Eine Klage stürzt die Bundesliga ins Chaos

Zu früh gefreut? Atanga jubelt, die Spieler des SKN feiern den Klassenerhalt, aber jetzt klagt Wr. Neustadt.
Fall Atanga. Muss St. Pölten doch noch absteigen? Wr. Neustadt will den Aufstieg auf dem grünen Tisch erkämpfen.

Die Bundesliga-Saison ist noch nicht zu Ende. Noch lange nicht. Der Einsatz von David Atanga im Rückspiel der Relegation könnte St. Pölten den Klassenerhalt kosten.

Wiener Neustadt beanstandet die Beglaubigung des 1:1 vom Sonntag. Wenn der Zweitligist Recht bekommt, droht dem SKN ein 0:3 und damit der Abstieg. Die Bundesliga stürzt ins Chaos, der KURIER gibt Antworten:

Warum klagt der SC Wr. Neustadt?

Wegen David Atanga und des „2/3-Regulativs“ der FIFA. Dieses besagt, dass ein Spieler innerhalb eines Jahres zwar bei drei Vereinen registriert sein darf, aber nur für zwei spielen. Atanga kam im Herbst für Salzburg (zwei Mal als Joker, ein Mal im Cup von Beginn an), dann als Kooperationsspieler für Liefering und im Frühjahr als Leihspieler für St. Pölten zum Einsatz. Entscheidend sind die 56 Minuten im Rückspiel (samt Tor). Übrigens: Atangas Einsatz wackelte, beim Hinspiel (2:0) war er noch verletzt.

Was droht St. Pölten?

Der Senat 1 hat das Verfahren aufgenommen und wird nach einer Stellungnahme der St. Pöltner entscheiden. Wie bei der Lizenzierung folgt das Protestkomitee und als letzte Instanz das Ständig Neutrale Schiedsgericht, das zur Überraschung der Bundesliga die Relegation (durch die Lizenz für Hartberg) überhaupt nötig gemacht hat. Sollte Wr. Neustadt Recht bekommen, wird das Rückspiel mit 0:3 gewertet. Nach dem 2:0 im Hinspiel würde das Gesamtergebnis von 2:3 den Abstieg für St. Pölten bedeuten.

Eine Klage stürzt die Bundesliga ins Chaos

Warum bekam Atanga eine Spielberechtigung?

„Ein Wechsel als Kooperationsspieler wurde nie als Transfer gewertet. Das wurde von den Klubs so gewünscht. Als Bundesliga haben wir aber auch darauf hingewiesen, dass so ein Fall aus FIFA-Sicht anders beurteilt werden könnte“, erklärt Liga-Vorstand Christian Ebenbauer. „Es gibt in Österreich seit den 90ern diese Regelung für Kooperationsspieler, also länger als die FIFA-Beschränkung. Sie hat aus Sicht der Liga und der Vereine immer Sinn gemacht, um jungen Spielern mehr Einsatzmöglichkeiten zu bieten.“

Was verbindet Atanga mit ?

Pikanterweise klagt Wr. Neustadt jetzt eine Beschränkung ein, die der Erste-Liga-Klub selbst gebrochen hat. Alex Sobczyk lief ebenfalls für drei Klubs ein: Rapid, St. Pölten und im Frühjahr (als Kooperationsspieler) eben für Neustadt. „Wir haben bei der Liga nachgefragt und auch den Hinweis auf den möglichen Verstoß gegen FIFA-Regularien bekommen“, sagt Präsidentin Katja Putzenlechner. „Nach internen Diskussionen wurde es uns zu heiß: Nach Runde 24 haben wir bewusst auf Sobczyk verzichtet.“

Wie reagiert St. Pölten?

SKN-Manager Andreas Blumauer ist überrascht und verweist auf Sobczyk: „Jetzt genau das bei Atanga ins Spiel zu bringen, verwundert ziemlich.“ Die St. Pöltner stecken mitten in dem von Trainer Kühbauer gewünschten Kaderumbau. Sollte in letzter Instanz (also erst in einigen Wochen) der Abstieg folgen, wäre das auch ein massives finanzielles Problem. Blumauer meint: „Wir sind der Überzeugung, rechtens gehandelt zu haben.“

Hat Wr. Neustadt moralische Skrupel?

„Das Ganze ist bei Gott nicht lustig für uns“, sagt Putzenlechner. „Aber: Was würden Sie tun, wenn Sie die Verantwortung für einen Verein tragen und es gute Argumente gibt, durch dieses Rechtsmittel den Aufstieg zu schaffen? Die meisten würden klagen!“ Dazu kommt, dass der Zweitligist große finanzielle Probleme hätte, noch einmal eine Mannschaft mit Aufstiegsambitionen zusammenzustellen.

Bekommt der Fall eine politische Dimension?

Blumauer weist darauf hin, dass Wr. Neustadt dem SKN die Lizenz verdankt: „Weil wir ihnen für die Wintermonate die NV Arena als Ausweichstadion zur Verfügung gestellt haben.“ Dieses Entgegenkommen passierte auf Wunsch von NÖ-Sportlandesrätin Bohuslav. Ihr ÖVP-Parteikollege, der Neustädter Bürgermeister Schneeberger, setzte sich parallel dazu für den flott genehmigten Stadionneubau ein. Wie wird die Politik reagieren, wenn der „kleine“ NÖ-Klub den „großen“ aus der Liga klagt? Putzenlechner sagt: „Es sollte die Gleichberechtigung der Klubs gelten.“

Droht eine Kettenreaktion?

Neben Atanga und Sobczyk spielten auch die Red-Bull-Leihgaben Tetteh (LASK) und Igor (WAC) für drei Vereine. „Aber alle Einsätze bis auf den von Atanga sind beglaubigt und damit juristisch nicht mehr anfechtbar“, sagt Ebenbauer. Weitere Klagen von Ried (auf Neustadts Platz in der Relegation), Mattersburg (auf den Europacup-Startplatz des LASK) oder St. Pölten (auf den 9. Platz des WAC) wären damit wohl chancenlos.

Ist das Problem neu?

Nein. Im Jänner 2015 sollte Nils Quaschner nach Einsätzen für Salzburg und Liefering nach Leipzig wechseln. Die FIFA warnte davor, Red Bull zog den Transfer zurück. Die klassisch österreichische Reaktion („Wir werden keinen Richter brauchen“) reichte dreieinhalb Jahre lang. Bis zur Klage von Wr. Neustadt.

Interview mit Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer

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