Jantscher: "Mein Vater wäre so stolz"

Jantscher: "Mein Vater wäre so stolz"
Die Saison biegt in die Zielgerade. Vor dem Spiel gegen Ried gibt der zurzeit beste Spieler der Liga sehr persönliche Einblicke.

Das Leben kann so schön sein. Jakob Jantscher sitzt nachdem Training frisch geduscht in der Red Bull-Arena auf der Terrasse des Stadion-Restaurants, die Sonne scheint. Der 23-Jährige weiß diesen Moment zu schätzen, hat sich ihm das Leben doch vor wenigen Monaten von der finstersten Seite präsentiert. Mit dem KURIER spricht der Teamspieler über Karrierepläne, Freundschaften, die Familie – und den Freitod seines Vaters.

KURIER: Warum wird Salzburg in wenigen Wochen Meister sein?
Jakob Jantscher: Weil wir den besten Kader, die besten Einzelspieler haben. Aber es bleibt bis zum Schluss eng, weil wir es verabsäumt haben uns abzusetzen. Umgekehrt könnten wir auch schon einige Punkte hinter Austria oder Rapid liegen.

Warum ist es Salzburg bei dem Kader nicht gelungen, sich abzusetzen?
Der Start war gut, dann folgte ein Einbruch. Das darf eigentlich nicht passieren. Uns hat damals die Konstanz gefehlt für einen positiven Lauf.

Funktioniert das Kollektiv?
Wir sind vielleicht nicht die perfekte Mannschaft, aber wir versuchen alles, dorthin zu kommen. Wir müssen geschlossener auftreten.

Wie ist die Stimmung innerhalb des Teams? Man hört, sie soll nicht gut sein.
Wir haben acht Spiele nicht verloren, aber nicht so richtig überzeugend gespielt. Hätten wir klar gewonnen, dann würde vieles leichter fallen, dann steigt auch die Stimmung. Aber schlecht ist sie nicht.

Sie selbst spielen überzeugend. Wie das?
Die erste Saison in Salzburg war bei mir ein ständiges Auf und Ab. Mir ist es gelungen, Konstanz in meine Leistungen zu bringen. Noch dazu habe ich Tore erzielt, an denen ich als offensiver Spieler auch gemessen werde.

Wer effektiv ist, fällt auf. Auch im Ausland. Wohin wird die Reise gehen?
Keine Ahnung. Das Thema ist schon seit längerer Zeit aktuell bei mir.

Gladbach und Stuttgart hatten ja schon Interesse.
Gladbach ist aus verschiedenen Gründe damals nichts geworden. Ich habe keinen Stress, mein Vertrag in Salzburg läuft bis 2014. Wenn ein interessantes Angebot vorliegt, dann wird man darüber reden.

Ist der Schritt ins Ausland eines Ihrer Lebensziele?
Wer will nicht ins Ausland gehen? Gelingt mir der Sprung nicht, würde es mich am Ende der Karriere schon anzipfen.

In Salzburg stimmt das Umfeld. Ein Profi-Klub mit guten Spielern, die Gehälter sind in Österreich spitze, die Stadt ist schön. Sind Sie sich bewusst, privilegiert zu sein?
Ich weiß das zu schätzen. Viele Leute wären gerne Fußballer. Und viele können andere Dinge besser. Ich habe Talent mitbekommen. Und ich kann mein Hobby als Job ausführen und verdiene damit gutes Geld.

Haben sie an Reife gewonnen?
Der Transfer nach Salzburg war ein Wechsel in ein neues Leben. Vorher habe ich in Graz bei den Eltern gelebt, jetzt kümmere ich mich selbst um alles. Das erste Jahr unter Huub Stevens war sehr lehrreich für mich. Stevens hat mir gesagt: Du hast Talent, musst aber mehr heraus holen.

Ein einschneidendes Erlebnis war für Sie der Tod Ihres Vaters vor einigen Monaten. Inwieweit hat Sie das Ereignis als Persönlichkeit wachsen lassen?
Es hat mich enorm weiter gebracht. Du glaubst ja immer, das kann dir nicht passieren.  Und dann gerätst du genau in so eine Situation. Du bist 22 Jahre und von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Mein Vater hat innerhalb der Familie sehr viel übernommen. Er war für mich eine Bezugsperson, hat sich um die Wohnung meines Bruder, das Studium meiner Schwester gekümmert.

Mussten Sie diese Lücke ausfüllen?
Ich bin irgendwie automatisch in diese Rolle geschlüpft, weil ich das Glück habe, als Fußballer gutes Geld zu verdienen. Da fallen ja viele Kosten an. Ich hatte bis dahin kaum eine Ahnung davon, was die Heizung, die Versicherungen oder dann ein Begräbnis kosten. Für mich war das alles ein extremer Reifeprozess, plötzlich war ich eine ganz andere Person innerhalb der Familie, weil ich viel in die Hand nehmen musste.

Kann man so eine Nachricht überhaupt fassen?
An dem Tag hatte ich ein schlechtes Gefühl, weil ich meinen Vater telefonisch nicht erreicht habe. Das war ungewöhnlich. Ich habe gewusst, dass irgendwas nicht stimmt. Es war schockierend. Vor allem im Fußball war er für mich die Ansprechperson, er hat meine Finanzen geregelt.

Mein Vater war auch immer mein größter Kritiker, weil er mich von klein auf begleitet hat. Das alles wird mir extrem fehlen. Ich bin aber so froh, dass ich so eine Verlobte und solche Schwiegereltern habe, wo der Schwiegervater Fußball begeistert ist, mit dem ich mich austauschen kann. Ich muss meiner ganzen Familie Danke sagen für die Unterstützung.

Ist Ihre Familie durch das Ereignis zusammen gerückt?
Absolut. Wir versuchen alle an einem Strang zu ziehen. Ich kann von Salzburg aus nicht alles telefonisch regeln. Wenn sie mich hier besuchen, dann habe ich das Gefühl von Geborgenheit.

Haben Sie das Ganze so gut es geht verarbeitet?
So gut es geht. Es gibt immer wieder nachdenkliche Momente. Wenn mir ein Tor gelingt. Er wäre so stolz auf mich. Oder bei einem möglichen Wechsel ins Ausland, da hätte auch mein Vater noch so viel erleben können. Und dann stelle ich mir die Frage, warum hat er das gemacht?

Darauf findet man aber keine Erklärung.
Nie. Man sollte auch damit aufhören. Aber das gelingt nicht so leicht. Das sind so Phasen. Wie ich damals aus Graz wieder nach Salzburg gekommen bin, hat mich das viele Training abgelenkt. Ich hatte etwas zu tun. Aber dann sitzt du im Urlaub am Strand, schaust auf das Meer raus...und dann sind sie wieder da, die Gedanken.

Ich habe damals gleich ein Buch gelesen über Suizid. Das sind extreme und wilde Dinge gestanden, aber es hilft wenigstens, das Ganze einzusehen und irgendwie zu verstehen. Nie hätte ich geglaubt, dass mein Vater so etwas macht. Daher habe ich im ersten Moment gleich gesagt: Das war ein Autounfall.

Hat sich Ihre Sicht aufs Leben geändert?
Ich weiß vieles zu schätzen. Und zum Glück habe ich hier in Salzburg meine Verlobte, denn wäre ich hier allein in meiner Wohnung - das wäre nicht leicht. Entweder du sitzt daheim und es geht dir schlecht. Oder du gehst weg und fängst womöglich irgendeinen Blödsinn an. Daher bin ich meiner Familie so dankbar.

Oder einem Freund wie den Daniel Beichler.
Genau. Man glaubt immer, als Fußballer hat man viele Freunde. Das ist aber nicht so. Wirklich gute Freunde sind rar.

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