Heimdebüt als Finale von Stögers verrückter Woche
Und da sag noch einer, die Adventzeit sei besinnlich. So ein intensive, stressige und vor allem verrückte Woche wie die vergangene hatte Peter Stöger in seiner schon länger andauernden Karriere noch nie erlebt. "Jetzt habe ich mir zwischendurch endlich eine Zahnpasta gekauft", schmunzelt Stöger im BVB-Hotel, einige Kilometer außerhalb von Dortmund. Den Humor hat er trotz des Dauereinsatzes nicht verloren, zwischen ihm und seinem Assistenten Manfred Schmid rennt hörbar der Wiener Schmäh.
Der ganz normale Wahnsinn begann so: Am letzten Samstag begab sich der Ex-Köln-Trainer in seine Heimat nach Wien, um endlich wieder einmal Familie und Freunde zu Gesicht zu bekommen. Zunächst hob er mit einer Stunde Verspätung aus Köln ab, der Flieger hatte eine Panne. Aus dem Besuch wurde nur ein Kurzaufenthalt bei seiner Mutter mit einem angefangenen und bald abgebrochenen Abendessen. "Ich bin mit dem Koffer durch die Tür, da läutete schon das Mobiltelefon." Dortmund-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke verpflichtete Stöger telefonisch bis 30. Juni 2018. Das Duo Stöger/ Schmid war auf eine Auszeit bis Sommer eingestellt.
Schlag auf Schlag
Weit gefehlt, denn schon am letzten Sonntag wurde Stöger zu Mittag offiziell präsentiert, das darauffolgende Training fiel einem Schneegestöber zum Opfer. 56 Stunden nach der Präsentation feierte der Dortmund-Coach in Mainz seine Premiere mit einem 2:0-Sieg. Noch am späten Abend ging es retour nach Dortmund, wo am Mittwoch zunächst ein Training auf dem Programm stand.
Danach besuchte der Klub wie jedes Jahr in der Adventzeit die Dortmunder Kinderklinik. Es war mittlerweile das 21. Mal, erstmals aber mit Stöger als Cheftrainer der Schwarz-Gelben. Auch er brachte den teilweise schwerst kranken Patienten Geschenke in ihre Zimmer in der Klinik. Peter Stöger besuchte dabei auch die Station K41, wo Kinder und Jugendlichen mit Leukämie oder bösartigen Tumoren behandelt werden.
Wenig später musste sich der 51-jährige Wiener wieder der Nebensache Fußball widmen, er bereitete das Team gemeinsam mit seinen Assistenten Manfred Schmid und Jörg Heinrich auf die Samstag-Partie gegen Hoffenheim vor. Am Donnerstag schon stellte er sich zu Mittag der Medienlandschaft.
Dem Top-Spiel gegen das Team von Trainer Julian Nagelsmann , der als sein Nachfolger gehandelt wird, blickt der Wiener positiv entgegen. "Ich freue mich sehr auf dieses Spiel. Nach dem Sieg in Mainz sind die Spieler etwas gelöster." Stöger bräuchte derzeit Tage mit mehr als nur 24 Stunden. "Der Tag ist mir fast zu kurz." Das Hotelzimmer betritt er meist nur zum Kaffeetrinken, Zähneputzen und Schlafen. "Heute habe ich wirklich gut geschlafen", sagte Stöger am Freitag. Am Samstag muss er ohnehin hellwach sein.
Sein Transfer hätte kurioser nicht sein können, vollzog er sich doch im Krankenhaus. Manfred Schmid legte sich nach der Trennung vom 1. FC Köln ins Spital, um sich endlich die längst überfällige künstliche Hüfte einpflanzen zu lassen. Zur Ruhe kam er aber nicht, denn schon wenige Tage nach der Operation bekam er einen richtungsweisenden Anruf von seinem "Chef" Peter Stöger. Vom Krankenbett aus heuerte der 46-jährige Wiener bei Borussia Dortmund an, wo er offiziell mit 1. Jänner 2018 seine Arbeit antreten darf. Denn der Auflösungsvertrag mit Köln läuft noch bis Jahresende. Zumindest den Dortmund-Trainingsanzug hat er sich abgeholt und anprobiert.
Manfred Schmid ist schon seit vielen Jahren der treue Assistent von Stöger, er genießt das volle Vertrauen des Trainers. Gemeinsam führten sie die Austria zum Meistertitel, danach Köln in die erste deutsche Bundesliga und in den Europacup. Das erste Spiel von Dortmund verfolgte "Manni", wie er in Deutschland genannt wird (Wiener Freunde rufen ihn seit jeher "Schmidl"), daheim vor dem Fernseher auf Krücken.
KURIER: Wie ungewöhnlich war Ihr Dortmund-Debüt vor dem TV?
So nervös wie diesmal war ich noch nie, weil man sich irgendwie ohnmächtig fühlt. Auf der Bank im Stadion kann man etwas beeinflussen und sich einbringen. Aber ich war bis knapp vor dem Spiel in ständigem Kontakt mit Peter Stöger. In dieser nicht leichten Situation war es eine ordentliche Leistung der Mannschaft.
Trennung von Köln, Spitalsaufenthalt, neuer Arbeitgeber Dortmund: Waren für Sie die letzten Wochen so verrückt, wie sie wirken?
Es war eine Berg- und Talfahrt. Der Abschied aus Köln war emotional nach viereinhalb Jahren, da sind Tränen geflossen. Dann folgten die Hüftoperation und der Anruf von Peter vergangenen Samstag.
Was hat er gesagt?
Dass er soeben in Wien gelandet ist und Dortmund sich bei ihm gemeldet hat. Wir würden eine neue Chance bekommen. Das hat den Heilungsprozess gleich beschleunigt, weil die Aufgabe unglaublich interessant ist. Da habe ich den Ärzten Druck und ein paar Reha-Übungen mehr gemacht. In der Klinik bin ich die Stiegen rauf- und runtergegangen, weil sich meine Stimmung von 0 auf 100 beschleunigt hatte.
Was macht Ihre Zusammenarbeit mit Peter Stöger aus?
Das totale Vertrauen, der Respekt, die Offenheit und Ehrlichkeit. Wir haben miteinander gespielt, wir kennen uns lange und sind Freunde geworden. Er lässt einen viele Dinge machen und übergibt Aufgaben. Dazu kommen die Freude am Fußball und die Leidenschaft. Uns beiden ist wichtig, dass man bei der Arbeit nie den Spaß verliert. Spieler und Trainer sollen täglich gerne zum Job kommen.
Was macht Stöger als Trainer aus?
Sein Umgang mit den Menschen. Eine seiner größten Stärken ist es, sich in Menschen hineinversetzen zu können, also die Empathie. Es gibt bei ihm so gut wie nie Kurzschluss-Handlungen, ebenso keine persönlichen Eitelkeiten. Er kann Stars führen und mit ihnen umgehen, er kann intern Aufgaben delegieren.
Welche Eigenschaft haben Sie, die Stöger fehlt?
Pah, keine Ahnung.
Können Sie besser Videos zusammenschneiden?
Das könnte er doch genauso, nur bleibt ihm dazu als Cheftrainer einfach keine Zeit. Ich bin vielleicht als Typ ein wenig emotionaler und kritischer im Sinne des Teams. Ansonsten fällt mir wirklich kein Beispiel ein. Ich denke, wir ergänzen uns. Und wir lieben das, was wir machen.
Wie lebt es sich als Schattenmann von Peter Stöger?
Ich fühle mich in dieser Position wohl und habe nicht das Gefühl, dass ich in der zweiten Reihe stehe. Peter gibt einem nicht das Gefühl, dass er der alleinige Chef ist. Dennoch traue ich mir zu, irgendwann Cheftrainer zu sein. Aber aktuell gefällt mir meine Rolle.
Wenn Sie einen Rückblick auf die vergangenen Jahre wagen – können Sie das eigentlich alles glauben?
So einen Werdegang kann man nicht planen. Hätte mir jemand das gesagt, als ich noch in der Austria-Akademie tätig war, ich hätte wahrscheinlich nur laut gelacht.
Befinden Sie sich aktuell am Höhepunkt Ihrer Karriere?
Gute Frage. Im Moment sind wir sicher am Karriere-Gipfel. Aber wir können nicht behaupten, dass wir schon alles geschafft haben.
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