„Gott soll hinabsteigen und es erklären“, schlagzeilte die Madrider Marca in diesem Jahr. Wann? Egal.
Es könnte nach dem Duell mit Paris gewesen sein, das Benzema mit einem Hattrick für die Madrilenen entschieden hat. Es könnte gegen die Millionentruppe von Chelsea gewesen sein, die Rodrygo mit einem Volley nach Außenristpass von Modric spektakulär aus dem Bewerb geworfen hat. Und gegen Manchester City waren ein paar Zuschauer schon auf dem Heimweg, weil in der 90. Minute zwei Tore fehlten, um das Aus im Semifinale abzuwenden. Zwei Tore von Rodrygo und ein Elfer von Benzema in der Verlängerung verhalfen zur wundersamen Wiederauferstehung.
„Versucht nicht, es zu erklären, lebt es einfach nur“, empfahl Thibaut Courtois den Fans. Der Belgier hatte schon gegen Manchester seinen Klub mit tollen Paraden im Bewerb gehalten. Im Finale war der 30-jährige Tormann dann der Matchwinner.
David Alaba hingegen versuchte sich in einer Erklärung: „Wenn man sich das Jahr anschaut, wie wir immer gekämpft haben, welchen Charakter wir bewiesen haben, wie wir als Team aufgetreten sind.“ Der Österreicher lieferte ein bleibendes Bild des Champions-League-Märchens 2022 mit seinem Klappstuhl-Jubel gegen Paris. „Der Stuhl kam gerade recht. Da habe ich nicht lange überlegt, das waren einfach Emotionen. Bei so einem geilen Comeback kann man einmal durchdrehen.“
„Und ewig grüßt das Murmeltier“ grollte die Mundo Deportivo, die Sporttages- und Hauszeitung des FC Barcelona. Dieses Murmeltier war in dieser Saison ein Stehaufmännchen. Im Verlauf der Serien von Fußballwundern haben sich in Madrid gewisse Muster entwickelt. Es beginnt mit tagelangen Appellen an die Fans, es geht weiter mit einem ekstatischen Fanspalier für den Mannschaftsbus auf dem Weg ins Stadion. Und gegen Manchester kam ein Motivationsvideo von Trainer Carlo Ancelotti dazu, der seinen Profis alle bisherigen Aufholjagden der Saison zusammenschnitt und forderte: „Eine mehr!“
Kein anderes Team der Welt bewegte sich in dieser Saison so gut in der taktischen Anarchie einer Schlussphase. Das Weiße Ballett stand diese Saison nicht für die höchste Fußballkunst, dafür aber für Taktik, Geduld und Charakter. Real Madrid hat sich diesen Titel nicht herbeigezaubert, sondern erarbeitet. Und so war Toni Kroos, der zum fünften Mal die Champions League gewonnen hat, sauer über kritische Fragen eines Reporters (siehe TV-Kolumne Seite 22).
Der 32-jährige Deutsche kam im Sommer 2014 zu Real. Damals wie heute standen Carvajal, Marcelo, Nacho, Casemiro, Modric, Isco, Bale und Benzema im Kader, als Real unter Trainer Carlo Ancelotti 2014 das Finale gewonnen hat (Courtois stand bei dem Verlieren von Atlético im Tor). Acht Jahre später holten sie am Samstag schon den fünften Titel. Diese Generation ist die erfolgreichste seit den 1950er-Jahren, erfolgreicher als die sogenannten Galaktischen im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends.
Es war aber die neue Generation, die das Finale gewonnen hat. Pass vom 23-jährigen Valverde, Tor vom 21-jährigen Vinícius Júnior. Der Uruguayer wurde 2015 um fünf Millionen Euro gekauft, der Brasilianer folgte 2016 um 45 Millionen.
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