Koller, Meister der Überzeugungskraft

Koller, Meister der Überzeugungskraft
Teamchef Marcel Koller spricht vor 350 Trainern und vermittelt den Glauben an einen Aufwärtstrend.

Erbarmungslos wurde Österreichs fußballerische Bonität von der S & P (Siege & Pleiten)-Ratingagentur in den letzten Jahren herabgestuft. Stetig dieser Abstieg, trüb jede Aussicht. Warum vom Triple-A, also von der absoluten Erstklassigkeit träumen, wenn schon da unten im C-Bereich die Luft so knapp ist? Es krümmte sich das Nationalteam zwischen erhöhter Leidensfähigkeit, im Fokus des ständigen Gespötts und der unbegründeten Hoffnung auf Besserung.

Wir schreiben das Jahr 2012. Das Jahr, in dem die Welt voraussichtlich vor die Hunde gehen soll. Aber ausgerechnet im Fußball herrscht hierzulande ein Hauch von Aufbruchstimmung. Nicht unbedingt, weil ÖFB-Sportdirektor Willibald Ruttensteiner am vergangenen Samstag anerkennend erwähnt haben will, dass sogar die Rasenheizung der Generali-Arena in Betrieb genommen worden wäre, hätte der Schneefall die praktischen Vorführungen im Rahmen des ÖFB-Trainer-Seminars empfindlich gestört. Welch Fortschritt, mag er im internationalen Vergleich auch als Selbstverständlichkeit abgetan werden.

Es ist vielmehr die Person des neuen Teamchefs, der im EVN-Zentrum von Maria Enzersdorf vor 350 – zumindest mit B-Lizenz ausgestatteten – österreichischen Trainern steht. Marcel Koller baut sich nicht auf, um zu referieren, sondern er schlendert auf und ab. Um zu erzählen. Kein Oberlehrer, den er als oberster Trainer des Landes auch mimen könnte, er begrüßt die Zuhörerschaft als Kollegen, wörtlich als "Experten", von denen er etwas mitnehmen und lernen könne. Er ist keine Lichtgestalt, die blendet, er ist einer, der nur berichtet. Darüber, was er als Coach täglich so treibt, obwohl zumeist "gar keine Mannschaft da ist". Teamchef zu sein, ist also doch ein Fulltime-Job. Darauf hinzuweisen, mag mittlerweile geschicktes Marketing-Instrument in eigener Sache sein, aber es wurde doch zu einem neuen österreichischen Verständnis.

Koller verspricht nichts. Weder, dass es gelingt, aus Marko Arnautovic ein fixes Mitglied der Nationalmannschaft zu machen noch, dass die anstehende WM-Qualifikation auch als solche genützt werde. Koller erwähnt nebenbei, dass ein Verbot, die Zeitungen am Frühstückstisch zu lesen, künftig die Kommunikation unter den Teamspielern fördern solle. Respekt fordere er. Vor dem Teamchef, vor dem Zeugwart, vor der Putzfrau. Das Erscheinungsbild sei ihm wichtig, gibt’s dahingehend Probleme "greife ich ein".

In der Hauptsache ist aber ein selbstbewusstes Auftreten sein Anliegen. Vor allem auf dem Spielfeld. "Denn ich bin Praktiker. Und das bedeutet, alle und alles optimal vorzubereiten, um das Glück auch zu erzwingen. Das muss man sehen. In der Leistung, in der Körperhaltung."

Mittelfeldpressing fördernde Übungen zeigt der Praktiker Koller am Nachmittag mit der U-18-Mannschaft von Austria Wien. Grundlegend offensiv und von Aggressivität geprägt ist die Idee des Systems. Koller ist kein Wunderheiler, aber er vermittelt das Gefühl, ein Rezept für eine Aufwertung des österreichischen Fußballs zu kennen. Auf eine Triple-B-Wertung – will heißen, der spekulative Bereich beginnt.
Immerhin.


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