Ein Schotte vereint Fußball-Nationen – in Wien-Kaisermühlen

Blöd gelaufen: In der Früh wurde er von Blue Danube angerufen, dann musste er alle im Team informieren: „Spiel heute am Abend leider abgesagt! Blue Danube bringt keine Elf zusammen.“
Statt eines Meisterschaftsspiels nimmt Martin Dalberg-Andersen daher an diesem Sonntagabend mit dem KURIER vorlieb. Immerhin kann er nun seinen Verein, die Wien Wanderers, mehr Menschen vorstellen.
Wir stellen Ihnen in den kommenden Tagen 23 Protagonisten aus der Wiener Fußballwelt vor. Jede Person steht für eines der 23 Länder, die sich neben Österreich für die EM qualifiziert haben.
Egal ob Highlander in Kaisermühlen, Schiedsrichter aus dem Gastgeberland Deutschland, der slowakische Masseur vom SC Mannswörth, die Torfrauen aus Italien und Serbien oder dänische U-8-Spieler bei Union Mauer - alle haben dieses Leuchten in den Augen, wenn sie erklären, was den Reiz des Fußballs ausmacht und was sie ihrem Heimatland bei der EURO zutrauen.
Der Politologe aus der westschottischen Hafenstadt Oban hat die Wien Wanderers vor vier Jahren gegründet, ist seither bei diesem Verein ein Multifunktionär: „Ich bin Obmann und gebe auch als Trainer und Spieler Tempo und Philosophie vor,“ eröffnet der bald 38-Jährige bei einem Glas Bier.
Fußball begleitet Martin Dalberg-Andersen seit 33 Jahren: „Mit fünf habe ich in Schottland begonnen“, sagt er mit eher nordenglischem Akzent. Der kommt nicht von ungefähr: „Als ich sieben war, haben sich meine Eltern scheiden lassen, und ich bin mit meiner Mutter nach Leeds gezogen.“
Martin Dalberg-Andersen: Geboren am 6. 11. 1986 in Oban, Obmann und Spielertrainer bei Wien Wanderers.
Scottish Football Association: 1992,1996 und 2021 qualifiziert, bei der EURO 2024 in einer Gruppe mit Deutschland, Ungarn und der Schweiz.

Dort beginnt er beim Bramhope FC, zunächst als Tormann. Mit elf ist es ihm aber im Tor „zu langweilig“, und er wird und bleibt Mittelfeldspieler.
Während des Studiums in Newcastle nimmt er an der University League teil, als Mittelfeldmotor von Locomotive. Danach beginnt der kräftige Schotte für eine US-Firma in Costa Rica zu arbeiten. In seiner Freizeit spielt er mit Einheimischen und Expats „fünf gegen fünf“ – Fußball auf dem Kleinfeld.
Mit dieser Spielform findet er 2018 auch in Wien Anschluss. Wegen der Liebe war er von einem Karibikstrand in eine neue Welt, die ihn mit Schnee empfängt, übersiedelt. Auf seine Frage auf Facebook, ob denn in Wien irgendjemand „fünf gegen fünf“ spielt, antworten zunächst weniger als ein Dutzend. Doch seine Fußball-Begeisterung überträgt sich nachhaltig: „Derzeit haben wir 108 Mitglieder.“
Treue zur Liga
Der Schotte, der wie ein Däne heißt, hat um sich Expats aus dreißig Ländern versammelt. Fußball vereint Nationen – auch bei den Wien Wanderers, die er 2020 gründet und die ihre Heimspiele auf dem Polizei-Sportplatz in Kaisermühlen austragen. Aus der 1. Klasse der DSG-Liga werden sie nicht ab-, aber leider auch nicht aufsteigen.
Der EM in Deutschland blickt er gespannt entgegen: „Schottland hat in der Quali Spanien geschlagen. Wir haben rund um Scott McTominay ein starkes Mittelfeld.“ Ob das beim Auftakt gegen den Gastgeber sowie gegen Ungarn und die Schweiz reichen wird? „Es wäre das erste Mal, dass wir die Gruppenphase überstehen.“
Und wenn sie scheitern? Dann freut er sich über den nur ganz knapp verfehlten Aufstieg seines verehrten Leeds United FC in die Premier League. Außerdem möchte er mit den Wanderers in der kommenden Saison „besser abschneiden als in dieser“.
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