Rapid-Vizepräsidentin Edeltraud Hanappi-Egger forschte zu Fankulturen und spricht über den Skandal in Hartberg, die Bedeutung der Fans sowie neue Ansätze im Klub.
Edeltraud Hanappi-Egger ist zurück aus Athen. Die ehemalige WU-Rektorin und Organisationsexpertin forschte an der Universität in Griechenland zur Rolle von Fangemeinschaften in Vereinen.
Die erste Vizepräsidentin in der Vereinsgeschichte von Rapid bringt also die bestmöglichen Voraussetzungen mit, um im KURIER-Interview über Fans, Probleme und neuartige Lösungsvorschläge zu sprechen.
KURIER: Sie sind die erste Frau in der Position der Vize-Präsidentin bei Rapid. Gab es für Sie – dem familiären Wissensschatz zum Trotz – Überraschungen im Amt?
Edeltraud Hanappi-Egger: Ja, das unheimliche mediale Interesse schon rund um meine Bestellung. Einmal hätte ich mir als Rektorin der WU ein derartiges Interesse an Wissenschaft und Forschung gewünscht (lacht). Zum Amt an sich: Ich hoffe natürlich, dass ich ein positives Rolemodel für Frauen und Mädchen bin, die sich für sogenannte „Männerdomänen“ interessieren.
Nach den skandalösen Derby-Gesängen vor einem Jahr waren Sie maßgeblich an der Entwicklung des Maßnahmenkatalogs beteiligt. Wie lautet Ihr Zugang als Organisationsexpertin?
Der Maßnahmenkatalog befasst sich stark mit dem Thema Diskriminierung, aber auch mit Gemeinschaft. Für uns steht die Frage im Vordergrund, wie das Leitbild von Rapid gelebt und umgesetzt wird. Da gibt es zum einen erzieherische Arbeit und jene in Richtung mehr Sensibilisierung, andererseits strukturelle Veränderung. Viele Maßnahmen wurden gesetzt.
Etwa Ausbildungsmodule bei den Jungen in der Akademie, oder die Schaffung einer eigenen Stabstelle. Auch dass auf das Leitbild explizit hingewiesen wird, wenn jemand einen Vertrag bei Rapid unterschreibt – da wird ein Commitment zu Offenheit und Respekt eingefordert. Gleiches gilt, wenn ein Fanklub gegründet wird. Zusätzlich gibt es regen Austausch mit entsprechenden Institutionen, um Expertise einzubringen. Wir sind zuversichtlich, dass das nicht nur ein Abhaken von Checklisten wird, sondern einen nachhaltigen Organisationseffekt hat.
Hat der Fan-Skandal in Hartberg Ihr Bild der Fanszene verändert?
Es ist schon traurig, dass es einzelne Personen durch derart inakzeptables Verhalten schaffen, die ganze Fangemeinschaft in Verruf zu bringen und damit auch Rapid zu schaden. Gegen diese Randalierer gehen wir konsequent vor.
Wie und wo verorten Sie das Problem in Hinblick auf gewaltvolle Tendenzen?
Da es beim Fußball um sehr emotionale Ereignisse geht, besteht immer ein gewisses Risiko der Eskalation. Das bedeutet, wenn sich Einzelne sozusagen nicht mehr an das Skript halten und ausbrechen, leiten sie eine ungute Dynamik ein. Oder es mischen sich von vornherein Personen unter die Gruppen, die ich gar nicht als Fans bezeichnen würde.
Das sind Hooligans, also gewaltbereite Menschen, die lediglich eine Bühne suchen. Diese kommen nicht, weil ihr Lieblingsklub spielt, sondern um Ärger zu machen. Das muss man klar unterscheiden.
Warum sind Derbys so emotional?
Da reden wir von Teams, die sich in puncto Können auf Augenhöhe begegnen, der Ausgang des Matches also offen ist. Da gibt es natürlich eine große Stadtrivalität. Auch sind Derbys so interessant, weil sie große Spektakel und in der Regel ausverkauft sind, womit sie wiederum ein hohes Maß an öffentlichem Interesse haben. Das ist auch für die Sichtbarkeit der Fanbasis von Bedeutung. Grundsätzlich wollen wir ja, dass „das Stadion bebt“.
Aber?
Aber dann hat man natürlich die ganze Palette an Emotionen – starke, positive Energie, aber auch Wut, Enttäuschung und Kränkung. Damit steigt das Risiko der Eskalation, und da geht es dann um das Sicherheitsthema.
Wo wird nachgeschärft, dass niemand auf den Gedanken kommen muss, Angst haben zu müssen – auch als Frau?
Wir entwickeln Sicherheitskonzepte auf vielen Ebenen. Wir prüfen überall, ob es Nachbesserungsbedarf gibt – von den Sicherheitsbeauftragten, dem Ordnerdienst, über Zugangskontrollen, Sektoren-Trennung bis zur Zaunhöhe.
Aus welchen Erfahrungen wird gelernt?
Aus allen. Wenn man lerntheoretisch spricht und das soll nicht zynisch klingen: Man lernt seltener von den Dingen, die gut funktionieren, dafür aber stark von jenen, wo man die Lücken und Verbesserungsbedarf sieht.
Haben Sie eine Erklärung, warum sogar einst in der Szene verpönte Böller bei Derbys wieder zum Einsatz gekommen sind?
Böller und Raketen auf Menschen zu richten ist ein No-Go und auch in der Szene weiterhin verpönt. Aber grundsätzlich sprechen wir von sehr heterogenen Gruppen, mit unterschiedlicher Motivation, ins Stadion zu kommen. Auch die Größe der Kurven macht es schwieriger, alles unter Kontrolle zu haben, immerhin sprechen wir von 8.000 – 9.000 Personen. Es gibt auch Generationenthemen. Und ein gesellschaftliches Phänomen: Jenes der „neuen Männlichkeit“, die wir nun in den Kurven und Stadien sehen. Das hat dann viel mit Mutproben und Ehrenkodex zu tun, sich und anderen etwas beweisen müssen.
Stichwort Fangemeinschaften: Sie haben 2024 an der Universität in Athen zu Fankulturen geforscht. Mit welchen Ergebnissen?
Mich hat interessiert, welche Rollen Fangemeinschaften haben. Denn in der Konkurrenz der Aufmerksamkeit wird in den Medien der Blick immer wieder auf Negativ-Schlagzeilen oder Skandale gerichtet. Tatsächlich sind Fangemeinschaften aber wichtige gesellschafts- und demokratiepolitische Einheiten. Sie bieten ein hohes Maß an Identifikationsmöglichkeit. Das ist gerade in Zeiten großer Verunsicherung und von wenig Stabilität für Menschen – insbesondere für Junge – sehr wichtig. Und Fangemeinschaften sind noch mehr.
Und zwar?
Ein hochinteressanter Ort des Lernens und Netzwerkens. Stichwort Choreografien: Man kann sich einbringen, wenn man künstlerisch begabt ist oder ein Handwerk kann. Es treffen sich viele Menschen mit den unterschiedlichsten sozialen Hintergründen und aus verschiedenen Berufsgruppen. Das halte ich für ein Um und Auf. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen alle in ihren Bubbles leben und kaum lernen, über den Tellerrand hinauszuschauen.
In Fanklubs kann man im Sinne einer Solidargesellschaft lernen, miteinander umzugehen und gemeinsam Dinge aufzusetzen. Etwa die Rekord-Spendensammlung von „Wiener helfen Wienern“. Und: Fangruppen sind auch eine gesellschaftspolitisch wichtige „Widersacher-Gruppe“ – die auch immer wieder mal anecken, zum Beispiel Stichwort Kommerzialisierung des Fußballs. Fans kämpfen dafür, dass Fußball sozusagen seine Seele nicht verlieren soll und dem totalen Kommerz untergeordnet wird. Das sind also viele Aspekte, von denen ich glaube, dass sie uns allen guttun.
Jetzt kommt das große Aber: Wie kann ein Verein Fangruppen zur Kooperation bewegen, wenn diese es gar nicht wollen und auf ihre Unabhängigkeit pochen?
Ja, oft haben sie eigene institutionelle Formen und unterscheiden sich darin auch stark. Da ist die Vereinsführung natürlich gefordert, zu schauen, wie man im Dialog bleiben kann, etwa mit innovativen Formaten. Die Quintessenz meiner Forschungsarbeiten war ja, dass Fangemeinschaften bislang unter einem „Stakeholder-Management“-Ansatz diskutiert werden, ich aber zur Idee der Stakeowner übergehen würde.
wurde am 18. Jänner 1964 in Eisenstadt geboren, wuchs in Tirol auf, studierte in Wien, Schweden und Kanada. Ab 1990 lehrte die Schwiegertochter von Rapid-Legende Gerhard Hanappi an der TU
Die Rektorin Hanappi-Egger wurde 2004 WU-Professorin für Gender and Diversity in Organizations, von 2015 bis 2023 war die Organisationsexpertin WU-Rektorin
1.Vizepräsidentin in Rapids Vereinsgeschichte wurde Hanappi-Egger 2022 auf Steffen Hofmanns Vorschlag nach Vermittlung von Bankier und Rapid-Fan Andreas Treichl unter Präsident Wrabetz
Das müssen Sie erklären.
Im Fußballklub gibt es verschiedene Interessensgruppen, also die sogenannten Stakeholder, von Sponsoren bis Fans. Der Name „Stakeholder“ befördert das Denken, berechtigten Anspruch an den Verein zu haben. Hinter dem Begriff „Owner“ steht hingegen die Idee einer Eigentümerschaft und damit einer Verantwortlichkeit dem Verein gegenüber. Das heißt, der Verein muss sich nicht nur um meinen Anspruch kümmern, sondern wir wollen stattdessen, dass unterschiedliche Gruppierungen, die mit uns zusammenarbeiten und unter der gemeinsamen Marke „Rapid“ stehen, mit uns die Verantwortung tragen.
Wie soll das funktionieren?
Wichtig ist, die Fangemeinschaften weder zu instrumentalisieren noch ständig zu belehren. Wir wollen sie mitnehmen in die kollektive Verantwortung für die Marke, für die sie ja so brennen.
Es wird Dialogformate brauchen. Dafür haben wir bei der Organisationsreform Ende 2024 ganz bewusst die Fan-Angelegenheiten vom Geschäftsführer für Wirtschaft zur Verantwortung von Steffen Hofmann, also dem Geschäftsführer SK Rapid übersiedelt – mit der Botschaft: Wir wollen sie stärker als Stakeowner, als Teil der gemeinsamen Marke sehen, denn als rein ökonomischen Faktor. Das Interesse war zuletzt schon sehr groß, Verantwortung zu übernehmen, etwa bei Online-Formaten zu Reformen oder wie bei Ideen zum „Diversitätspreis“. So kann man Nachdenkprozesse im Sinne einer lernenden Organisation anregen. Ich bin total zuversichtlich, dass das der richtige Weg ist.
(kurier.at, AHu)
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Aktualisiert am 22.03.2025, 18:04
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