Obacht vor dem "einfachen" Gastspiel in Liechtenstein
Die Liechtensteiner spielen gerne mit Zahlen. Und wenn das Volksblatt vor dem heutigen EM-Qualifikationsduell zwischen Liechtenstein und Österreich in Vaduz (20.45 Uhr/live auf ORFeins) einen Marktwert-Vergleich anstellt, dann sollte man dem ruhig Glauben schenken: 3 zu 112. Millionen. Euro. Allein David Alaba wird mit 35 Millionen auf dem internationalen Markt taxiert, wäre somit das Zehnfache des gesamten Liechtensteiner Teams wert.
Und er könnte noch teurer werden. Wie die spanische Sport-Tageszeitung Marca vermeldete, hatte Alabas Vater George vor ein paar Tagen in Wien mit Gesandten von Real Madrid verhandelt. In Madrid gehe man von einer Verhandlungsbasis von 40 Millionen Euro aus. Alaba selbst beteuerte vor dem Abflug zum Länderspiel, dass für ihn derzeit ein Abgang von Bayern München nicht infrage kommt. Real Madrid und Bayern München haben in letzter Zeit regen und vor allem erfolgreichen Handel getrieben. Alaba wäre nicht der Erste, der die Fronten wechselt: Toni Kroos verließ die Bayern in Richtung Madrid, dafür kam Xabi Alonso von den Königlichen zu den Münchnern.
Klarer Favorit
Zum Sportlichen von heute: Österreich geht als klarer Favorit in das Spiel, nicht zuletzt, weil man gestern als Tabellenführer der Gruppe anreiste, Liechtenstein "nur" Vorletzter ist. Das Team wirkt gereift, die Schlüsselspieler agieren in Hochform und nehmen auch bei ihren Klubs tragende Rollen ein. Dennoch hat Teamchef Marcel Koller seine Schützlinge vor dem Gegner gewarnt und ihnen die Gefährlichkeit des Underdogs per DVD vor Augen geführt. Abwehrchef Aleksandar Dragovic: "Wir wissen, was auf uns zukommt. Wir sind vorbereitet." Er trifft bei dieser Gelegenheit einen alten Bekannten: Sandro Wieser, mit dem er in Basel Meister wurde.
Auch für Ramazan Özcan, Nummer 2 im Tor hinter Robert Almer, ist das Spiel in Vaduz keines wie jedes andere. Der Schlussmann von Ingolstadt wuchs in Götzis auf, bezog gestern am frühen Nachmittag das Teamquartier – in Götzis. "Das Match findet vor meiner Haustüre statt."
Wenn’s läuft, dann läuft’s. Sagte einst der legendäre Skifahrer Rudi Nierlich und brachte damit eine ganz bestimmte Situation genau auf den Punkt. Diese Aussage war in der bisherigen EM-Qualifikation auf das österreichische Team absolut zutreffend. Die Koller-Mannschaft könnte unter sehr günstigen Umständen sogar mit Siegen über Liechtenstein (zwei Mal) und Moldawien schon das Ticket für die EURO 2016 lösen. Graue Theorie, mit der sich (noch) niemand beschäftigen will.
Aufgepasst
Denn Obacht ist geboten. Martin Harnik: "Wir haben erst vier Spiele absolviert und noch nichts erreicht. Beim knappen Sieg in Moldawien hatten wir zum Beispiel Glück. Das muss man sich zwar auch erarbeiten, aber wir haben schon etwas davon eingelöst."
Beobachter der gesamten Team-Trainingswoche haben feststellen können, dass das Stimmungshoch des Vorjahres auch vor dem ersten Auftritt 2015 existiert. Harnik, mit Stuttgart im Abstiegskampf: "Das Team ist für mich wie eine Therapie, ich komme immer wieder sehr gerne her. Hier lade ich die Akkus auf und kehre positiv zu meinem Klub zurück." Es liegt heute an den Spielern, ob die gute Laune eine Fortsetzung findet oder nicht.
Österreich befindet sich auf dem Weg nach Frankreich. Zur EURO 2016. Heute macht die Koller-Elf in Liechtenstein einen Zwischenstopp, der nicht zum Stolperstein werden soll. Der Tabellenführer sieht sich in diesem Jahr sechs schweren Aufgaben gegenüber. Von welchen Faktoren also hängt eine erfolgreiche Qualifikation ab?
Hochform Ein großes Turnier hat Österreich in der Vergangenheit immer dann erreicht, wenn sich fast alle Stammkräfte in guter bis sehr guter Form befanden. Und zwar über den gesamten Zeitraum der Qualifikation.
Verletzungen Fallen zu viele Schlüsselspieler auf einmal aus, kann es kritisch werden. Was geschieht, wenn beispielsweise Goalie Almer oder Stürmer Janko ausfallen? Steht sogleich adäquater Ersatz parat, wie es Okotie im letzten Herbst für den gesperrten Janko war? Martin Harnik ist positiv eingestellt: "Gegen Russland fehlten Alaba und Baumgartlinger, wir haben die Ausfälle kompensiert und gewonnen. Wir sind in der personellen Breite mittlerweile sehr gut aufgestellt und können Ausfälle abfangen." Vor dem heutigen Spiel kann Koller aus dem Vollen schöpfen.
Fokus Da ist sie schon wieder, die gern verwendete Phrase in der Fußballer-Sprache: "Wir denken von Spiel zu Spiel." Im Herbst haben es die Österreicher beherzigt, den Rechenstift zur Seite gelegt – und wurden mit Erfolg belohnt. Julian Baumgartlinger: "Dadurch hat das eine positive Dynamik genommen. Wenn uns das auch in diesem Jahr wieder gelingt, dann werden wir diesen Rhythmus beibehalten."
Spielglück Ohne Fortuna an der Seite ist es für ein österreichisches Team schwer, sich zu einer Endrunde zu dribbeln. Das war 1977 bei Prohaskas "Spitz von Izmir" so mit dem 1:0 über die Türkei, ebenfalls 1997 beim erzitterten 1:0 in Weißrussland, ganz zu schweigen vom 3:0 über die DDR im letzten Qualifikationsspiel 1989.
Glück wird man auch im Rheinpark-Stadion benötigen. Hoffentlich nicht so exzessiv wie 2006, als man erst in der Schlussviertelstunde den 2:1-Sieg fixierte und eine Blamage abwenden konnte.
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