auf Ballhöhe, ein Herzschrittmacher und sieben Stents können seiner Golfleidenschaft keinen Abbruch tun.
Der Mensch
Kurt Jara (*14.10. 1950 in Innsbruck) lebt mit seiner Frau Jolanda in Innsbruck und in Spanien. Sein Sohn Martin ist CEO der Helvetia-Versicherung und hat mehr als 7.000 Mitarbeiter unter sich.
Der Spieler
Der Offensivmann startete seine Karriere beim FC Wacker Innsbruck, für den er in 114 Partien 40 Tore erzielte. Jara gehörte der ersten Innsbrucker Meistermannschaft an (1971) und holte mit seinem Heimatverein drei Mal in Folge den Titel.
Von 1973 bis 1975 spielte Jara beim FC Valencia (11 Tore in 57 Partien), ehe er in die deutsche Bundesliga zum MSV Duisburg wechselte. Mit dem Traditionsteam erreichte er 1979 das UEFA-Cup-Semfinale. Der Linksfuß wurde in das Legendenteam des MSV gewählt.
Nach einer Saison bei Schalke 04 ließ Jara seine Karriere bei Grasshoppers Zürich ausklingen und gewann noch drei Mal den Meistertitel.
Jara bestritt 59 Partien für das österreichische Nationalteam, erzielte dabei 14 Tore und war bei den Weltmeisterschaften 1978 und 1982 dabei.
Der Trainer
Seine Trainer-Karriere startete der Innsbrucker bei den Grasshoppers, mit denen er 1988 Cup-Sieger wurde. Es folgten Stationen bei St.Gallen und dem FC Zürich. Nach Gastspielen beim VfB Mödling, Xanthi (Griechenland) und Apoel Nikosia kehrte er als Trainer ins Tivolistadion zurück.
Mit dem FC Tirol wurde er 2000 und 2001 Meister und wurde daraufhin vom HSV verpflichtet. Die Hamburger führte Jara auf den vierten Platz und 2003 zum Sieg im Ligapokal - es ist bis heute der letzte Titel für den HSV.
Nach dem Rauswurf in Hamburg heuerte der Österreicher beim 1.FC Kaiserslautern an und verhinderte den Abstieg des Traditionsvereins aus der Bundesliga.
Im Sommer 2005 wechselte er nach Salzburg und war der erste Trainer in der Red Bull Ära. Nach einer Saison wurde er entlassen.
Als er 1973 für eine Ablöse von 9 Millionen Schilling (650.000 Euro) vom FC Wacker Innsbruck nach Valencia wechselte, war der Linksfuß der drittteuerste Spieler der Welt. Geschlagen u.a. von der niederländischen Legende Johan Cruyff, der damals von Ajax Amsterdam zum FC Barcelona wechselte.

Kurt Jara führte den FC Tirol zu zwei Meistertitel
KURIER: Nur ein Gedankenspiel: Welchen Marktwert hätten Sie wohl heute?
Kurt Jara: Schwer zu sagen. Wenn ich aber vergleiche, wie und wo ich damals gespielt habe: Auf die 50, 60 Millionen Euro würde ich wahrscheinlich schon kommen.
Wären Sie denn gerne Fußballprofi im Jahr 2025?
Jein. Einerseits ist es beeindruckend, wie der Fußball heute verkauft wird und welche Möglichkeiten ein Profi hat. Wenn du gut bist, hast du im Grunde nach zwei Saisonen ausgesorgt. Andererseits kannst du heute als berühmter Fußballer kein normales Leben führen und hast kein Privatleben mehr. Wir waren noch in der Disco, haben eine Flasche Wein getrunken und keiner hat es mitgekriegt. Wenn heute ein Fußballstar in die Disco geht, muss er vorher alle Handys einsammeln. Das ist halt der Preis für die Popularität.
Wie würde sich der Fußballer Kurt Jara mit seinen Fähigkeiten heute schlagen?
Meine damaligen Fähigkeiten würden natürlich nicht reichen. Aber gut möglich, dass ich durch das moderne Training noch schneller und technisch noch besser geworden wäre. Es liegen Welten dazwischen: Heute hat ein Stürmer im Strafraum eine Zehntelsekunde Zeit, um die richtige Entscheidung zu treffen.
Wie war das zu Ihrer Zeit?
Wenn der Ball in den Strafraum gekommen ist, habe ich ihn erst einmal in Ruhe gestoppt. Dann habe ich den Tormann gefragt, wie er heißt und wo er wohnt und ihm gesagt, in welches Eck ich den Ball schießen werde. Nein, im Ernst: Es war grundsätzlich vieles anders. Allein wie wir trainiert haben. Das war völlig falsch.
Sie wirken entsetzt.
Ich bin ja richtig froh, dass ich von damals keine bleibenden Schäden habe. Wenn der Trainer gesagt hat, du musst mit zwei Medizinbällen 400 Meter laufen, dann hast du es halt gemacht.

Wer sich an den Spieler Kurt Jara erinnert, der hat heruntergerollte Socken und ein heraushängendes Leiberl vor Augen. Woher kam das?
Als kleiner Bub war Mario Corso von Inter Mailand mein Vorbild. Der hatte auch immer die Stutzen herunten und das Leiberl heraußen. Zu meiner Zeit war ich dann der Einzige, der das gemacht hat. Dadurch bin ich aufgefallen.
Aber schon auch durch ihren genialen linken Fuß. Manche behaupten ja, Sie hätten zu wenig aus Ihrem Talent gemacht.
Hennes Weisweiler, mein Trainer bei den Grasshoppers, hat zu mir gemeint, dass ich mit meinen Fähigkeiten eigentlich bei anderen Vereinen spielen hätte müssen. Vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn mich Wacker Innsbruck damals nicht an Valencia verkauft hätte, sondern an Bayern München. Die wollten mich nämlich auch haben.
Würden Sie aus heutiger Sicht in Ihrer Karriere was anders machen?
Ja. Einmal hätte ich anders abbiegen sollen. Bei meiner letzten Station als Trainer.
Sie sprechen von Ihrem Engagement bei Red Bull Salzburg, das in einem Arbeitsprozess geendet hat.
Ich wäre damals gescheiter in der deutschen Bundesliga geblieben. Ich hatte einen unterschriftsreifen Zweijahresvertrag vom 1.FC Kaiserslautern vorliegen, dann ist Franz Beckenbauer gekommen und plötzlich war ich bei Red Bull. Am Anfang war das ein guter Schritt.
Nach einer Saison mussten Sie schon wieder gehen.
Womöglich habe ich ein wenig unterschätzt, dass es bei diesem Verein sehr viel auch um Marketing geht. Und dass ein Giovanni Trapattoni oder ein Lothar Matthäus, die nach mir gekommen sind, für andere Märkte viel interessanter sind als der Kurt Jara. Das Ende war ein bisschen unter der Gürtellinie. Das hat sich dann so lange hingezogen, dass meine Trainerkarriere leider zu Ende war. Ich war damals erst 56. Aber Salzburg war in Wahrheit nur ein kleiner Nebenpunkt in meiner Karriere.
Dann lassen Sie uns doch lieber über die Highlights reden. Zum Beispiel über Ihr Debüt im Nationalteam 1971 beim 1:1 in Brasilien. Torschütze: Ein gewisser Kurt Jara.
130.000 Zuschauer, und auch Pelé hat mitgespielt. Gut, dass es inzwischen Youtube gibt. So konnten auch meine zwei Enkeltöchter das Tor sehen. Das hilft übrigens auch, wenn mir jemand blöd kommt. In Spanien sind viele Deutsche. Wenn ich erzähle, dass ich Fußballer war, bekomme ich oft zu hören: ,Du hast sicher nicht gegen Pelé gespielt.‘ Dann packe ich das Handy raus und zeige ihnen das Video vom Tor. Aber die echten Highlights waren andere.
Verraten Sie es bitte.
Als Spieler waren es die 70.000 Leute auf der Maria-Theresienstraße, die 1971 den ersten Meistertitel von Wacker gefeiert haben. Und 30 Jahre später durfte ich als Trainer dann dasselbe noch einmal erleben. Wie viele können das schon sagen, dass sie in ihrer Heimatstadt als Spieler und als Trainer den Meistertitel geholt haben?
Sie gehören auch der Jahrhundertmannschaft des MSV Duisburg an. Wie oft werden Sie noch erkannt.
In dem Dorf in Spanien, wo ich lebe, weiß jeder, wer ich bin und dass ich einmal bei Valencia gespielt habe. Die Restaurants können noch so voll sein, wenn ich anrufe und meinen Namen sage, dann kriege ich immer einen Tisch. Das ist in den südlichen Ländern einfach so: Die Leute haben großen Respekt dafür, was man geleistet hat und vergessen das auch nicht.
Ist das bei uns anders?
Wie ich als Salzburg-Trainer nach Innsbruck gekommen bin, hat die ganze Nordtribüne geschrien: ,Jara, du Arschloch!’ Ich habe mit diesem Verein fünf Meistertitel gewonnen, habe dem Klub als Spieler und als Trainer viel Ablöse gebracht – und dann wirst du so empfangen. Das hat mir richtig wehgetan. Danach hat meine Frau gesagt: ,Bei diesem Verein machst du nichts mehr, das musst du dir nicht gefallen lassen.’
Themenwechsel: Wie verfolgen Sie aktuell den Fußball?
Am Wochenende sitze ich von 12 Uhr Mittags bis um Mitternacht Fußball vor dem Fernseher. Spanien, England, Deutschland, Österreich, das sind meine Ligen. Die Europacuppartien unter der Woche schaue ich mir zwar an, aber im Moment interessiert es nicht wirklich. Wenn ich schon diese Tabelle mit 36 Teams in der Champions League sehe, die überhaupt keine Aussagekraft hat. Dieser neue Modus ist eine reine Geldmacherei.
Vatikan gegen San Marino
Dann sind Sie vermutlich auch kein Freund einer Fußball-WM mit 48 Teilnehmern.
Da spielt dann in der Vorrunde der Vatikan gegen San Marino. Ich glaube nicht, dass es gut für den Fußball ist. Irgendwann wird das Interesse abnehmen, weil es einfach zu viel wird.
Was stört Sie sonst noch am modernen Fußball?
Ich rege mich auf, wenn ich vor dem Fernseher hocke und fünf Minuten warten muss, ob ein Tor zählt. Das dauert viel zu lange. Vor allem, weil man inzwischen ja eh schon weiß, was beim VAR rauskommen wird.
Was meinen Sie damit?
Wenn der Schiedsrichter keinen Elfmeter pfeift und der VAR schaltet sich ein und der Schiedsrichter sieht es sich noch einmal an – dann gibt’s am Ende Elfmeter. Umgekehrt funktioniert es genau gleich. In neun von zehn Fällen ist das so. Aber dafür muss ich nicht fünf Minuten diskutieren.
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