Kuba: Held mit dunkler Geschichte

Kuba: Held mit dunkler Geschichte
Blaszczykowski musste mitansehen, wie seine Mutter vom eigenen Vater umgebracht wurde.

Es war wohl das schönste Tor bisher bei dieser Europameisterschaft. Und wahrscheinlich war es auch der emotionalste und berührendste Torjubel dieses Turniers. Jakub Blaszczykowski küsste nach dem sehenswerten Weitschusstreffer zum 1:1 gegen Russland erst innig das polnische Wappen auf dem Trikot, dann hielt er inne und blickte für einige Sekunden demonstrativ nach oben.

Ein bewegender Moment für einen Mann, der mit seinen 26 Jahren schon ein bewegtes Leben hinter sich hat.

Denn jeder polnische Fan wusste, wem diese Geste galt: Seiner verstorbenen Mutter Anna, die Jakub Blaszczykowski verloren hatte, als er gerade einmal elf Jahre als war. Der Vater Zygmunt hatte sie umgebracht, er hatte sie erstochen direkt vor den Augen des kleinen Jakub.

Blaszczykowski trug dieses dunkle Geheimnis um seine Eltern jahrelang mit sich herum, nicht einmal seine engsten Freude und Mannschaftskollegen wussten von diesem Schicksalsschlag. Erst vor zwei Jahren hatte der Kapitän der Nationalmannschaft seine Leidensgeschichte öffentlich gemacht, im einem Fernsehinterview sprach er von seiner privaten Familientragödie und ganz Polen war danach schockiert. "Ich würde alles dafür geben, wäre meine Mutter noch am Leben."

Wahnsinn

Die Frage nach dem Warum quält Blaszczykowski nun schon seit 15 Jahren. Phasenweise, so erzählt der Mittelfeldspieler, hätte ihn diese ewige Suche nach Antworten und nach Gründen für das Geschehene beinahe in den Wahnsinn getrieben. Und hätten er und sein Bruder Dawid nicht in der Großmutter eine stabile familiäre Stütze gehabt, berichtete Blaszczykowski damals, dann wäre er vermutlich nicht ein umjubelter Fußballstar geworden, sondern möglicherweise auf die schiefe Bahn geraten.

Zudem fand Blaszczykowski in seinem Onkel Jerzy Brzeczek ein Vorbild und einen wichtigen Mentor. Der langjährige Regisseur des FC Tirol ist stolz auf den Werdegang seines Neffen, der heute Kapitän der polnischen Nationalmannschaft ist. Wie seinerzeit auch Jerzy Brzeczek. "Zwei Teamkapitäne, die aus dem gleichen Dorf kommen, hat es noch nie gegeben", erklärt Brzeczek, "wir sind in Truskolasy sogar im gleichen Haus geboren."

Jerzy Brzeczek half bei der Karriereplanung, vor allem bei seinen ersten Gehversuchen als Fußballprofi. Der junge Jakub trainierte sogar kurz beim FC Tirol mit, wurde allerdings nicht verpflichtet. Ein Schicksal, das den heutigen Kapitän der polnischen Nationalmannschaft übrigens mit dem ukrainischen Teamkapitän verbindet. Auch Anatoli Timoschtschuk spielte 1998 einmal in Innsbruck vor, wurde aber ebenso wenig geholt.

Taufe

Jakub Blaszczykowski sollte seine Karriere in Deutschland machen. Dort verpassten sie ihm gleich einmal einen neuen Namen. Weil der Name Blaszczykowski nur so schwer über die Lippen kommt, wurde aus ihm in Dortmund kurzerhand Kuba. Mittlerweile hat Blaszczykowski, auch Kuba auf seinem Trikot stehen.

Blaszczykowski könnte bei der Heim-EM eine sensationelle Saison krönen. Mit Dortmund gewann der 26-Jährige heuer bereits das Double, bei einem Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien winkt der Einzug ins Viertelfinale. "Zum Glück haben wir alles in der eigenen Hand", sagt Blaszczykowski, "das Viertelfinale ist unser Ziel."

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