5 Jahre nach EM-Sensation: Gibt es das nächste ÖFB-Sommermärchen?

5 Jahre nach EM-Sensation: Gibt es das nächste ÖFB-Sommermärchen?
Nach dem Semifinaleinzug 2017 wollen die Österreicherinnen den Aufwärtstrend bestätigen. Wie hat sich das ÖFB-Team seither entwickelt?

74.500 Fans im Stadion und Millionen vor den Fernsehgeräten werden am Mittwoch im Stadion von Manchester United Österreichs Fußballerinnen auf die Beine schauen. Das EM-Auftaktmatch gegen Gastgeber England (21 Uhr MESZ/live ORF 1 und im KURIER-Liveticker) ist das bisher größte Spiel in der Geschichte des rot-weiß-roten Frauen-Fußballs.

Es ist für das Frauenteam erst die zweite Teilnahme an einem Großereignis. Vor fünf Jahren kam die ÖFB-Auswahl sensationell bis ins Semifinale und begeisterte die Fans mit ihrem Sommermärchen 2017.

Auch 2022 ist Österreich Außenseiter in einer Vorrundengruppe mit Frauenfußball-Nationen wie England, Norwegen und Nordirland, doch die Teamspielerinnen und die Rahmenbedingungen haben sich seither entwickelt.

Der KURIER analysiert die Eckpunkte des Aufschwungs.

  • Die Schlüsselspielerinnen

Das Gerüst des Teams hat sich sportlich weiter entwickelt und Erfahrung auf höchstem Niveau gesammelt. Die wichtigsten Spielerinnen von damals sind bei noch besseren Klubs und haben zu einem großen Teil auch in der neuen Gruppenphase der Champions League gespielt.

FUSSBALL: FRAUEN LÄNDERSPIEL ÖSTERREICH - DÄNEMARK

Torfrau Manuela Zinsberger und Kapitänin Viktoria Schnaderbeck sind von den Bayern nach England gewechselt, in die beste Liga der Welt; Sarah Zadrazil ist zu den Bayern gegangen und hat dort sofort eine Führungsrolle eingenommen; Sarah Puntigam hat sich in Frankreich, der Liga von Champions-League-Dominator Lyon, weiterentwickelt; Laura Feiersinger und Verena Hanshaw (2017 noch unter ihrem Mädchennamen Aschauer) spielen beim Topklub in Frankfurt.

  • Die Spielweise

Dominik Thalhammer war der Architekt des Sommermärchens. Der damalige Teamchef schwor die Spielerinnen auf einen Stil ein, mit dem sie Erfolg hatten und dem sie alles unterordneten. Im Prinzip war es Pressingfußball mit Ruhepausen und Konterspiel – ideal für einen Underdog.

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Nachfolgerin Irene Fuhrmann verfolgte von Anfang an andere Ziele: Im Zentrum ihrer Überlegungen steht das Kreieren von Chancen im Ballbesitz. Zudem wollte die 41-Jährige den Kader breiter machen und noch mehr Spielerinnen ans Team heranführen. „Es geht mehr in Richtung eigene Ballbesitzphasen. Taktisch flexibel waren wir 2017 schon. Jetzt geht es aber weg vom tiefen Verteidigen mehr hin zu einem dominanteren Auftreten“, erklärt Teamspielerin Carina Wenninger.

  • Das Teamgefüge

Dadurch hat Fuhrmann eine Mannschaft geformt, die eine Mischung ist aus den routinierten Spielerinnen von 2017 und jungen, talentierten Hoffnungsträgerinnen. Für die Jungen ist der Druck nicht ganz so groß, sie können dadurch freier aufspielen. Dank der arrivierten Profis werden zentrale Eigenschaften (Bodenständigkeit, Leidenschaft, Einsatzwille), die das Team 2017 sympathisch gemacht haben, ebenfalls nicht vernachlässigt.

  • Die Ausgangslage

Das Team hat sich Respekt verschafft und gezeigt, dass die letzte EM kein One-Hit-Wonder war. Die Entwicklung unter Fuhrmann hat dazu geführt, dass Österreich schwache Gegner dominieren kann und gegen Teams auf Augenhöhe wie Belgien, Nordirland oder Schweiz jederzeit gewinnen kann. Der Abstand zur absoluten Spitze ist aber nach wie vor zu erkennen. Und so ist es Lospech, dass es in EM-Gruppe A nicht nur ein Top-Team (England) gibt, sondern dass der Konkurrent um den Aufstieg ins Viertelfinale mit Norwegen viel stärker ist als noch vor fünf Jahren (Schweiz).

5 Jahre nach EM-Sensation: Gibt es das nächste ÖFB-Sommermärchen?
  • Der Betreuerstab

Auch 2017 wurde dem Teamchef fast jeder Wunsch erfüllt. Der ÖFB stellt einen Betreuerstab bereit wie bei den Männern. Diesmal ist sogar noch ein zweiter Co-Trainer mit dabei. Wie schon vor fünf Jahren war das Highlight EM für den Verband finanziell ein Minusgeschäft. Auch wenn die Antrittsprämie auf 600.000 Euro verfünffacht wurde, deckt diese Summer nicht einmal den Aufenthalt der mehr als 50 Personen im Teamquartier.

  • Die Medienarbeit

Wie schon im Liga-Alltag soll vor allem das junge Publikum bedient werden. Hier wird dem Frauenfußball enormes Potenzial bescheinigt. Statt zwei Pressebetreuern sind sieben Personen in England vor Ort, um auch Bewegtbilder zu produzieren und diese in den Sozialen Medien zu verbreiten.

  • Die Ausbildung

Seit 2011 werden in der Akademie in St. Pölten sehr gute Spielerinnen ausgebildet. Diese können aber aufgrund der strukturschwachen heimischen Bundesliga nicht im Land gehalten werden. Acht von 23 EM-Spielerinnen standen 2017 bei österreichischen Vereinen unter Vertrag, 2022 sind es nur mehr fünf. Hoffnungsträgerinnen wie Lara Felix gehen schon mit 19 Jahren ins Ausland. Die größten Talente, die wegen der Schule noch in der Akademie in Österreich bleiben wollen, zieht es vermehrt zu Serienmeister St. Pölten. Nicht ideal für die Ausgeglichenheit der Liga.

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