Der Mann in Uniform sieht irgendwie tatenlos aus und weiß tatsächlich nicht, welche Aufgaben er da vor den Stadiontoren zu verrichten hat. „Das ist ein ganz komischer Einsatz“, sagt er. Schaut enttäuscht ins Nichts, dorthin, wo jetzt im Normalfall bereits eine Schlange singender, diskutierender, sich einfach nur freuender Menschen stehen sollte.
Aber normal ist an diesem Abend sowieso nichts. Fast nichts. Die Polizei hat sechs Züge aufgeboten, 150 zählbare Kappen umrahmen den unmittelbaren Stadionbereich, genau so viele, als hätte die Party stattgefunden. Der als Jahrhundertspiel für den LASK ausgerufene Saisonhöhepunkt, das Achtelfinal-Hinspiel in der Europa League gegen das ehrwürdige Manchester United, den Rekordmeister aus der englischen Premier League.
Das Schweigen auf den Rängen fördert die Einbildung, die Millionen von ungeladenen Coronaviren regelrecht sichtbar macht, keine 14.000 Fans, lediglich 500 Zaungäste durften ins Stadion, um zu arbeiten, um nur zuzuschauen. Geisterspiel heißt das im Fachjargon. Oder einfach nur gespenstische Stimmungslosigkeit bis Beklemmung, den Charme einer besseren Trainingspartie verbreitend.
In jedem Fall ist der Abend ein historischer. Die Linzer Gugl wird möglicherweise für längere Zeit Schauplatz des letzten bedeutenden Fußballspiels eines österreichischen Klubs bleiben.
Hilfesuchend wendet sich der Stadionsprecher kurz vor dem Anpfiff an all jene, die weitverstreut in den Wohnzimmern sitzen und ihn vielleicht hören können: „Schreit’s einmal, das hilft uns.“ Ein Kind im spärlich besetzten Sektor der VIPs schreit „Mama“ und am Rande des Stadions hat sich eine kleine Fan-Gruppe zum Abschießen eines Feuerwerks entschlossen.
Es regnet in Strömen als sich die Mannschaften gegenüberstehen. Ein Moment des Gedenkens für Heribert Trubrig, kürzlich verstorbenes Mitglied jener Mannschaft, die vor 55 Jahren den einzigen Meistertitel für den LASK gewonnen hatte. Alles passt jetzt ins traurige Drehbuch dieses Spiels, das in den letzten Tagen von Weiß auf Schwarz umgeschrieben werden musste.
Geräuschkulisse
Rufe sind zu vernehmen. Sie kommen zunächst vom Rasen. Immer wieder unterbrochen von hörbaren Ballkontakten. Trostlosigkeit wird mangels Ausweglosigkeit von mehr oder wenigen fachmännischen Kommentaren auf der Tribüne zerhackt. „Gemma, Burschen“. Der LASK bemüht sich, aber er kommt nicht, der aufmunternde Jubel, die Unterstützung, die im Linzer Erfolgsrezept unverzichtbar ist.
Der Klasseunterschied bleibt zunächst verborgen, mit Fortdauer des Geschehens ist er aber unübersehbar. United kommt zu den ersten Gelegenheiten. LASK-Trainer Ismael tut, was er auch im voll besetzten Haus machen würde. Er steht und dirigiert. Und kann Ighalos Kabinettstück zum 0:1 (28.) nur bestaunen.
Pause. Die nackten Ränge verleiten zum Suchspiel: Wo haben sich die über 30 Millionen Euro versteckt, die für eine Stadionrenovierung vor ein paar Jahren ausgegeben wurden? Egal. Der Mann mit Bierbecher bleibt optimistisch: „Auf geht’s LASKler kämpfen und siegen.“
Bitteres Ende
Manchester United macht das Leerspiel zum Lehrspiel. Schließlich musste es passieren. James schließt den sehenswert raschen Gegenstoß zum unhaltbaren zweiten Treffer ab (58.). Ein Stangenschuss von Ighalo entlockt dem geschrumpften Publikum raunen. Mata erhöht auf 0:3, es wird bitter, 0:4, 0:5, vereinzeltes Klatschen zum Ausklang.
Wie schon vor dem Spiel bleiben auch danach die Straßen leer. Manchester United war zu Gast, nur wenige haben es in Linz mitbekommen. Ein Retourmatch in England in einer Woche wird es wohl keines geben.
Das Coronavirus gefällt sich leider viel zu gut in seiner Rolle. In jener des gnadenlosen Spielverderbers.
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