Deutschland: Ein Weltmeister, der mit der WM nichts zu tun haben will

Die deutsche "Festung" im Norden
Der weltgrößte Verband lässt kaum eine Gelegenheit aus, sich von der Endrunde in Katar zu distanzieren. Sowohl das Team, als auch die Fans meiden Doha.

Als Deutscher hat man es nicht leicht bei dieser Weltmeisterschaft in Katar. Die überschaubaren Sympathiewerte haben vor dem Auftaktspiel am Mittwoch gegen Japan (14 Uhr MEZ) ausnahmsweise nichts mit dem legendären Ausspruch der englischen Fußball-Ikone Gary Lineker zu tun, wonach am Ende immer Deutschland gewinnt. Man versteht die Deutschen derzeit nicht am Persischen Golf.

Einerseits machen die deutschen Konzerne seit Jahren gute Geschäfte in Katar, andererseits lässt das mächtige EU-Land mitsamt seines Fußballverbandes kaum eine Möglichkeit aus, sich von diesem Turnier in der Wüste zu distanzieren. Bis heute macht sich der vierfache Weltmeister stark dafür, dass der Weltverband einen Entschädigungsfonds einrichten möge für Arbeiter, die auf den WM-Baustellen Schaden genommen haben. Schlimmer als das Schweigen der FIFA darauf waren für viele nur die zynischen Kommentare des Gastgeberlandes, man wisse nicht, für wen dieser Fonds bestimmt sein soll.

Kaum mehr Freude bereitete Katar das internationale Echo jener ZDF-Doku, in der ein offizieller WM-Botschafter des Landes Homosexualität mit einer geistigen Verwirrung verglich.

Geeint in Sachen Katar-Kritik tritt der DFB zudem mit der deutschen Politik auf. Hochrangige Verbandsfunktionäre flogen im Vorfeld der WM mit der deutschen Innenministerin ins Land der Endrunde. Ebenfalls an Bord der Maschine: der „Mister Gay Germany 2020“.

Die deutsche Nationalmannschaft selbst meidet Doha, das Zentrum dieses Turniers, so gut es geht. Kein Teamcamp eines Teilnehmers ist weiter von der Hauptstadt entfernt als jenes der Deutschen. Sie residieren am äußersten Zipfel im Norden des Landes. Fast zwei Stunden benötigt der Shuttlebus von DFB-Sponsor VW, um die Dutzenden deutschen Journalisten einmal pro Tag von Doha zum Team zu chauffieren.

Die Abgeschiedenheit des Zulal Wellness Resorts lässt sanfte Erinnerungen an Campo Bahia wach werden. Jene Anlage ließen die Deutschen eigens für die WM 2014 in Brasilien errichten ließen. Jene mittlerweile fast schon sagenumwobene Oase abseits des Trubels bildete damals das Zentrum des WM-Abenteuers, das mit dem Titel endete. So unbeschwert wird die Zeit in der Wüste mit Sicherheit nicht werden.

Alle und alles stehen hier unter Beobachtung. Da helfen auch nur wenig die hohen Mauern der arabischen Burg mit ihren Türmen und Zitadellen wenig, die den gepflegten DFB-Trainingsplatz einrahmen.

Deutsche Fans sieht man dort auch keine. Der Großteil der etwa 9.000 Deutschen, die im Besitz von WM-Tickets sind, haben sowieso gleich das Weite gesucht. Die offizielle Fanbasis befindet sich in Dubai, von wo aus Tagesflieger die Fans an den Spieltagen nach Katar bringen. Eine Begründung dafür ist die begrenzte Hotelbettenanzahl, doch das kommt vielen auch gerade recht. Denn in Dubai, der Feiermetropole der Region, ist das Alkoholverbot de facto abgeschafft.

Große Unsicherheit

Eine große Unsicherheit herrsche dennoch bei den Tagestouristen, meint Julia Zeyn. Sie kümmert sich in der mobilen Fanbotschaft, die in einem schicken Einkaufszentrum im Nordwesten Dohas untergebracht ist, um Anliegen aller Art. Die meisten Fragen betreffen die rechtliche Situation, „ob im Zweifel ‚internationales‘ oder katarisches Recht angewandt wird. In einigen Punkten ist das bis jetzt unklar“. Es scheint, als könne Deutschland das nächste Fußball-Großereignis kaum erwarten: die EM 2024. Ausgetragen in Deutschland.

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