Die Front gegen das Abseits wächst

Die Assistenten könnten bald viel weniger Arbeit haben.
Auch Deutschlands Teammanager Oliver Bierhoff kann sich die Abschaffung vorstellen.

Sie gehört zu den umstrittensten Regeln im Fußball: das Abseits. Bei kaum einer anderen Entscheidung haben Fehler ähnlich gravierende Auswirkungen. Dazu ist das Abseits eine extrem komplexe Bestimmung, auch weil der Schiedsrichterassistent die Positionen des vordersten Spielers des angreifenden Teams sowie des vorletzten Spielers der verteidigende Mannschaft im Auge haben muss – und das dazu noch bei der Ballabgabe.

Die Front gegen das Abseits wächst
Da ist es kein Wunder, dass an der Abseitregel seit Jahren herumgedoktert wird. Nun wird wieder einmal sogar über die Abschaffung der Regel 11 diskutiert. Die Diskussion wurde vom ehemaligen Weltklasse-Stürmer Marco Van Basten erst im Jänner entfacht.

Fußball-Reformator

"Das ist jetzt meine persönliche Meinung: Ich bin sehr neugierig, wie Fußball ohne Abseits funktionieren würde. Wenn man ohne Abseits spielt, gibt es mehr Möglichkeiten, ein Tor zu schießen", sagte der Niederländer, der mittlerweile als Technischer Direktor bei der FIFA für die Weiterentwicklung des Fußballs zuständig ist.

Sein Vorstoß sorgte für große Aufregung. Die Reaktionen waren ihm aber schon bewusst, als er den Vorschlag gemacht hatte: "Ich fürchte, viele Leute werden dagegen sein. Ich wäre dafür, denn der Fußball ähnelt inzwischen immer mehr dem Handball: Neun Spieler plus Torwart machen den Strafraum dicht, das ist wie eine Mauer."

Nun bekam Van Basten prominente Unterstützung. Deutschlands Nationalteam-Manager Oliver Bierhoff meldete sich ebenfalls zu Wort: "Wenn man nur ein Mal sieht, wie positiv sich trotz der anfänglichen Skepsis die Rückpass-Regel aufs Spiel ausgewirkt hat. Warum also sollte nicht auch der Wegfall der Abseitsregel das Spiel attraktiver machen?", sagte der 48-Jährige der Sport Bild.

Fußball-Revolution

Aber was würde sich alles ändern, würde es künftig kein Abseits geben? Würde das Spiel gar chaotischer werden? Das wäre möglich. Die Taktik würde sich sicher verändern. Ein kontrolliertes Aufbauspiel wäre nicht mehr notwendig. Die Teams würden das Mittelfeld mit weiten Pässen überbrücken.

Ein Spielertyp, der schon lange nicht mehr modern ist, würde wieder zum Einsatz kommen: der klassische Mittelstürmer, der am und im gegnerischen Strafraum auf die Zuspiele wartet, um diese zu verwerten.

Komplett verändern würde sich auch die Arbeit des Schiedsrichters und seiner Assistenten. Letztere zeigten bisher die Abseitsstellung an. Der Schiedsrichter musste die endgültige Entscheidung treffen. Die Assistenten hätten ohne Abseits wesentlich weniger Arbeit als jetzt, die Schiedsrichter hätten hingegen weitere Laufwege. Dieses Problem würde sich aber durch einen Schiedsrichter pro Spielhälfte lösen lassen.

Bierhoff, der sich mit Marco van Basten getroffen hat, ist sich bewusst, dass niemand abschätzen kann, ob durch die Abschaffung des Abseits mehr Tore fallen würden und der Fußball attraktiver würde. Er schlägt deshalb die Probe aufs Exempel vor: "Vielleicht sollte man sich mal auf eine gewisse Testphase einlassen. Dann hätte man mal ein Gefühl."

Vorerst sind Van Bastens Ideen aber nur eine Diskussionsgrundlage. Das International Football Association Board beschäftigt sich mit der Problematik noch nicht. Die Abschaffung der Abseitsregel steht nicht auf der Agenda der 131. Hauptversammlung der FIFA-Regelhüter, die am Freitag im Londoner Wembley-Stadion stattfindet.

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