Russland kommt mit nur einem Legionär nach Wien

Der letzte Mohikaner: Denis Tscherischew ist der einzige Spieler im aktuellen Kader, der sein Geld außerhalb Russlands verdient.
Die russischen Profis genießen lieber die Vorzüge der zahlungskräftigen heimischen Liga.

Im Gegensatz zur österreichischen Auswahl haben Legionäre in Russlands Fußball-Nationalteam Seltenheitswert. Mit Denis Tscherischew von Villarreal steht nur ein "Fremdarbeiter" im aktuellen Kader der "Sbornaja", die heuer bei der WM in Brasilien das einzige Team ohne Legionär war.

Der russische Nationaltrainer Fabio Capello sieht das als Mitgrund für das frühe Scheitern beim jüngsten Großereignis, in dem Ex-Sevilla-Legionär Alexander Kerschakow und Co. als Gruppendritter vorzeitig ausschieden.

"Im Ausland spielen hilft jedem, sich zu verbessern und zu reifen. Wenn man immer nur in der eigenen Liga spielt und sich nicht mit anderen Umständen auseinandersetzen muss, ist es schwieriger, sich zu steigern", meinte Capello bei der Ursachenforschung nach dem WM-Out in Brasilien, wo angesichts der Gegner Belgien (0:1), Südkorea (1:1) und Algerien (1:1) zumindest der Aufstieg in die K.o.-Phase hätte geschafft werden sollen.

Auch die Anzahl der Ausländer in der zahlungskräftigen russischen Liga ist für ihn nicht förderlich für das Nationalteam. Die Reduzierung von sieben auf sechs erlaubten Legionären vor der kommenden Premjer-Liga-Saison findet deshalb Gefallen bei Capello. "Je mehr russische Spieler spielen, umso besser ist es für einen Teamchef", erklärte der 68-jährige Italiener, der bereits zuvor während seiner Zeit als englischer Trainer mit ähnlichen Problemen konfrontiert war.

Experten im größten Land der Welt sehen aber noch andere Gründe für das frühzeitige WM-Aus und den schwachen Start in die EM-Qualifikation. "Das Problem bei unserem Team ist, dass ein Land mit 150 Millionen Einwohnern keine 23 Spieler findet, die für Konkurrenzsituation um die Plätze im Nationalteam sorgen", betonte etwa Spieler-Agent Dennis Lachter, der früher u.a. EM-2008-Star und Ex-Arsenal-Spieler Andrej Arschawin beraten hatte, in seiner Analyse für die Tageszeitung Sovietsky Sport.

Starke Liga

Laut dem Ex-Internationalen Alexander Mostowoi, der von 1996 bis 2004 in Spanien für Celta Vigo spielte, liegt dies vor allem an der Einstellung der aktuellen Spielergeneration, die lieber die Vorzüge der Heimat genießt, als sich in einer ausländischen Spitzenliga durchzubeißen. "Heute ist die Mentalität unserer Profis eine andere. Sie kassieren schon als Teenager viel Geld und glauben, sie sind Stars, obwohl sie noch gar keine sind", kritisierte der 46-Jährige.

Einen anderen Zugang zu dieser Thematik hat Alfred Tatar, der von 2006 bis 2009 als Co-Trainer von Raschid Rachimow bei Amkar Perm und Lok Moskau arbeitete. "Russland hat kein Legionärsproblem. Sie haben keine Legionäre nötig, weil die russische Liga sehr stark ist, vor allem in punkto Athletik. Man muss in jedem Spiel an die Leistungsgrenze gehen", sagte der frühere Vienna-Trainer.

Noch vor wenigen Tagen hätte Tatar die Chancen auf einen österreichischen Sieg am Samstag mit 50:50 beziffert. "Aber durch den Ausfall von David Alaba ist Russland Favorit." Der 51-Jährige erwartet eine auf Konter ausgerichtete Taktik der Gäste. "Sie werden auf Abwarten spielen und versuchen, mit Kokorin schnell nach vorne zu kommen." Die jüngste Kritik an Capello dürfe man laut Tatar nicht überbewerten. "Er ist zwar nicht in der russischen Öffentlichkeit, aber innerhalb der Mannschaft beliebt."

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