"Koller hat uns eine Identität gegeben"

Duell mit dem Superstar: Julian Baumgartlinger (re.) bekommt es im September mit Schweden und Zlatan Ibrahimovic zu tun.
Der Mittelfeldspieler über die Entwicklung des Nationalteams und das Spiel in Russland.

In Abwesenheit von Fußballer des Jahres David Alaba wird Julian Baumgartlinger Österreichs Spiel am Sonntag in Moskau leiten und lenken (18 Uhr MESZ). Der Motor im zentralen Mittelfeld ist aus dem rot-weiß-roten Team nicht nur nicht mehr wegzudenken, nein, der 27-jährige Deutschland-Legionär gibt auch den Takt und den Spielrhythmus vor.

KURIER: Herr Baumgartlinger, stimmt der Eindruck, dass das Nationalteam bester Laune und voller Vorfreude auf das EM-Qualifikationsspiel ist?

Julian Baumgartlinger: Ja. Wir sind gut drauf und haben eine tolle Stimmung. Es hat sich im Vergleich zu den jüngsten Spielen mit dem Nationalteam nichts geändert.

Was darf man sich vom Spiel am Sonntag erwarten?

Dass es keine leichte Aufgabe werden wird. Russland war vor der Qualifikation der Gruppenfavorit und hat gegen uns einiges gutzumachen. Sie sind gefordert und werden dementsprechend brennen.

Hat Österreich nicht eine angenehme Rolle? Russland muss gewinnen, Österreich kann.

Genau dieses Denken wäre ein fataler Fehler. Wir müssen auch. Einfach nur hinfahren und schauen, was passiert, das wäre sehr schlecht. Wir müssen und wollen jedes Spiel gewinnen. Es wäre falsch, zu glauben, dass es kein Problem wäre, in Moskau zu verlieren. Wir hätten dann ein Problem, weil wir die Russen damit wieder stark machen würden.

Österreich tritt auswärts mittlerweile anders auf als in der Vergangenheit – mutiger. Wie ist es dazu gekommen?

Wir haben gesehen, dass wir alle schlagen können. Und wir wissen, dass es nicht reicht, einfach nur zu schauen, was rauskommt. Es war auch nicht klar, dass wir 5:0 in Liechtenstein gewinnen würden. Das war nur möglich, weil wir den Gegner ernst genommen haben. Es gibt keine Selbstverständlichkeiten.

Ist das Team vielleicht auch deshalb so gut, weil es aus vielen sogenannten g’standenen Spielern besteht?

Das kommt sicher dazu. Bei jedem ist in den letzten Jahren die Erfahrung größer geworden, die internationalen Einsätze wurden mehr. Viele von uns haben in ihren Vereinen führende Rollen eingenommen. Davon profitieren wir alle.

Teamchef Koller will keine Hochrechnungen. Weil es ein schlechtes Omen ist?

Nein, weil es meistens anders kommt, als man rechnet. Ich will viel lieber jedes Spiel gewinnen, dann sind wir fix bei der EM (lacht). Rechnen ist der falsche Ansatz. Ich zähle lieber die Punkte, die ich fix habe, als jene, die ich in der Zukunft haben könnte.

In diesem Team befinden sich viele Deutschland-Legionäre. Hat sich da womöglich eine für Deutsche typische Mentalität entwickelt?

Nein, wir sind Österreicher und haben unsere Mentalität. Drei Nachwuchsteams des ÖFB haben sich heuer für Endrunden qualifiziert. Die Spieler sind auch nicht alle im Ausland engagiert, es ist vielmehr Teil unseres Prozesses, dass wir bei guten Vereinen in guten Ligen spielen und ständig gefordert werden. Bei der letzten Qualifikation hat noch etwas gefehlt, jetzt zeichnen uns Entschlossenheit und Zielstrebigkeit aus. Und natürlich der individuelle Fortschritt jedes einzelnen.

Die aktuelle Auswahl könnte Historisches schaffen, sich aus eigenen Stücken erstmals für eine EM qualifizieren. Haben die Spieler das in den Hinterköpfen?

Nein. Dieses Thema wird nur immer wieder aufgewärmt, weil sich Österreich danach sehnt und es für alle Beteiligten eine tolle Sache wäre. Wir wollen es für uns schaffen, weil wir das Potenzial dafür haben. Es wäre grob fahrlässig von uns, wenn wir diese Möglichkeit und unser Potenzial verschwenden.

Klingt, als wäre das eine besondere Generation.

Wir haben Potenzial. Es ist vor allem die Art und Weise, wie wir spielen. Auch in Test-Ländermatches, in denen das früher nicht so der Fall gewesen ist. Das merken und spüren wir, und das gibt uns Selbstvertrauen.

Man merkt unter Teamchef Marcel Koller eine Entwicklung. Ist er so gut, oder hat er das Glück, gute und erfahrene Spieler zur Verfügung zu haben?

Es ist einfach eine Win-Win-Situation, eine ideale Symbiose. Der eine kann nicht ohne den anderen. Dennoch hat der Teamchef einen schwierigen Job, weil er nur wenig Zeit hat, um etwas zu formen. Marcel Koller hat uns eine Identität gegeben. Die allein bringt aber noch nichts: Erst die Erfolge setzten diese Philosophie um.

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