Der Blick auf den Genfer See ist atemberaubend. Hier in Nyon, einer Kleinstadt zwischen Genf und Lausanne, residiert seit mehr als 20 Jahren die UEFA. Der europäische Fußballverband lädt im sogenannten „Media Outreach Programme“ Journalisten ein, um ihnen die Arbeit des Verbandes näherzubringen. Ein Dutzend – aus den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und Österreich – folgte dem Ruf, als sich im Foyer sportliche Männer um die 40 in schwarzen Anzügen mit Sektflöten in Händen tummeln. „War das nicht der ...?“ „Der Adler, der deutsche Tormann.“ „Und der Arschawin, der Russe.“ Und. Und. Und.
Es ist eine kleine Feier für die Absolventen des MIP, eines Fortbildungsprogramms mit dem sperrigen Namen „UEFA Executive Master for International Players“. Das haben schon 3.000 Exfußballer und Exfußballerinnen absolviert, darunter auch Paul Scharner und Sebastian Prödl. Auch die Journalisten sollen darüber mehr erfahren, deshalb erzählen Absolventen des Jahres 2022 von ihren Erfahrungen.
Knapp fünf Jahre nach Ende seiner Karriere lastet diese Bürde noch auf Ricardo Izecson dos Santos Leite, besser bekannt als Kaká. Der war auch in Nyon ein beliebtes Motiv für Selfies. Er wurde gefragt, welche österreichischen Fußballer er kenne. „Alaba“, kam es wie aus der brasilianischen Pistole geschossen. „Ich liebe ihn.“ Sonst noch? Arnautovic? Kaká schaut ungläubig. „Wo spielt der?“ Bologna. „Aha. Muss ich mal schauen.“
Vor zwanzig Jahren wurde Kaká Weltmeister. Damals nur mit einem Kurzeinsatz im Schatten der Weltklasse-Offensive mit Ronaldo, Ronaldinho und Rivaldo. „Es ist eine wunderschöne Erinnerung“, sagte er. 2006 und 2010 war er Stammspieler, aber es reichte nicht zum Titel. Kann Brasilien nach 20 Jahren den WM-Titel holen? Kaká ist Optimist: „Da sind gute Junge wie Vinícius Jr., Rafinha und Antony und erfahrene Spieler wie Neymar, Casemiro und Thiago Silva.“ Allerdings geht ihm, der erst mit 21 nach Europa kam, die „brasilianische Identität“ im Team ab. „Die Spieler verlassen Brasilien ganz jung, werden dort nicht fertig ausgebildet. Zwischen dem Fußball in Europa und Brasilien ist ein Riesenunterschied.“ Bei der WM wird Kaká als Experte für den katarischen Sportsender beIN Sports vor Ort sein.
Da ist Lise Klaveness, die ehemalige Fußballerin, Anwältin und aktuelle Präsidentin des norwegischen Verbandes. Da ist Bianca Rech, sportliche Leiterin der Bayern-Frauen. Da ist der Franzose Bruno Cheyrou, einst Profi bei Liverpool. Und da ist Kaká.
Der 40-Jährige ist der unumstrittene Star des Quartetts. Er wurde 2002 Weltmeister mit Brasilien, gewann 2007 die Champions League mit Milan und spielte vier Jahre bei Real Madrid. Zvonimir Boban umarmte den Weltstar herzlich. Der 54-jährige Kroate gewann 1994 mit Milan die Champions League, studierte später Geschichte, leitete eine Sportzeitung und ist jetzt bei der UEFA „Technical Director and Chief of Football“. Boban erinnert sich: „Du musst nach der Karriere lernen, normal zu sein. Als Fußballprofi lebst du in einer Scheinwelt. Danach musst du die Bürde des vergangenen Ruhms loswerden.“
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