Wo Palästina zu Ballästina wird

Heimat, fremde Heimat: Weil es im Dorf keinen passenden Fußballplatz gibt, muss Taraji Wadi Al-Nes seine Heimspiele im Stadion von Al-Khader austragen.
Das 800-Einwohner-Dorf Wadi Al-Nes stellt den palästinensischen Fußballmeister.

Gerhard Rudolf hatte ein Schmuckstück entdeckt, ein Kleinod, das genau in seine Sammlung passt. Taraji Wadi Al-Nes spielte im Jänner gegen Shabab Al Khalel – der Erste gegen den Zweiten der West Bank Premier League (WBPL), jener Liga, in der der palästinensische Fußballmeister ermittelt wird.

Wo Palästina zu Ballästina wird
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Gerhard Rudolfs Hobby ist der Fußball, er sammelt Bilder und Geschichten aus der ganzen Welt und präsentiert seine Eindrücke und Erfahrungen auch auf seiner Homepagewww.stadiontour.at. Rund 900 Stadien hat der Österreicher dort bereits verewigt, und jedes einzelne hat der Fußballliebhaber selbst besucht. Das ist gar nicht einmal so viel in einem weltweiten Kreis von Fußball- und Stadionfreaks, die gemeinhin als "Groundhopper" bezeichnet werden.

Der 35-jährige Wiener bezeichnet sich als kleinen Fisch unter diesen Stadionhüpfern. Immerhin hat er einen Job, ist verheiratet, hat zwei kleine Kinder. Den Trip ins Palästinensergebiet gönnte er sich trotzdem.

Fußballmärchen

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Was er im "Al-Khader International Stadium", in das 3000 Zuschauer passen, sah, war nicht das große Fußballspektakel. Aber Gerhard Rudolf wurde dort Augenzeuge einer Mannschaft, die mittlerweile in der Fachwelt Bewunderung und eine gewisse Berühmtheit genießt.

In Al-Khader, einer Stadt mit 10.000 Einwohnern, nur fünf Kilometer von Bethlehem entfernt, trägt Taraji Wadi Al-Nes seine Heimspiele aus. Ein 1:0 ebnete damals den Weg zum historischen Titel. Das Besondere daran: Wadi Al-Nes ist ein Dorf mit gerade einmal 800 Einwohnern in der Nähe von Bethlehem. Zum Vergleich: der Gegner des Dorfklubs, Shabab Al-Khaleel, kommt aus Hebron, mit 250.000 Einwohnern die größte Stadt der Westbank und verglichen mit Wadi Al-Nes eine Metropole.

Inzwischen ist das beschauliche Wadi Al-Nes zum Fußballzentrum geworden. Und längst besuchen internationale Reporter das Dörfchen, das die beste Fußballmannschaft von Palästina hervorgebracht hat.

Familienbetrieb

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Auf den staubigen Straßen in Wadi Al-Nes herrschen eigenwillige Verkehrsregeln. Schafe haben Vorrang, und natürlich die Kinder, die hier alle dem Ball nachrennen. Seit der dorfeigene Verein Taraji in der Westbank Premier League von Sieg zu Sieg eilt, sind in der 800-Seelen-Gemeinde alle am Ball. "Fußball bedeutet für uns alles", sagt Yousef Abu Hamad im ARD-Interview. "Wir fühlen uns von den Israelis unterdrückt, der Fußball hilft uns, dem zu entkommen. Er stärkt unser Selbstbewusstsein."

Yousef Abu Hamad ist der Dorfoberste und nicht nur der Vater der Fußball-Erfolge, er ist auch der Großvater des Fußballwunders. Die Fußballmannschaft von Taraji ist, wenn man so will, vor allem sein Werk. 13 Mitglieder der großen Abu Hamad-Familie kicken beim Meister, sechs Söhne und sieben Enkel von Yousef Abu Hamad.

Der familiäre Zusammenhalt ist ein Erfolgsgeheimnis, glaubt Abdil Fatar Arar, der Profitrainer von Taraji Wadi Al-Nes. "Sie spielen auch für die Familie, jeder kann sich auf jeden verlassen."

Unruhezone

Vor jedem Spiel holen sich die Kicker vom Dorfobersten den Segen und eine Umarmung, der Imam von Wadi Al-Nes, der die Mannschaft auch zum titelentscheidenden Match ins ferne Ramallah begleitete, tut alles, was in seiner Macht steht. "Ich habe gebetet, dass das Team gewinnt", sagte der Imam.

Dass in der Westbank Premier League überhaupt ein Fußballmeister gekürt werden kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Seit dem offiziellen Anpfiff der palästinensischen Liga im Jahr 1977 rückte der Fußball aufgrund der brisanten politischen Lage häufig ins Abseits. In den ersten 30 Jahren des Bestehens konnten lediglich sieben komplette Meisterschaften durchgeführt werden, zumindest seit 2008 wird nun ohne Pause gekickt.

Auf die Spieler von Taraji Wadi Al-Nes wartet nun die große, weite Fußballwelt. Als Meister dürfen sie die Farben von Palästina international vertreten. Die Familie Abu Hamad wird dann in der asiatischen Champions League am Ball sein. Und auch Gerhard Rudolf ist möglicherweise wieder mittendrin.

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