Das mag einerseits am frühzeitigen K. o. von Weltmeister Frankreich, Titelverteidiger Portugal, den Niederlanden und Deutschland liegen, andererseits hat sich Spanien als eine der wenigen Teams im EM-Verlauf steigern können. Nachdem der dreifache Europameister in der Vorrunde uninspirierte Auftritte gezeigt hatte, glänzten die Spanier beim 5:3 im Achtelfinale gegen Kroatien zumindest wieder in der Offensive.
Prompt steigt die Euphorie, die nie so recht aufkommen wollte im wenig stimmungsvollen Olympia-Stadion von Sevilla. Die Stadt im Süden war kurzerhand als Ausrichter für das nördliche Bilbao eingesprungen, nachdem das strenge Baskenland der UEFA keine Garantie geben konnte (oder wollte), dass in Pandemie-Zeiten Fans ins Stadion gelassen werden. Alles längst wieder vergessen. Mittlerweile erkennt die Marca „eine Mannschaft, vereinter denn je“.
Dabei hat es gerade die in Madrid ansässige Sporttageszeitung nicht leicht mit dieser EURO. Nicht einen Spieler vom stolzen Real berief Teamchef Luis Enrique in seinen 26 Mann starken Kader. Dass ebenfalls nur drei Profis vom Erzrivalen FC Barcelona die Anforderungen des Cheftrainers erfüllten, ist nur ein schwacher Trost. So repräsentiert die Auswahl wohl erstmals weite Teile Spaniens – mit Spielern aus Bilbao, San Sebastián, Valencia und Villarreal, aber mittlerweile auch mit zahlreichen Profis aus der englischen Premier League.
Vor allem aber ist das Team eines: jung. Sechs EM-Spieler werden Spanien ab Ende Juli auch in Tokio beim olympischen Fußballturnier der Unter-23-Jährigen vertreten. Nach den goldenen Jahren mit drei großen Turnier-Triumphen in Folge (2008 bis 2012) hat Luis Enrique als Erster wirklich den Mut aufgebracht, mit alten Traditionen zu brechen.
Das schier endlose und unerbittliche Laufenlassen von Ball und Gegner (Tiki-Taka) ist nur mehr eine Erinnerung an glorreiche, aber vergangene Jahre. Stattdessen hat der Trainer – der schon Barcelona auffällig unauffällig zum Triple aus Meisterschaft, Cup und Champions League geführt hatte (2015)– der Selección einen pragmatischen Spielstil verordnet.
Bei der Auswahl der dafür notwendigen Spieler ist er entschlossen, bisweilen sogar stur. Den Vorzug im Tor gab er dem 24-jährigen Unai Simón aus Bilbao gegenüber David de Gea von Manchester United. Im Angriff ist Álvaro Morata gesetzt. Der Stürmer von Juventus Turin stand sogar noch während der Vorrunde mangels Trefferleistung schwer in der öffentlichen Kritik.
Die Statistik erzählt freilich eine etwas andere Geschichte: Eine bessere Bilanz als Morata (21 Tore in 44 Länderspielen) können in der langen Geschichte des spanischen Fußballs im Vergleichszeitraum nur zwei Spieler vorweisen: David Villa (25) und der übergroße Alfredo di Stefano, der für seine 23 Treffer gar nur 31 Partien benötigte.
Im Gegensatz zu den großen Namen des spanischen Fußballs wirkt die aktuelle Generation beinahe wie eine No-Name-Truppe. Vielleicht gar nicht mehr lange.
Kommentare