"Mehr Druck als Brasilien geht nicht"

Augen auf und durch: Peter Stöger ist bei fast jedem WM-Spiel live dabei.
Köln-Erfolgstrainer Peter Stöger genießt seinen Urlaub in Wien und die Spiele bei der WM.

Der Tag von Peter Stöger hat aktuell mehr als 24 Stunden. Zumindest kommt es dem 48-Jährigen so vor. Das muss auch so sein, denn sonst könnte der Trainer des 1. FC Köln alle Termine während seines Heimaturlaubs in Wien nicht unter einen Hut bringen. Und dennoch findet er ganz nebenbei noch genügend Zeit, um sich in Ruhe fast alle Spiele der WM anzuschauen. Eine Zwischenbilanz:

KURIER: Herr Stöger, bleibt neben der Kaderplanung für die bevorstehende Saison in der 1. Deutschen Bundesliga genug Energie übrig für die WM?

Peter Stöger: Ja. Ich muss aber zugeben, dass das Spiel Elfenbeinküste gegen Japan um drei Uhr in der Früh ohne mich stattgefunden hat. Auch bei einigen Partien um Mitternacht bin ich dann irgendwann weggebrochen.

Sie urlauben daheim in Wien. Wie weit beschäftigt Sie da der 1. FC Köln?

Täglich natürlich. Manfred Schmid, mein Co-Trainer in Köln, und ich haben uns schon viele DVDs über die kommenden Liga-Gegner angesehen. Die Kaderplanung haben wir ja zum Glück schon im Frühjahr in Köln besprochen, mit Jörg Jacobs und Jörg Schmadtke. Wir wissen seit längerer Zeit, auf welchen Positionen wir Personal benötigen und welche Spielertypen wir wollen. Die Vorarbeit ist geleistet, daher habe ich jetzt in Wien wenig Stress diesbezüglich.

Können Sie die WM-Spiele überhaupt genießen? Oder schaut man dabei nur noch auf Taktik und Systeme?

Doch, ich kann das genießen, weil ich mir die Matches weniger als Trainer, sondern mehr als Fan ansehe. Entweder daheim in Ruhe oder in einer Gruppe mit Freunden. Da ich ein Jahr lang wenig bis fast gar nicht daheim war, wollen mich jetzt in der kurzen Zeit eben viele Leute treffen. Mein Stress ist daher mehr privater Natur.

Haben Sie bei der WM Neuigkeiten entdeckt?

Nicht wirklich. Man sieht viele Dinge, die in den letzten Jahren immer wieder irgendwo aufgetaucht sind. Da spielt ein Team mit zwei Stürmern, ein anderes nur mit einer Spitze, dann mit zwei zentralen Mittelfeldspielern oder nur mit einem, mit einer Dreier-Abwehr ebenso wie mit eine Vierer-Abwehr. Offensichtlich ist alles erlaubt. Und das freut mich, weil irgendwie der Zwang, ein bestimmtes System spielen zu müssen, wegfällt. Die Trainer gehen bei der Auswahl ihrer Taktik vermehrt nach dem vorhandenen Spielermaterial, diese Entwicklung gefällt mir. Man könnte sagen, dass der Fußball vielleicht etwas flexibler geworden ist.

Und temporeicher?

Das ist unterschiedlich. Ich habe bei der WM viele extrem temporeiche Spiele gesehen, aber auch welche, bei denen ich das Gefühl hatte, die Spieler wollen keinen schnellen Schritt machen. Zum Beispiel bei ItalienUruguay. Der körperliche Aspekt wird bei dem Turnier noch entscheidend sein. Es ist vielleicht kein Zufall, dass noch nie ein Europäer in Südamerika Weltmeister wurde.

Geht der Titel über Brasilien?

Sie sind für mich ein Finaltipp. Brasilien hat sich nach dem Auftakt gesteigert. Ich habe bei der Austria und auch bei Köln immer wieder Drucksituationen kennengelernt. Aber ich glaube, niemand kann sich vorstellen, unter welchem Druck die Brasilianer vor dem ersten Spiel standen. Das war das Maximum an Druck, mehr geht nicht. Dazu kommt noch die soziale Situation im Land mit den Demonstrationen, dem ganzen Rundherum, das die Mannschaft natürlich mitbekommen hat. Dieser Druck ist jetzt nach den Vorrundenspielen und dem letzten Sieg über Kamerun weggefallen.

Wenn man weiter blickt, dann könnte es trotz des starken Auftretens der lateinamerikanischen Teams dann doch ein Halbfinale mit drei Europäern geben: Brasilien gegen Frankreich und Niederlande gegen Deutschland.

Das ist durchaus vorstellbar, wobei es ab der K.-o.-Runde aber auf so viele Kleinigkeiten in den Spielen ankommen wird. Vorhersagen sind daher schwierig.

Zurück zur deutschen Bundesliga und zum FC Köln. Die Auslosung ergab ein Heimspiel gegen den Hamburger SV. Sind Sie zufrieden?

Es freut mich, dass wir gleich zu Beginn ein Heimspiel haben. Aber ganz ehrlich, es gibt doch ohnehin keine leichten Aufgaben. Ich habe gelernt, mich auf das vorzubereiten, was auf mich zukommt. Viele meinen, zu Beginn wäre es besser, gegen Teams zu spielen, die viele Teamspieler im Kader haben. Die könnten müde sein. Man kann es drehen und wenden, wie man will – leicht wird es für uns ohnehin nicht.

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