Im Sommer 2006 deutete noch nichts darauf hin, dass Flick Europas Fußball-Thron erklimmen wird. Der Deutsche arbeitete damals in Österreich. Bei Salzburg war er das sprichwörtlich fünfte Rad am Wagen. Lothar Matthäus war im Glauben gekommen, als Cheftrainer verpflichtet worden zu sein und hatte deshalb seinen ehemaligen Bayern-Mitspieler als Assistent mitgebracht.
Giovanni Trapattoni sollte hingegen nur Sportdirektor sein, doch der Italiener stand selbst täglich auf dem Trainingsplatz. Der Starcoach leitete mit seinen Trainerteam Jean-Pierre Gerosa und Fausto Rossi die Einheiten. Matthäus durfte mittun. Flick hatte hingegen nur Arbeit, wenn Spieler bei einer Partie überzählig waren.
Flick blieb auch nur zwei Monate. Ende August nahm er ein Angebot des Deutschen Fußball-Bundes an, wurde Assistent des neuen Bundestrainers Joachim Löw. Sein Abgang war damals auch im KURIER nur eine Randnotiz. Der stand im Schatten des Ausscheidens von Red Bull in der Champions-League-Qualifikation in Valencia.
Spuren hat Flick in Salzburg keine hinterlassen. Er wurde auch nicht ersetzt. Anders sollte das beim Deutschen Fußball-Bund sein. Mit Joachim Löw bildete er ein erfolgreiches Duo. Den Höhe- und Schlusspunkt bildete der WM-Titel 2014. Die Rollen waren aber klar verteilt. Löw war der Chef, stand in der Öffentlichkeit. Flick arbeitete im Hintergrund. Und hatte kein Problem damit.
„Ich bin niemand, der immer in der ersten Reihe stehen muss. Ich bin in erster Linie ein Teamplayer“, sagt er über sich selbst. Das war er schon als Fußballer. Fünf Jahre spielte er für Bayern, drei Jahre für Köln. Mit 28 Jahren war aber Schluss mit dem Fußball auf höchstem Niveau. Viele Verletzungen zwangen ihn in die Sportinvalidität.
Seine Trainerkarriere begann er weit unten – in Bammental, wo er schon lange wohnt, unweit von seiner Geburtsstadt Heidelberg. 1999 stieg er sogar aus der damals viertklassigen Oberliga ab. Ein Jahr später übernahm Flick die TSG Hoffenheim, die damals ebenfalls in der 4. Liga spielte. Der Aufstieg in die Regionalliga gelang im ersten Jahr, das Tor zur 2. Bundesliga blieb aber zu. Flick musste im November 2005 gehen. Ein halbes Jahr später kam er nach Salzburg.
Auch bei Red Bull zeigte er den Spielern, was ihn jetzt bei den Bayern wohl so erfolgreich macht: die Fähigkeit zur Empathie. „Er hat sich mit jedem abgegeben und allen das Gefühl gegeben, dass sie wichtig sind“, sagt Roland Kirchler, der in Salzburg als Reservist viel mit Flick übte.
Auch zu den Bayern kam er vor einem Jahr als Assistent. Erst als sich der Verein im November von Niko Kovac trennte, trat Flick in die erste Reihe. Das Vertrauen des Bayern-Vorstands in ihn war endlich. Zunächst sollte er die Mannschaft nur zwei Spiele betreuen, dann bis zur Winterpause. Erst im Dezember war klar, dass Flick bis Saisonende bleiben darf.
Er hatte schnell an den richtigen Schrauben gedreht. Besonders jene Spieler, die sein Vorgänger links liegen gelassen hatte, bekamen bei ihm Führungsrollen. Thomas Müller wurde zum Synonym des Bayern-Erfolges. Der 30-Jährige erlebt unter Flick seinen dritten Frühling.
„Kommunikation“, „Klarheit“, „Wertschätzung“: Das sind Begriffe, die Flick gerne verwendet, wenn er über seine Arbeit redet. Anders als viele seiner jüngeren Kollegen gilt er auch nicht als Taktiktüftler, den Diskurs über Matchpläne und Systemwechsel findet er „manchmal ein bisschen übertrieben“.
Aber trotzdem ist er ein moderner Trainer, der den Bayern eine klare Handschrift gegeben hat. Wie seine Mannschaft noch in der Nachspielzeit des Champions-League-Finales die Pariser Gegenspieler mit Angriffspressing unter Druck setzte, war beeindruckend.
„Mit seiner ehrlichen, offenen Art kommt er sicher auch bei den großen Bayern-Stars gut an. Deswegen hat er den Laden auch so gut im Griff“, glaubt Roland Kirchler. Und das wird Flick noch länger haben. Denn bereits im April wurde sein Vertrag von den Bayern um drei Jahre bis Sommer 2023 verlängert.
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