Hysterie und Hype um King Klopp

Jürgen Klopp gibt seinen Einstand.
Jürgen Klopp feiert sein Debüt als Liverpool-Trainer – und ganz England ist aus dem Häuschen.

Dafür, dass Jürgen Klopp im Grunde noch gar nichts getan hat, ist ihm schon einiges gelungen: Wenige Tage auf der Insel haben genügt, und die Engländer sind schon ganz verzückt und verrückt nach dem Charismatiker aus dem schwäbischen Glatten. Selbst die berüchtigten englischen Medien, die immer für martialisches Geschrei und Beleidigungen gut sind, sobald es um den deutschen Fußball geht – Stichwort: "Krauts" – überschlagen sich mit ihren Lobeshymnen für den neuen Trainer des berühmten FC Liverpool. "Der Retter ist da", schrieb etwa die Daily Mail. Der Guardian sieht in "King Klopp" gar eine "Modernisierungskraft" für die ganze Premier League. Und überhaupt sei die Bestellung des 48-Jährigen "ein historischer Tag an der Anfield Road".

Das ist eine ziemliche Hysterie und ordentlich viel Tamtam um einen Mann, der sich bei seiner offiziellen Präsentation vor einer Woche mit den Worten "I’m the normal one" vorgestellt hat.

Hysterie und Hype um King Klopp
Liverpool's fans cheer for their team before their English Premier League soccer match against Chelsea at Anfield in Liverpool, northern England April 27, 2014. REUTERS/Darren Staples (BRITAIN - Tags: SPORT SOCCER) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. NO USE WITH UNAUTHORIZED AUDIO, VIDEO, DATA, FIXTURE LISTS, CLUB/LEAGUE LOGOS OR "LIVE" SERVICES. ONLINE IN-MATCH USE LIMITED TO 45 IMAGES, NO VIDEO EMULATION. NO USE IN BETTING, GAMES OR SINGLE CLUB/LEAGUE/PLAYER PUBLICATIONS
Doch mit Normalität hatten die ersten Tage im Amt rein gar nichts zu tun. Vor seiner Premiere am Samstag mit dem Auswärtsspiel in London gegen Tottenham, den Klub von Teamverteidiger Kevin Wimmer, durfte Klopp bereits Bekanntschaft machen mit dem ganz normalen englischen Fußball-Wahnsinn und den Auswüchsen der "Kloppomanie", die er nicht nur in der Stadt Liverpool ausgelöst hat.

"Einfach verrückt"

Allein das, was ihm in seiner ersten Woche in Liverpool schon widerfahren ist, erleben die meisten Trainer während ihrer ganzen Laufbahn nicht. "Der Hype um mich ist einfach verrückt", stellte der Deutsche bereits fest.

So verfolgten letzte Woche zum Beispiel 35.000 Menschen beim Internetdienst Flightradar24.com den Weg von Klopps Privatjet und sahen auf ihren PCs und Smartphones gebannt dabei zu, wie sich ein gelbes Flugzeugsymbol über eine Stunde lang von Deutschland Richtung England bewegte.

In Liverpool selbst trieb derweil bereits das erste Jürgen-Klopp-Double sein Unwesen, und im Fanshop kommen sie gar nicht nach mit dem Produzieren der T-Shirts und Kaffeetassen mit dem Konterfei des Deutschen, dem plötzlich die ganze Aufmerksamkeit gilt. Die englische Yellow Press verfolgt jeden seiner Schritte in Liverpool, und das rund um die Uhr. Selbst in seiner Hotelsuite ist Klopp vor neugierigen Blicken nicht sicher. Nachdem ihm sogar dort noch die Paparazzi aufgelauert hatten, musste der 48-Jährige untertauchen. "Das hatte ich mir so nicht vorgestellt, dass ich ins Badezimmer flüchten muss, um meine Privatsphäre zu haben", erklärte Klopp bereits gegenüber Sport-Bild.

Die Hysterie um den neuen deutschen Trainer ist bis zu einem gewissen Grad sogar nachvollziehbar: Da ist ein Traditionsklub wie der FC Liverpool, wenn nicht sogar DER Fußballverein schlechthin auf der Insel, reich an Geschichte und Emotionen, an Triumphen und Tragödien, ein Klub, der erfüllt ist von der Sehnsucht nach Erfolgen und Trophäen.

Topf trifft Deckel

Und dann kommt da ein Coach wie Jürgen Klopp, ein Energiebündel und Entertainer, ein Mann, der es wie kein Zweiter schafft, Begeisterung zu entfachen und Hoffnungen zu wecken. Kultklub trifft also Kulttrainer, der Topf hat einen passenden Deckel gefunden.

Ob Emotionen allein freilich reichen, um dem FC Liverpool im Kampf gegen die Klubs aus London und Manchester wieder zu alter Größe zu verhelfen,darf bezweifelt werden. Zumal der Kader der Reds dem Vergleich mit den Starensembles von Manchester City oder Chelsea nicht standhält. Auch deshalb stieg Jürgen Klopp schon einmal voll auf die Euphoriebremse und warnte davor, in ihm den großen Heilsbringer zu sehen. "Ich weiß nicht alles, und ich kann auch keine Wunder vollbringen."

Seine Botschaft an seine Kicker für das erste Match gegen Tottenham fiel dann auch dementsprechend einfach aus. "Hört auf zu zweifeln und beginnt zu glauben", forderte der deutsche Trainer seine Mannschaft auf. Und: "Lasst uns rennen, lasst uns kämpfen, lasst uns schießen."

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