Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"

Polster: "Wenn ich zurückblicke, was ich alles gewonnen habe, dann ist das fantastisch."
Der Team-Rekordtorschütze spricht über seine Ambitionen im Trainergeschäft, seine Austria und Rapids Fan-Probleme.

Toni Polster ist einer der größten Fußballer in der Geschichte des österreichischen Fußballs. Er ist mit 44 Toren der Rekordtorschütze der Nationalmannschaft und war während seiner aktiven Zeit ein gefürchteter Torjäger in der deutschen Bundesliga sowie der spanischen Primera Division. Trotz seiner Erfolge als Spieler blieb ihm – mit Ausnahme eines kurzen Gastspiels bei der Admira – ein Trainer-Job in der österreichischen Bundesliga bislang verwehrt.

Im bwin-Interview nennt der mittlerweile 53-Jährige die Gründe dafür. Außerdem äußert sich Polster zu seinen Ex-Klubs 1. FC Köln und Austria Wien, nennt die Besonderheiten seines derzeitigen Arbeitgebers Wiener Viktoria, spricht über das Fan-Problem von Rapid Wien und übt Kritik an der österreichischen Nationalmannschaft.

Wie lang möchten Sie noch Trainer der Wiener Viktoria bleiben?

Es macht mir so viel Spaß. Mit der Viktoria habe ich einen Verein gefunden, der ähnlich tickt wie ich. Wir wollen immer gewinnen, etwas bewegen, etwas entwickeln und unserer sozialen Aufgabe gerecht werden. Das kann bei der Viktoria gerne noch ein paar Jahre dauern, es kann aber auch nächsten Winter oder Sommer bereits wieder Schluss sein.

Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"
Welcher sozialen Aufgabe möchte die Viktoria gerecht werden?

In den Wintermonaten können Obdachlose bei uns in den Kabinen schlafen. Außerdem bieten wir Deutschkurse für Eltern und Kinder über das Vereinsprojekt VIK Sozial an.

Welche größeren Ambitionen haben Sie als Trainer?

Ich habe auf jeden Fall die Ambition, es weiter nach oben zu schaffen. Man sollte meiner Meinung nach immer danach streben, mit den Besten zusammenzuarbeiten und der Jugend ein Vorbild zu sein. Dass ich einer der Besten war, ist unumstritten, aber in Österreich hat es leider System, dass sehr oft nur auf das Mittelmaß zurückgegriffen wird. Insbesondere bei den Trainern werden oft Menschen gesucht, die schwach sind. Deswegen habe ich es schwer in Österreich.

Bei welchem Verein wird Ihrer Meinung nach auf das Mittelmaß zurückgegriffen?

Bei vielen Vereinen. Oft werden Leute für wichtige Positionen geholt, die keine Vorbilder sind, die nichts erreicht und nichts gewonnen haben, aber eben dirigierbar sind und daher ist Österreich kein guter Boden für mich.

Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"
APA17333220-2 - 06032014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT SI - Toni Polster in Aktion am 11. Oktober 1997 während des WM-Qualifikationsspieles gegen Weißrussland im Ernst Happel-Stadion in Wien (ARCHIBILD). Polster feiert am Montag, 10. März 2014, seinen 50. Geburtstag. APA-FOTO: ULRICH SCHNARR
Muss ein erfolgreicher Trainer auch ein erfolgreicher Spieler gewesen sein?

Es hilft natürlich ungemein, weil ich als ehemaliger Spieler weiß, wie sich die Spieler fühlen und Situationen, die Spieler durchmachen, selbst hunderte Male erlebt habe. Es ist nicht zwingend notwendig, aber ein Vorteil. Meiner Meinung nach gibt es nichts Besseres für die Spieler, als einen Trainer, der immer nach Weiterbildung strebt und früher selbst gespielt hat.

Haben Sie also ein Traineramt in der österreichischen Bundesliga bereits abgehakt?

Nein, aber ich kann es auch nicht beeinflussen und bleibe skeptisch. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich gut bin und mich täglich verbessern will.

Könnten Sie sich ein Traineramt bei der Wiener Austria vorstellen?

Ich könnte mir einiges vorstellen, aber die Austria ist nie auf mich zugekommen, also stellt sich mir die Frage nicht.

Sie lassen in Interviews selten ein gutes Haar an der Austria. Woran liegt das?

Das stimmt so nicht ganz. Ich bin mit der Austria im Reinen. In meinen Kolumnen beurteile ich auch nur das, was ich sehe und das ist manchmal besser und manchmal schlechter. Bevor Thorsten Fink als neuer Cheftrainer installiert wurde, hat man mich kontaktiert. Dann wurde gegen mich entschieden und das ist auch in Ordnung so. Mit der Austria habe ich kein Problem.

Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"
VIE02:POLSTER:WIEN,21DEC97 - Toni Polster wurde im November von Oesterreichs Sportjournalisten zum Sportler des Jahres gewaehlt. Heuta nachmittag erhielt Polster den Pokal aus der Hand von Teamchef Herbert Prohaska (R). hp/REUTER OESTERREICH/Photo by Contrast REUTERS
Sie waren 2004/05 für kurze Zeit Manager bei der Austria. Sind der Verein und Sie damals im Guten auseinandergegangen?

Frank Stronach hat sich damals eingebildet, dass er mich nach 5 Monaten entlassen muss, weil ich fast täglich mein Gesicht unter ihm verloren hätte. Dass ich danach 3 Prozesse gegen die Austria führen musste, die in erster Linie natürlich gegen Frank Stronach gerichtet waren, hat mir wehgetan. Ich habe aber alle 3 Prozesse gewonnen und kann mich selbst im Spiegel ansehen.

Sie haben kürzlich über den Job des Teamchefs gesprochen. Hegen Sie diese Ambition?

Wenn ich zurückblicke, was ich alles gewonnen habe, dann ist das fantastisch. Das macht mich sehr stolz und trotzdem trainiere ich nicht in der Bundesliga. Wenn ich mir dann ansehe, wer in der Bundesliga Trainer sein darf, bestätigt das nur, dass in Österreich anscheinend auf Mittelmaß gesetzt wird. Mir wurde in diesem Zusammenhang von einem Journalisten die Frage gestellt, ob ich es mir zutrauen würde Nationaltrainer zu werden. Ich habe 95 Länderspiele für Österreich gemacht, habe in den besten Ligen der Welt gespielt, hatte Toptrainer und hatte als Trainer selbst riesige Erfolge. Warum soll ich mir das also nicht zutrauen?

Welchen Verein sehen Sie in der österreichischen Bundesliga im Vorsprung?

An Salzburg führt für mich kein Weg vorbei. Es ist der beste Kader, das größte Budget, das beste Umfeld und das beste Scoutingsystem. Da wird überall sehr gute Arbeit geleistet.

Red Bull polarisiert in Deutschland und in Österreich sehr stark. Sehen Sie das Engagement von Red Bull positiv für den österreichischen Fußball?

Ich sehe es sehr positiv. Man hat einiges bewegt und Strukturen geschaffen, die dem gesamten österreichischen Fußball zuträglich sind. Wenn du erfolgreich bist, werden viele Leute sehr schnell neidisch, das ist aber nichts Neues. Meiner Meinung nach befruchtet Red Bull Salzburg den österreichischen Fußball.

Wie beurteilen Sie die vielen Abgänge zur Schwester nach Leipzig?

Für die Entwicklung des Nationalteams sehe ich es sehr positiv. Da wurde ein sehr schlaues System entwickelt, das Spieler in Österreich in Ruhe entwickelt und dann weitergereicht werden. Wenn man die Erfolge Salzburgs der letzten Jahre betrachtet und dann sieht, wie wenig Zuseher ins Stadion kommen, war der Schritt, RB Leipzig zu gründen, folgerichtig. Deutschland spielt international in anderen Dimensionen und die Möglichkeiten für Red Bull sind zahlreicher.

Rapid hat zum wiederholten Mal Probleme mit seinen Fans und auch auf sportlicher Ebene läuft es nicht rund. Wo liegt bei Rapid der Hund begraben?

Hier wurden von den Führungspersonen viele Fehler gemacht. Das Fanproblem wurde nur verschleppt und nie gelöst. Offensichtlich haben die Verantwortlichen richtige Angst vor den Fans, sonst hätten sie dieses Problem schon vor geraumer Zeit angepackt. Auf sportlicher Seite wurden im letzten Jahr einige unglückliche personelle Entscheidungen getroffen. Meiner Meinung nach hätte man Zoki Barisic nie entlassen dürfen.

Hat der sportliche Abstieg mit Damir Canadi begonnen oder gab es bereits davor konkrete Anzeichen?

Ich wusste, dass es mit Canadi nicht gut gehen kann. Er ist ein Selbstdarsteller, der sich selbst wichtiger nimmt als die Mannschaft. Wer das als Trainer tut, ist zum Scheitern verurteilt.

Was waren Ihre persönlichen Erfahrungen mit Damir Canadi bei den LASK Juniors?

Er war drei Monate mein Co-Trainer und seine Arbeit hatte nichts damit zu tun, wie man sich die Arbeit eines Co-Trainers vorstellt. Deswegen habe ich mich dann nach drei Monaten von ihm getrennt.

In Österreich gab es rund um den Erfolg des Frauen-Nationalteams bei der EM einen riesigen Hype. Seit die EM vorüber ist, ist das Medieninteresse wieder abgeebbt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Das Interesse ist natürlich wieder abgeebbt, weil die Ligen der Männer wieder begonnen haben, Champions League-Qualifikation gespielt wird, etc. Ich denke und hoffe, dass sich die Zuseher auch für die nächsten großen Turniere der Damen interessieren. Ich kann mir jedoch schwer vorstellen, dass in naher Zukunft ein Hype rund um den Damen-Fußball entsteht, der dem rund um die Männer ähnlich wäre. Hoffentlich wächst das Geschäft rund um den Damen-Fußball, da gibt es gerade jetzt irrsinnig viel Potenzial auszuschöpfen, aber der Männer-Fußball wird auch auf lange Sicht die Nummer 1 bleiben.

Woran liegt Ihrer Meinung nach das weltweit geringe Interesse am Damen-Fußball?

Weil es schwierig ist, 11 Frauen zu finden, die sich das Gleiche anziehen (lacht). Grundsätzlich haben wir gerade bei der EM gesehen, dass auch im Damenbereich sehr viele Möglichkeiten vorhanden sind, um Aufmerksamkeit und Interesse zu schaffen. Jetzt liegt es auch an den Vereinen, den Nachwuchs richtig auszubilden und weiterhin für Fußball zu begeistern. Dann wird es auf Dauer mehr Spiele und Interesse geben. Die Werbemöglichkeiten werden somit größer.

Das österreichische Herren-Nationalteam kann derzeit auf keinen Hype bauen. Die EM ist nicht wie erwartet gelaufen und in der WM-Qualifikation wurden sehr viele Probleme im Team offenbart. Österreich exportiert seit einigen Jahren sehr erfolgreich Legionäre in die ausländischen Topligen. Warum läuft es trotzdem nicht rund?

Bei der EM ist vieles falsch gelaufen, weil die Spieler mental gar nicht richtig vorbereitet wurden. Die Qualifikation ist eine Sache, aber das Turnier steht 2 Stufen darüber. Wenn du dich qualifizierst, erzählen dir alle ein Jahr lang, wie klasse du bist. Leider löst das bei vielen Spielern dann den Gedanken aus, dass man offensichtlich nicht mehr an sich arbeiten müsse. Das war einer der Fehler, neben zahlreichen organisatorischen Fehlern seitens des ÖFB. Ich wäre sehr gerne zur Verfügung gestanden und hätte meine Erfahrung von der WM 1998 weitergegeben, aber weder Willi Ruttensteiner noch Marcel Koller hat das interessiert. Die waren sich zu fein dafür. Nach der EM hat sich das Team dann nie richtig gefangen und das Resultat sieht man in der WM-Qualifikation.

Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"
Toni Polster mit Birgit 04.08.2017, Wien, Donauinsel, Beachvolleyball WM
Ist Teamchef Marcel Koller noch der richtige Mann für die WM-Qualifikation oder sollte man jetzt die Reißleine ziehen, bevor es zu spät ist?

Mein Gefühl sagt mir, dass Marcel Koller in den Klubfußball zurückgehen wird, sollten wir es nicht schaffen. Ich glaube ehrlicherweise nicht, dass wir noch eine Chance auf die WM-Qualifikation haben – aber ich wäre sehr glücklich, wenn ich mich irren würde.

Der Transfermarkt war noch nie so erhitzt, wie im Sommer 2017. Mittlerweile gehen viele Spieler so weit, dass sie ihren Wechsel vom Verein erpressen. Dembélé von Borussia Dortmund streikt ebenso wie Coutinho vom FC Liverpool. Wie sehen Sie diese Problematik?

Sehr kritisch, weil ich es respekt- und charakterlos von den Spielern finde. Wenn ich etwas unterschreibe, dann muss ich dazu stehen und kann nur wechseln, wenn alle Parteien zufrieden sind. Das, was Spieler wie Dembélé oder Coutinho abziehen, um ihren Wechsel zu erzwingen, zeugt für mich davon, dass sie keinen Charakter haben.

Zählen Verträge von Profifußballern heutzutage nichts mehr?

Man darf nicht alle in einen Topf werfen, aber die Spieler sollten sich überlegen, was ein Verein alles leisten muss, um sie zu bezahlen. Und gerade die bereits genannten Spieler sollten ihr Benehmen gründlich überdenken. Welche Vereine haben sie zu großen Spielern gemacht? Coutinho ist erst eine große Nummer, seit er in Liverpool spielt. Das gleiche gilt für Dembélé in Dortmund. Ein bisschen mehr Respekt von Seiten der Spieler wäre angebracht.

Seit diesem Sommer gibt es in Österreich mit Marko Arnautovic einen neuen Rekordtransfer. Ein Ex-Mitspieler bei Stoke City meinte, dass Arnautovic das Potential für große Klubs hätte und dann „nur“ zu West Ham wechselt. Sehen Sie das ähnlich?

Nein, da muss ich ehrlich sein. Für einen Spitzenklub ist er einfach nicht gut genug. Bei Arnautovic muss man unterm Strich die Zahlen sehen. Spitzenspieler machen 15 Tore und 15 Vorlagen pro Saison – diese Zahlen kann er nicht vorweisen.

Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"

Auch Stefan Effenbergs "Stinkefinger" ging um die Welt – der Mittelfinger war bei der Fußball-WM 1994 Effes Antwort auf die Kritik der Fans. Die Folge: der Rauswurf aus der Nationalmannschaft. Effenbergs Geste ist heute übrigens nur schwer in den Archiven aufzustöbern – hier eine Ersatzaufnahme bei einer Toni-Polster-Beschimpfung.

Wenn in den 90ern bereits diese Summen gezahlt worden wären, die Vereine heute für Spieler ausgeben: Wie viele hätte Toni Polster in seiner besten Zeit gekostet?

Keine Ahung (lacht). Viele meiner Kollegen weinen der Zeit nach. Ich tue das nicht. Ich habe immer gut verdient und wäre wahrscheinlich bei einem Topverein gelandet. Zur damaligen Zeit waren in den Topligen jedoch immer nur 2 Legionäre pro Verein erlaubt. Somit war es fast unmöglich, bei Real Madrid, Barcelona oder Manchester United zu landen.

Stimmt es, dass die Bayern Sie damals kaufen wollten?

Ich war im Gespräch, weil ich den Bayern 4 Tore eingeschenkt hatte. Aber es hat dann nicht geklappt, weil Österreicher zur damaligen Zeit nicht so ein Standing in Deutschland hatten wie heute.

Apropos Österreicher in Deutschland: Der 1. FC Köln hatte mit Peter Stöger eine sehr erfolgreiche letzte Saison. Wo sehen Sie die Gründe für den Erfolg beim Effzeh?

Wahnsinnig wichtig war, dass endlich Ruhe eingekehrt ist und das Stöger kontinuierlich arbeiten konnte und ihm auf lange Sicht vertraut wird.

Polster: "Warum soll ich mir Teamchef nicht zutrauen?"
Aber jetzt: 1996/97 machte Polster 21 Tore für den 1. FC Köln. In der Torschützenliste wurde der Wiener hinter Ulf Kirsten (22/Leverkusen) Zweiter.
Trauen Sie Peter Stöger das Traineramt bei einem Topklub in Europa zu?

Ich glaube, dass er irgendwann auch um die Meisterschaft mitspielen möchte. Er hat über die letzten Jahre gezeigt, dass er ein fantastischer Trainer ist, der eine schlagkräftige Truppe aufbauen, führen und zu einer Vorzeigemannschaft weiterentwickeln kann.

War Köln die schönste Station in Ihrer Karriere?

Köln und Sevilla waren mit Sicherheit die schönsten Stationen.

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