Belächelt, abgeschrieben, gefeiert: Legende Toni Polster wird 60
„Da will mir wieder amol wer sein Buam einreden“, brummte im Mai ’81 Austria-Trainer Erich Hof, als ein hoch aufgeschossenes schlankes Bürscherl mit seinem Vater die WAC-Platz-Kantine im Prater betrat.
Aus dem Schlacks, den der ehemalige geniale Sportclub-Stürmer Hof nur für zweitligatauglich gehalten hatte, ist vor seinem runden Geburtstag wieder ein rundlicherer Mann geworden, dem man nicht ansieht, dass er während der Adventzeit auf der Intensivstation lag.
Und der nach Hüft-OP im November und Magendurchbruch im Dezember wieder fit genug ist, um einen Medienslalom zu absolvieren.
Ob willkommen bei Stermann&Grissemann, ob Livegast beim Servus TV- Montag-Talk oder Mittwoch in einer ORF-Doku – überall ist Toni Polster im Bilde. Zumal er am nächsten Sonntag 60 wird und TV-Macher verblüfft mitbekamen, welch enorme Anteilnahme die Nachricht von Polsters Notoperation ausgelöst hatte. Und wie beliebt ein zuweilen Belächelter sogar als Auslaufmodell sein kann. Zu seinen aktiven Zeiten hatte Toni oft das Gegenteil erlebt.
Als Polster 1987 von Austria an Torino verkauft wurde, glaubten Experten, dass er bald reumütig nach Österreich zurückkehren würde.
Jedoch: Toni setzte sich auf Anhieb gegen italienische Manndecker durch.
Als Polster nach Sevilla wechselte und er Söhnchen Anton Jesus taufen ließ, kam das Spöttern hierzulande erst recht spanisch vor.
Jedoch: Für die Andalusier wurde Polster damit zu einem der ihren. Sie vergötterte ihn, brach er doch mit 55 Bummerln den Vereinsschützenrekord. Noch heute wird er auf einem Riesenbild im gleichen Format wie Diego Maradona und Kapitän Ivan Rakitic beim Eingang vom Estadio Pizjuan gewürdigt. Und Sohn Anton Jesus? Ist er – wie im Internet berichtet – Musiker geworden? „Nein, nein. Der Toni spielt bestenfalls am Kampel“, klärt Toni Senior lachend auf. „Er ist bei der EVN beschäftigt.“
Als der erfolgreiche Legionär Polster zu Länderspielen nach Österreich kam, wurde er 1989 dermaßen zur Reizfigur, dass ihn Teamchef Pepi Hickersberger in Salzburg gegen Island nicht aufzustellen wagte. Vor der Quali-Entscheidung gegen die DDR ist Toni dann im Prater beim Aufwärmen gnadenlos ausgepfiffen worden.
Jedoch: Der Gedemütigte reagierte in der Ausnahmesituation im Stil eines Ausnahmekönners. Indem er mit drei Toren Österreich zum 3:0 und zur WM 90 nach Italien schoss, ehe er sich der Ehrenrunde seiner Mitspieler nicht anschloss, sondern in die Kabine ging.
Als Polster im vermeintlichen Karrierefinish den Schritt nach Deutschland wagte, dachte man, er würde dort auf grund limitierter Laufbereitschaft vom Torjäger zum Rohrkrepierer.
Jedoch: In Köln erlangte er mit Ball (als „Toni-Doppelpack“) und Band („Toni und die Thekenschlampen“) Kultstatus. Sein Gladbacher Gastspiel mit einberechnet, erzielte er 94 Bundesligatore.
Die ärgste Demütigung erlebte der Wiener in ... Wien. Als ihn Frank Stronach zunächst zum Austria-Manager machte und bald danach feuerte. Mehr noch: Stronach verhängte 2005 über die Austria-Legende wegen einer Lappalie Stadion-Verbot. Aus Angst um den eigenen Job wagte kein Funktionär, Stronach dessen in der Liga-Geschichte einzigartige Aktion auszureden.
Jedoch: Polster klagte und siegte vor Gericht.
Als Trainer blieb Polster der Durchbruch versagt.
Jedoch: Rekordverdächtig bleibt der Länderspiel-Rekordschütze allemal. Coacht er doch seit zwölf Jahren mit seltener Betriebstreue den Drittligisten Wiener Viktoria. Einen Klub, der mehr als durch gelegentliche Sporterfolge (z.B. Cupsieg gegen Bundesligist Hartberg) mit karitativem Bemühen auffällt. So ließ Toni im Winter die Viktoria-Kabine zu gunsten Obdachloser räumen.
Das Ostliga-Frühjahr begann für Polster in Ardagger. Unabhängig vom Spielausgang war für ihn klar: Im Mostviertel werde er sich nicht mit Kamillentee begnügen. „I bin nimmer auf Diät.“
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