Marko Arnautovic: "Ich war damals nicht zu stoppen"

Unter Koller hat Arnautovic die Wandlung von der Skandalnudel zum Führungsspieler gemacht.
Der Legionär von Stoke City spricht offen über seine früheren Eskapaden.

Ein Gesprächstermin mit Marko Arnautovic ist wie ein Münzwurf: Die Chancen stehen 50:50, dass er gut gelaunt dem Journalisten gegenübertritt. Die Münze fiel im Team-Trainingslager in Spanien auf die Schokoladenseite: Arnautovic präsentiert sich südlich von Alicante entspannt und launig.

KURIER: Sehen wir derzeit den besten Arnautovic aller Zeiten?

Marko Arnautovic: Ich weiß nicht, es geht doch immer mehr.

Was denn?

Ich kann mehr Tore schießen, mehr Vorlagen geben, mehr Dribblings machen.

Die Leistungen beim Team und beim Verein stimmen derzeit.

Ja. Es war ein schwieriger Weg für mich. Ich war nicht immer auf meinem Top-Niveau, jetzt bin ich auf einem guten Weg dorthin.

Warum waren Sie lange nicht auf Ihrem Top-Niveau?

Ich habe mich lange mit anderen Sachen beschäftigt. Das war ein Fehler von mir. Jetzt konzentriere ich mich auf das Wesentliche und schalte auf dem Platz alles andere ab. Natürlich wollte ich früher auch alles geben, aber es ist mir nicht konstant gelungen. Derzeit funktioniert es, das macht mich besser.

Marko Arnautovic: "Ich war damals nicht zu stoppen"
Italian Serie A soccer team Inter Milan coach Jose Mourinho (R) speaks with Twente Enschede striker Marko Arnautovic during the training camp in Appiano Gentile July 11, 2009. Inter have bought Genoa duo Diego Milito and Thiago Motta with Arnautovic poised to follow. REUTERS/Paolo Bona (ITALY SPORT SOCCER)

War der Schritt zu Stoke goldrichtig? Es ist ja kein Glamour-Klub, hat man dort mehr Ruhe?

Ich bin zur richtigen Zeit dorthin gekommen. Es sind viele sehr gute Spieler dabei, die es in ihrer Karriere nicht leicht hatten. Die wollen alle bei Stoke einen Neuanfang machen. Dazu haben wir mit Mark Hughes einen sehr guten Trainer mit einem großen Namen. Er versucht uns besser zu machen. Wenn ich so weitermache, wird der nächste Schritt kommen.

Nicht nur Hughes, auch Koller gibt Ihnen vollstes Vertrauen.

Ich weiß, was ich von den Trainern habe, und sie wissen, was sie an mir haben. Ich versuche, das Vertrauen zurückzugeben. Hughes hat mir Ruhe in mein Leben gebracht. Er hat viel mit mir gesprochen und mir gesagt, ich muss Ruhe in mir selbst finden, nur so kann ich mich auf den Sport konzentrieren.

War nicht Koller ausschlaggebend für Ihre Wandlung?

Der erste Faktor sind meine Kinder. Meine Familie hat mir sehr geholfen. Dann kommen sicherlich die Trainer. Man kann schon sagen, dass Koller und Hughes Glücksfälle für mich sind. Beide geben mir das Gefühl, dass ich ein wichtiger Spieler bin.

Geht es da um Respekt?

Ja. Der sollte immer vorhanden sein. Aber es hat auch mit Vertrauen zu tun. Das hat mir sehr weitergeholfen, weil sie auf mich gezählt haben, auch wenn ich einmal nicht so gut gespielt habe.

Marko Arnautovic: "Ich war damals nicht zu stoppen"
APA20178128_07092014 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.), Marko Arnautovic und Teamchef Marcel Koller beim Abschlusstraining der österreichischen Fussball Nationalmannschaft im Ernst Happel Stadion, am Sonntag, 07. September 2014, in Wien. Österreich und Schweden bestreiten am Montag 08. Sept. 2014 ein EM Qualifikationsspiel der Gruppe G. FOTO: APA/HANS PUNZ

Sie haben mit Inter Mailand die Champions League gewonnen, aber nie gespielt. In der EURO-Qualifikation jedoch waren Sie ein wichtiger Bestandteil. Ist das eine Genugtuung?

Das fühlt sich jetzt richtig an, weil ich etwas dafür geleistet habe. Bei Inter war ich verletzt und hatte so manche Problemchen und nie gespielt. Bei mir steht zwar Champions-League-Sieger, aber das bin ich nicht.

Ist Ihnen damals alles zu schnell gegangen?

Nein. Aber ich bin von Twente Enschede gekommen. Und dann sind plötzlich Eto’o, Milito, Stankovic, Maicon, Sneijder, Thiago Motta vor mir gestanden. Da habe ich gedacht: Schön. Und jetzt?

Der damalige Inter-Trainer José Mourinho hat gemeint, Sie wären noch ein Kind gewesen. Hatte er recht?

Er hat damit eine spezielle Situation gemeint. Ich bin einmal zu spät zum Training gekommen, dann wieder um vier Stunden zu früh. Dann ist Mourinho zu mir gekommen und hat mir seine Nike-Uhr geschenkt.

Wie sehen Sie Ihre Eskapaden bei Inter heute?

In Enschede haben neben meiner Wohnung auf einer Weide Kühe gegrast. Dann landest du in Mailand und hast die Fashionweek, Top-Restaurants, Top-Klubs, nur wunderschöne Frauen. Damals hatte ich keine Freundin. Ich war 19 Jahre alt. Da habe ich mir gedacht: Gut, jetzt bist du da, du kennst dich nicht aus, also mache ich mir schnell einen Namen. Das ist mir auch gelungen (lacht).

Marko Arnautovic: "Ich war damals nicht zu stoppen"
epa05015909 Stoke's Marko Arnautovic celebrates after scoring the 1-0 lead during the English Premier League soccer match between Stoke City and Chelsea at the Britannia stadium in Stoke, Britain, 07 November 2015. EPA/PHIL RICHARDS EDITORIAL USE ONLY. No use with unauthorized audio, video, data, fixture lists, club/league logos or 'live' services. Online in-match use limited to 75 images, no video emulation. No use in betting, games or single club/league/player publications.

Hat Ihnen jemand gefehlt, der Sie auf dem Boden hält?

Mein Bruder war bei mir. Aber ich war damals nicht zu stoppen. Auch mein Vater hätte mich nicht stoppen können. Ich war auf einem Trip und nicht zu bremsen. Nach einem halben Jahr habe ich dann realisiert, dass ich auch etwas leisten muss. Dann habe ich sehr gut trainiert. Mourinho hat mir einen Vertrag versprochen, ist dann aber zu Real gegangen.

Schauen Sie heute beratend auf junge Spieler?

Schau’ mich an, ich bin selbst jung. David Alaba ist jünger als ich, aber was soll ich ihm sagen? Bayern-Trainer Pep Guardiola ist sein Mentor. Aber natürlich redet man mit den neuen Spielern im Team.

Seit Sie aus Bremen weg sind, gibt es keine Skandalgeschichten mehr von Ihnen. Freut es Sie nicht mehr?

Blöd, gell? Haben die Medien nichts zu schreiben.

Oder machen Sie es klüger?

Auch nicht. Natürlich will ich Spaß haben, aber Fortgehen gibt es kaum. Ich trainiere und fahre nach Hause nach Manchester. Ich habe noch etwas zu erreichen, ich will noch zu einem Top-Klub. Und das geht nicht, wenn ich den Zampano spiele.

Marko Arnautovic: "Ich war damals nicht zu stoppen"
APA2979105 - 08102010 - WIEN - ÖSTERREICH: vlnr.: Torjubel vom Torschützen Marko Arnautovic (Österreich) und Stefan Maierhofer beim 2:0 während des EM-Qualifikationsspieles zwischen Österreich und Aserbaidschan am Freitag, 08. Oktober 2010, im Ernst-Happel-Stadion in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Was macht Marko Arnautovic abseits des Fußballs? Welche Hobbys haben Sie?

Meine Familie.

Tattoos sind kein Hobby?

Nein. Das ist was anderes.

Harte Arbeit?

Ja. Das sind oft mehr Schmerzen als beim Fußball (lacht).

Gibt es eine Körperstelle, an der Sie sich nie tätowieren lassen würden?

(Grinst). Die Stelle kennen wir alle, oder?

Und gibt es ein Motiv, das Sie sich nie stechen lassen würden?

Da gibt es viele. Alle meine Tattoos haben etwas mit meinem Leben zu tun. Es gibt Leute, die lassen sich Donald Duck oder Mickey Mouse auf die Brust tätowieren. So etwas würde ich niemals machen.

Der Sohn eines Serben und einer Österreicherin wurde am 19. April 1989 in Wien geboren. Er begann in seinem Heimatbezirk Floridsdorf beim FAC mit dem Fußball, wo niederländische Scouts auf ihn aufmerksam wurden. 2006 wechselte er zu Twente Enschede, wo ihm der Durchbruch gelang.

2009 buhlten sowohl Chelsea als auch Inter Mailand um Arnautovic. Das Rennen machte das von José Mourinho betreute Starensemble aus Italien. Das Engagement verlief ebenso glücklos wie jenes in Bremen (2010–2013). Erst bei Stoke City (ENG) fand er wieder zu alter Stärke. Für Österreichs Nationalteam bestritt er bisher 47 Spiele (10 Tore).

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