Kollers Team: Leichtsinnig, aber lernbereit

Ende Mai treffen Österreichs Teamspieler wieder zusammen
Gegen Albanien und die Türkei überwog das Positive, aber es gibt bis zur EM doch noch einiges zu tun.

Nach neun Tagen hat Marcel Koller seine Schäfchen wieder ins Freie entlassen. Neun Tage lang waren die Teamspieler beieinander, um unter der Leitung des Schweizers zu üben. Ein 2:1-Sieg gegen Albanien und eine 1:2-Niederlage gegen die Türkei bleiben auf den ersten Blick unterm Strich stehen.

Doch es gibt mehr Erkenntnisse aus dem ersten Lehrgang des Jahres 2016. Ein Überblick über positive und verbesserungswürdige Aspekte, ehe sich das Team Ende Mai in Laax in der Schweiz für den letzten EM-Feinschliff wieder trifft.

Positiv

Stammpersonal Angesichts der Koller’schen Gewohnheiten kann man sich festlegen: Sofern sich keiner verletzt, steht der EM-Kader. Zwei Ausfälle (Baumgartlinger, Harnik) und zwei Wechsel (Özcan, Okotie) am Dienstag kann man nicht als personelles Experiment bezeichnen. Die einzige offene Frage vor dem Lehrgang – wer neben Dragovic in der Innenverteidigung erste Wahl ist – hat Martin Hinteregger überzeugend geklärt.

Der 23. Mann im Kader wird Alessandro Schöpf sein, der von Koller zwei Mal ausdrücklich gelobt wurde. Ist Sabitzer wieder fit, wird es für Guido Burgstaller eng werden. Positiv war auch die Rückkehr von Robert Almer, der gegen Albanien fehlerlos blieb, das Spiel schnell machte und auch noch durch eine Torvorlage erfolgreich war. Die Nummer eins steht.

Taktische Variabilität In der ersten Halbzeit gegen defensive Albaner glänzte das Team durch variable Spielgestaltung. Mit dem Spiel in die Tiefe drang man ebenso oft in die Gefahrenzone vor wie durch Wechselpässe und gut getretene Standards. Koller ließ dazu zwei neue taktische Varianten üben. Gegen Albanien zog er Alaba aus dem defensiven ins offensive Mittelfeld vor, wodurch der Bayern-Star gemeinsam mit Junuzovic vor der Abwehr des Gegners für mehr Gefahr sorgen konnte.

Gegen die Türken ließ Koller – nicht wie meist hoch –, sondern erst im Mittelfeld attackieren, wodurch sich nach Ballgewinn mehr Räume als sonst ergaben. Wird die taktische Variabilität auch in den letzten Tests gegen Malta (31. Mai) und die Niederlande (4. Juni) weiter vorangetrieben, könnte Österreichs Team bei der EURO für seine Gegner durchaus schwer ausrechenbar sein.

Lernbereitschaft"Was ich nach dem ersten Spiel bemängelt habe, wurde diesmal hervorragend umgesetzt", lobte Koller nach dem Türkei-Spiel. Nach dem Sieg gegen die Albaner hatte der Teamchef den Spielern noch mangelnde Laufbereitschaft nach Ballverlusten vorgeworfen. "Gegen die Türken haben wir keine Torchance aus dem Spiel zugelassen. Dass wir trotzdem verloren haben, ist ärgerlich." Dennoch überwiegt die positive Reaktion der Spieler auf die Kritik des Trainers.

Verbesserungswürdig

Chancenverwertung Österreich hat es gegen Albanien verabsäumt, mit einem dritten Tor für Ruhe zu sorgen. Junuzovic und in der Schlussphase Burgstaller hatten die Chance dazu. Gegen die Türken ließen Arnautovic oder auch Alaba aus. Bei der EM wird das ins Gewicht fallen. Koller: "In solchen Spielen kannst du solche Chancen nicht auslassen. Da müssen wir an der Laufbewegung und am Timing arbeiten, da hat auch die Konzentration gefehlt."

Individuelle Fehler Wie beim 1:2 gegen die Schweiz im November, als Alaba mit einem Rückpass ein Gegentor auflegte, schenkte man auch diesmal zwei Tore leichtfertig her. Gegen Albanien konnten nach dem Aufrücken von Dragovic gleich drei Spieler die Lücke hinter dem Abwehrchef nicht rechtzeitig schließen, weil sich einer auf den anderen zu verlassen schien. Gegen die Türkei legte Özcan mit einem haarsträubenden Fehlpass dem Gegner das 1:2 auf. Mit Patzern wie diesen wird es bei der EM nicht fürs Achtelfinale reichen.

Ersatzbank Wenn Koller ein paar Spieler wechselt, wird ein Qualitätsverlust offensichtlich. Vorwerfen kann man den aber niemandem. "Wir sind nicht die Einzigen, wo die Luft dünner wird. Es hat nicht jedes Land 30 oder 40 gleichwertige Spieler", sagt Koller. Das sollte auch jenen bewusst sein, die Österreich aufgrund der erfolgreichen Qualifikation schon auf Augenhöhe mit großen Nationen wie Deutschland oder Frankreich sehen. "Wir machen viel mit dem Teamgeist und unterstützen uns gegenseitig."

Unterstützung Das Team hätte sich mehr als 28.600 bzw. 26.700 Fans im Stadion verdient. "Wir können die Fans aber nicht ins Stadion prügeln", sagt Koller. Gegen Malta und die Niederlande braucht es ein volles Stadion, um dem Team den nötigen Schub mitzugeben.

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