Ich habe rücksichtlos gehandelt. Ich dachte, die Welt dreht sich nur um mich. Ich hatte wirklich keine Anlaufstelle, keine Hilfe, um mit all dem umzugehen. Scham trage ich ein Stück weit in mir, sie motiviert mich. Damals wusste ich es nicht besser.
Sie kommen aus einfachen Verhältnissen, Ihre Eltern sind vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet. War die Aussicht auf Geld Motivation, Profi zu werden?
Das war es zu keinem Zeitpunkt. Obwohl Geld bei uns schon eine Rolle gespielt hat, weil wir meistens zu wenig davon hatten. Ich kenne aber kaum einen Fußballer, der in erster Linie wegen des Geldes spielt. Der Antrieb ist eher, im Fernsehen zu sein, in den großen Stadien gegen die Besten zu spielen. In Dortmund vor 80.000 Fans aufzulaufen, ist jedes Mal etwas Besonderes gewesen. Wenn du der Mehrheit 90 Prozent vom Gehalt kürzen würdest, würden sie trotzdem Fußballer werden wollen. Angetrieben hat mich, Titel zu gewinnen, besser zu sein als etwa die Bayern oder Schalke im Derby zu besiegen.
Sind Sie glücklich gewesen?
Ja, obwohl nicht alles toll war. Aber man muss alles in Relation setzen. Fußball spielen zu dürfen und dafür sehr gut bezahlt zu werden, ist ein Privileg. Obwohl das viele Geld auch eine Last bedeutet hat. Was mache ich damit? Wem gebe ich was? Aber mit Dortmund Titel zu gewinnen und dies mit 600.000 Menschen in der Stadt zu feiern, das werde ich nie schlechtreden können. Schwieriger wird es, wenn man hinter die Kulissen des Erfolgs blickt.
Was erkennt man dort?
Als Fußballprofi bist du Arbeitnehmer, und ich war 17, als ich das wurde. Man merkt dann schnell, dass für deinen Arbeitgeber, also den Klub, Gesundheit nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Sie haben mit 22 eine Stiftung gegründet, die Menschen in Afrika Zugang zu sauberem Wasser ermöglicht. Wie kam es dazu?
Das war ein langer Prozess. Die Vereine haben immer ein bisschen Charity gemacht, kleine Besuche in Kinderheimen oder Spitälern. Aber für mich hat sich das irgendwie nie richtig angefühlt. Ich wurde dort gefeiert für Nichtstun. Irgendwann hat sich mein Gewissen eingeschaltet, und ein Freund hat mich auf die Idee einer Stiftung gebracht. Zunächst war ich aber skeptisch.
Warum?
Für mich war eine Stiftung etwas für reiche Familien, die ihr Vermögen parken. Das wollte ich auf keinen Fall. Mit der Zeit habe ich mich damit insgesamt auseinandergesetzt und gemerkt, dass es eine Organisationsform ist mit gewissen Vorteilen, solange alles gemeinnützig ist. Das andere Thema war dann der Stiftungszweck an sich. An diese Sache bin ich ganz logisch herangegangen.
Was meinen Sie damit?
Ich habe nach globalen Problemen gesucht und mich gefragt: Welche sind die größten Probleme, die ich als Einzelner am einfachsten lösen kann? Tatsächlich ist das der Zugang zu Wasser in Regionen wie Ostafrika.
Wie waren die Reaktionen in Ihrem Umfeld auf Ihr soziales Engagement?
Die Mitspieler fanden es allgemein schon toll, im Gegensatz zu manchen Vereinsverantwortlichen.
Warum?
Ein Klub hat Interesse daran, dass man Fußballspieler ist und das ganze Leben danach ausrichtet. Ein eigenes Leben zu führen, unabhängig vom Profialltag, wird nicht immer gerne gesehen.
Sie haben sich auch auf Auswärtsreisen oder zwischen Trainingseinheiten mit Ihrer Stiftung und wissenschaftlichen Texten auseinandergesetzt. Wie kam das an?
Das Interesse haben nur wenige geteilt, um es höflich zu formulieren. Ich war natürlich ein wenig der Außenseiter, aber das war mir immer relativ egal. Ich habe aber nie irgendeine Sonderbehandlung verlangt.
Finden Sie, dass Fußballer an der Spitze zu viel verdienen?
Die verdienen so viel, wie die Vereine ihnen geben. Das ist mitunter das Problem in einem eigentlich sinnlosen Wettrennen: Immer mehr Geld für die de facto immer gleiche Leistung. Die Spieler werden ja nicht besser mit noch mehr Geld. Und es führt auch nicht dazu, dass die Leute glücklicher werden. Geld ist ab einem gewissen Punkt keine Motivation mehr. Ob zehn oder zwanzig Millionen im Jahr macht irgendwann keinen Unterschied mehr.
Machen die Klubs zu wenig bei der sozialen Ausbildung ihrer Jungprofis?
Ich bezweifle, dass ein Klub die richtige Institution dafür ist. Dessen Interesse ist es, dass ein Profi für möglichst wenig Geld möglichst gut Fußball spielt. Deshalb gibt es einen Interessenskonflikt, der erst gelöst werden müsste. Es gibt Fußballer, die spielen zwanzig Jahre richtig gut Fußball, verdienen sehr viel Geld, haben sich aber menschlich kaum weiterentwickelt. Und das wird quasi durch die Leistungen auf dem Feld entschuldigt.
Wie waren die Reaktionen auf Ihr Buch?
Das Feedback war generell sehr positiv, viele haben es authentisch genannt. Die meisten dachten ja, mich zu kennen, aber das ist nicht wirklich der Fall. Viel wertvoller empfand ich aber andere Reaktionen.
Welche denn?
Es haben sich Menschen gemeldet und mir gesagt, sie wollen nun auch irgendwo einsteigen und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Ich mach’ das alles ja nicht, damit die Leute mich besser kennenlernen, sondern damit sie anhand meiner Geschichte ein Beispiel haben, wie es auch laufen kann.
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