Merkel enttäuscht, Hoeneß droht

Der mutmaßliche Steuerhinterzieher kündigt rechtliche Schritte gegen deutsche Medien an.

Selbst die deutsche Bundeskanzlerin ist "enttäuscht" von Uli Hoeneß - den FC Bayern wird die pikante Steuersünde seines Präsidenten in den wichtigsten Wochen der Rekord-Saison verfolgen. Der Rechtsbruch des Financial-Fairplay-Verfechters gerät für den deutschen Rekordmeister zur Dauer-Affäre.

"Viele Menschen sind jetzt enttäuscht von Uli Hoeneß, die Bundeskanzlerin zählt auch zu diesen Menschen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Diese Enttäuschung sei natürlich umso größer bei jemandem, der für so viel Positives stehe. Es gebe weiterhin Verdienste des Bayern-Präsidenten. "Aber es ist jetzt durch die Tatsache der Selbstanzeige wegen Steuerbetrugs eine andere, traurige Facette hinzu gekommen."

Schweigen

Die Entscheidungsträger im Fußball gehen, kaum überraschend, mit dem Bayern-Präsidenten öffentlich nicht hart ins Gericht - der Fußball präsentierte sich wie ein Kartell des Schweigens. Vom DFB ("laufendes Verfahren"), dem von Hoeneß oft kritisierten Weltverband FIFA ("kein Kommentar")

Ein Spitzenfunktionär wollte sogar seinen Namen gar nicht im Zusammenhang mit der Affäre lesen, Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler ließ sich zumindest entlocken, dass er "ein bisschen geschockt" über die unerwartete Offenbarung sei. "Wenn man die Fakten nicht kennt und vor allem Uli Hoeneß kennt - ich habe ihn im Laufe der Jahre als ganz großen Menschen kennengelernt - muss man sich zurückhalten"

Drohung

Hoeneß selbst geht indes beerits wieder in die Offensive: Zwei Tage nachdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bekanntgeworden waren, drohte Hoeneß Medien mit juristischen Schritten. "Gegen die Exzesse in einigen Berichterstattungen werde ich mich anwaltschaftlich zur Wehr setzen", sagte er im Münchner Merkur. Einer Münchner Zeitung kündigte der frühere Bayern-Manager an: "Für die wird das richtig teuer."

"Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern." (Uli Hoeneß 2005 in einem Interview der "Bild"-Zeitung)

"Wenn die Unternehmer alle in die Schweiz gehen, ist auch keinem geholfen. Mit einer Reichensteuer geht es dem kleinen Mann kein Stück besser." (Hoeneß 2009 in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner")

"In den vergangenen 20 Jahren sind in der Finanzwelt Menschen am Werk gewesen, die einen katastrophalen Job gemacht haben. Uns wurde vorgegaukelt, dass viele Finanzprodukte so unglaublich wichtig seien. Dabei hatten diese nur ein Ziel: die Taschen gewisser Leute voll zu machen." (Hoeneß 2012 in der Zeitung "Die Welt")

"Unsere Spieler kicken schon jetzt eine Halbzeit fürs Finanzamt, da kommen wir nicht weiter, wenn man 60 oder 70 Prozent nimmt." (Hoeneß 2012 in der ARD-Talkshow "Günther Jauch")

"Wenn früher eine Mark in der Kasse meiner Eltern fehlte, haben wir sie auf dem Boden gesucht. Die Stimmung beim Weihnachtsfest hing entscheidend davon ab, wie gut wir vorher verkauft hatten." (Hoeneß im Februar 2011 im "Hamburger Abendblatt")

"Natürlich will ich Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Wenn es um Geld geht, muss man auch mal zufrieden sein." (Hoeneß 2011 im Magazin "Brand Eins")

"Die Finanzwelt zeigt keine Bereitschaft, zur Volkswirtschaft beizutragen. Eine Krankenschwester trägt mehr zur Volkswirtschaft bei als ein Spekulant. Wenn ich sehe, dass Optionsscheine für Reis steigen, sage ich zu meiner Frau: 'Das bedeutet, dass Menschen hungern müssen, weil sie sich keinen Reis mehr kaufen können.'" (Hoeneß 2011 im Magazin "Brand Eins")

"Ich habe für mein Schweinefleisch fünf verschiedene Lieferanten. Ich rufe an, lasse mir die Preise geben und kaufe dann. Für was aber brauchen Banker Schweinebäuche?" (Wurstfabrikant Hoeneß über Spekulationsgeschäfte von Banken)

"Es ist vielleicht langweilig, aber es soll uns nie schlechter gehen als jetzt. Das ist mein Wunsch. Ich muss nicht nach Hawaii oder auf die Malediven. Wenn ich irgendwann mal Lust dazu habe, werde ich das machen. Aber das ist nicht mein Lebenstraum." (Hoeneß Anfang 2012 vor seinem 60. Geburtstag)

"Ich bin kein Besserwisser, sondern ein Bessermacher." (Hoeneß 2010 vor einem Auftritt als Gastredner bei der CSU-Vorstandsklausur)

"Ich habe mit meiner Meinung noch nie hinter dem Berg gehalten. Und bei der Gelegenheit habe ich festgestellt, dass man damit bei der Bundeskanzlerin landen kann. Sie will Leute, die querdenken. Sie will Leute, die ihr nicht nach dem Mund reden. Deswegen bin ich Fan von Merkel!" (Hoeneß über Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel)

"Uli ist der Vater Teresa vom Tegernsee, der Nelson Mandela von der Säbener Straße und die Mutter aller Manager." (Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in seiner Festrede zum 60. Geburtstag von Hoeneß)

"Franz Beckenbauer hat einmal gesagt, wir alle müssen dem FC Bayern dienen. Uli Hoeneß war immer der größte Diener des FC Bayern." (Rummenigge 2009 über Hoeneß)

"Er ist, glaub' ich, schon als Manager auf die Welt gekommen." (Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer 2009 über Uli Hoeneß)

Natürlich will ich Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Wenn es um Geld geht, muss man auch mal zufrieden sein.“

Uli Hoeneß, 2011 im Magazin Brand Eins.

„Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern.“ Uli Hoeneß, 2005 in der Bild-Zeitung.

„Ich bin kein Besserwisser, sondern ein Bessermacher.“

Uli Hoeneß, 2010.

Das hat er nun also davon. Jetzt, da Uli Hoeneß von seiner Vergangenheit eingeholt wird, fliegen dem Mister Perfect des FC Bayern München auch seine Sinnsprüche und Statements um die Ohren. Als hätten seine Kritiker nur darauf gewartet, dass der allmächtige und allwissende Präsident des deutschen Fußball-Rekordmeisters einmal ein Foul begeht.

Das Foul, das Uli Hoeneß nun angelastet wird, ist ein schweres. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung – nicht in seiner Funktion als Bayern-Boss, sondern in seinem Brotberuf als Wurstfabrikant.

Zehn Millionen Euro, so berichten deutsche Medien, soll Hoeneß in den vergangenen Jahren außer Landes geschafft haben, auf ein Konto in der Schweiz. Laut Informationen der Bild am Sonntag soll der 61-Jährige mittlerweile knapp sechs Millionen Euro beim Finanzamt abgeliefert haben.

Was für Hoeneß aber weit schlimmer wiegt als die Strafzahlung ist der Imageverlust, den er durch diese Steueraffäre erlitten hat. Das öffentliche Bild des streitbaren Vordenkers mit hohen Wertvorstellungen über den Fußball hinaus muss nun womöglich ganz neu gezeichnet werden.

Hoeneß, der einen Rücktritt bei den Bayern ausschließt, bekommt jedenfalls bereits Gegenwind zu spüren. „Mich enttäuscht, dass jemand wie Hoeneß, der Leistung, Disziplin und Geradlinigkeit unerbittlich wie kaum ein anderer fordert, beim Steuerzahlen Anspruch und Wirklichkeit nicht in Übereinstimmung bekommt“, sagt Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen.

Süddeutsche Zeitung: "Ohnehin war das Bild, das sich die meisten von Hoeness machten, immer schon seltsam widersprüchlich - und jetzt gibt es noch den ganz anderen Hoeness: den Steuerbetrüger, der Integrität gepredigt und den Staat jahrelang betrogen hat. Ebenso wie viele andere Hinterzieher liess er Amnestien verstreichen, verpasste mehrere Gelegenheiten und pokerte bis zuletzt. Im Vorjahr hat Hoeness, der bei Jauch davor warnte, dass die Reichen im Fall einer Reichensteuer nach Österreich oder in die Schweiz ziehen könnten, wohl auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen gesetzt. Ende vorigen Jahres aber war klar: Dieses würde nicht zustande kommen. Es scheiterte am Widerstand von Rot-Grün, und dabei ging es der Opposition neben Politik um jene Gerechtigkeit, die Hoeness auch gerne einfordert."

Spiegel: "Uli Hoeness - ein Steuerhinterzieher? Derselbe Uli Hoeness, der bereitwillig und grosszügig notleidenden Klubs wie dem FC St. Pauli, gar Borussia Dortmund, finanziell geholfen hat? Derselbe Uli Hoeness, der für sein besonderes soziales Engagement mehrfach ausgezeichnet wurde? Dieser wortgewaltige Kritiker der Korruption im Weltfussballverband Fifa? Man mag es nicht glauben. Wenn aber das stimmt, was Focus und Abendzeitung recherchiert haben, wenn wahr ist, dass er Abermillionen Euro wissentlich am Fiskus vorbeischmuggelte; wenn es auch wahr ist, dass Hoeness bereits im Januar Selbstanzeige erstattete - in der Zeit, als ihm die Öffentlichkeit nach dem Guardiola-Deal Kränze geflochten hat; wenn all das stimmt: Dann ist von diesem schönen Bild nicht mehr viel übrig. Zumal in diesem Ausmass, ist Steuerhinterziehung eine kriminelle Handlung. Nichts anderes."

Bild-Zeitung (Berlin): "Für mich hätte es zu dieser Meldung nur noch eine mögliche Steigerung gegeben: Papst beim Diebstahl erwischt! Natürlich leben wir in einem Rechtsstaat und natürlich muss dem Bayern-Präsidenten erst einmal ein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Aber bin ich naiv, wenn ich denke: Wer eine Selbstanzeige einreicht, der weiß, dass er sich strafbar gemacht hat?!? Gleichgültig, wie diese schlimme Geschichte ausgehen mag: Uli Hoeneß bleibt ein großer Fußball-Manager, aber er ist ab sofort nicht mehr die moralische Instanz im deutschen Fußball. Für mich, der ihn seit vielen Jahren kennt und ihn - wie Millionen andere - bewundert, ist dies total traurig."

Münchner Merkur: "Viele hätten sich Uli Hoeneß sogar als Bundespräsidenten vorstellen können, allemal als besseren Politiker als die, die wir in Deutschland haben. Der Mann galt nicht nur als Macher des FC Bayern, ihm wurde überragende Kompetenz in fast allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zugeschrieben, in Talkshows hatte seine Stimme Gewicht. Jetzt bewegen sich die Gefühle der Menschen für Uli Hoeneß zwischen Mitleid und Verachtung. Ein Absturz aus dem Nichts, ohne Vorzeichen - und mit noch nicht vorhersehbaren Folgen. Mit der Steuerlüge hat Hoeneß' mächtige Stimme die Glaubwürdigkeit verloren. Ein Mensch wie Uli Hoeneß wird unter dieser bitteren Erkenntnis leiden."

Saarbrücker Zeitung: "Da muss sich einer lange Zeit sicher gefühlt haben, weil er im Freistaat politisch stets protegiert worden ist. Hoeneß hat aus seiner Liebe zur CSU nie einen Hehl gemacht. Im Gegenzug hat die Partei den Ex-Fußballer als Galionsfigur benutzt. Das mag alles koscher gewesen sein. Doch der Landtagswahlkampf könnte trotzdem eine spannende Wendung nehmen. (...) Während Topverdiener ihr Vermögen unbehelligt in Finanzparadiesen verstecken können, wird bei Hartz-IV-Familien das Geld aus Ferienjobs der Kinder auf die Stütze angerechnet. Die Argumentation mag populistisch klingen. Doch das trifft die Stimmung, die sich zunehmend im Land breit macht. Jetzt auch dank Uli Hoeneß."

Donaukurier (Ingolstadt): "Er ist der Lenker und Denker hinter der Erfolgsgeschichte des FC Bayern, und nebenbei profilierte er sich als gesellschaftliche und moralische Instanz: als Grantler mit großem Herz, als Mann offener und mutiger Worte sowie als unbestechlicher Levitenleser - anderen den Marsch zu blasen, das war sozusagen seine Paraderolle. Damit dürfte es nun vorbei sein. Wie auch immer die Angelegenheit ausgeht, sie wird Hoeneß' Glaubwürdigkeit und Integrität schwer beschädigen. Die Fallhöhe ist immens. Dem guten Menschen von der Säbener Straße droht das gesellschaftliche Abseits."

Kölner Stadt-Anzeiger: "Uli Hoeneß ist ein CSU-Mann und erklärter Fan der Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber im Zweifel, so schien es, immer auf der Seite der Schwachen und Bedürftigen. Dieses Bild des konservativen Gutmenschen mit der unzerstörbaren Lebensleistung ist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Über die rechtlichen Konsequenzen des Steuerbetrugs, den Hoeneß vermutlich erst selbst aufdeckte, als er keinen anderen Ausweg mehr sah, müssen Gerichte entscheiden. Das moralische Urteil kann jeder für sich selbst fällen."

Berliner Zeitung: "Ja, der Schaden, den Uli Hoeneß mit seiner Habsucht angerichtet hat, ist immens. Für ihn selbst, weil er das von ihm energisch gepflegte Image vom Vorzeigedeutschen nicht nur befleckt, sondern ad absurdum geführt hat. Für seinen Verein, den er als tugendhaftes Vorbild immer wieder gegen das Böse in der Fußballwelt ins Feld führte, nun aber mit entsprechenden Kontern rechnen muss. Aber auch für den deutschen Fußball, für dessen gute Reputation der so unglaublich integre Uli Hoeneß in den vergangenen Jahren als Symbolfigur immer wieder ins Licht gestellt wurde."

Mitteldeutsche Zeitung (Halle): "Natürlich hat der Steuerfall Hoeneß erst einmal eine wirtschaftliche und politische Dimension. Dennoch wird er nicht ohne Auswirkungen auf dem Sport bleiben. Der Marken-Kern des Fußball-Funktionärs Uli Hoeneß ist der erhobene Zeigefinger, das Mahnen und Meckern, das man ihm nur abnimmt, weil seine moralische Integrität und sein soziales Engagement außer Frage stehen. Doch den Moralapostel wird Uli Hoeneß nun nicht mehr glaubwürdig geben können. Und das muss am Ende Konsequenzen haben: Entweder er zieht sich aus seinem Präsidentenamt beim FC Bayern zurück. Oder er verändert die Art seines öffentlichen Auftretens. Egal, was passiert. Uli Hoeneß ist geschwächt. Und für den Fußball kann das nicht gut sein."

Frankfurter Neue Presse: "Hoeneß war wegen der auf solider Finanzgrundlage errungenen Erfolge des FC Bayern, aber auch als moralische Instanz, deren Wort galt, im gesellschaftlichen Ansehen ganz oben angekommen. Umso größer ist jetzt die Fallhöhe. Demselben Staat, den er angriff, weil er sich zu wenig um die Bildung und Erziehung der Jugend kümmert, hat er viele Millionen entzogen, mit denen Schulen hätten gebaut werden können. Diese Doppelmoral teilt Hoeneß sicher mit vielen, die sich an gehobenen Stammtischen über den allgemeinen Werteverfall und unfähige Politiker und vielleicht sogar die Gier der Finanzmärkte aufregen, aber ihre eigene gierige Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt betrachten. Das macht den Fall Hoeneß aber nicht besser. Als moralische Instanz und als gesellschaftliches Vorbild ist er wohl erledigt."

Schweiz

Blick: "Uli Hoeness gefällt sich als moralische Instanz. Der Gutmensch verweist gerne auf sein soziales Engagement. Und er zeigt gerne, polternd und mit rotem Kopf, mit dem Finger auf die anderen. Und hält dabei mit markiger Kritik nicht zurück. Ein Lieblingsopfer ist der Weltfussballverband Fifa. Filz und Korruption sind die Stichworte dazu.Jetzt ist der Lack bei Hoeness selber weg. Der Bayern-Boss soll Hunderte Millionen auf Schweizer Konten bunkern. Die juristische Aufarbeitung dieses Skandals ist die eine Sache. Die moralische Komponente die andere. Mit Verständnis wird Hoeness in der Öffentlichkeit nicht rechnen können. Die Frage, ob er als Präsident von Bayern noch tragbar ist, wird bald gestellt. Zerstört Hoeness sein Lebenswerk? Was er dringend tun muss: sich erklären und jene Transparenz schaffen, die er überall einfordert. Denn jetzt geht es für ihn um die Wurst."

Tages-Anzeiger: "Bis jetzt war er der erhobene Zeigefinger des deutschen Fußballs - doch nun richten sich die Zeigefinger auf ihn selbst."

Neue Zürcher Zeitung: "Uli Hoeneß stürzt von der Kanzel des Moralpredigers. Der Bayern-Präsident ist aufgetreten wie 'ein Sittenprediger, der die Leute Mores lehrt'".

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