Deutsche Fassungslosigkeit nach 4:4

Deutsche Fassungslosigkeit nach 4:4
Das deutsche Fußballteam verjuxte gegen Schweden einen 4:0-Vorsprung. Die Folge: Entsetzen und Ratlosigkeit.

Joachim Löw präsentierte ein Gesicht, das man so bei ihm noch nie gesehen hatte. Den euphorisch herumhüpfenden Jogi Löw, den kennt inzwischen jeder Fußballfan, auch die zornige, aufbrausende Variante wurde – speziell in Spielen gegen Spanien oder Italien – bereits mehrfach gesichtet. Aber jenes Gesicht, das der deutsche Bundestrainer am Dienstag im Berliner Olympiastadion nach dem 4:4 gegen Schweden zog, blutleer, regungslos, ja geradezu apathisch, das war an Löw bislang völlig fremd.

"Schockstarre". So nannte der deutsche Teamchef seinen ungewöhnlichen Gemütszustand nach dem noch viel ungewöhnlicheren WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden, das in die Annalen eingeht: Denn in 106 Jahren DFB-Geschichte ist es in 867 Partien zuvor noch keiner anderen deutschen Nationalmannschaft gelungen, einen 4:0-Vorsprung zu verspielen.

Totalabsturz

Deutsche Fassungslosigkeit nach 4:4

Löws vogelwild gewordenem Haufen gelang dieses eigenwillige Kunststück sogar in der Rekordzeit von knapp 30 Minuten. Mehr noch: Die Deutschen vergeigten ein Spiel, in dem sie eine Stunde lang dermaßen aufgegeigt hatten, dass der ARD-Experte Mehmet Scholl zwischenzeitlich bereits ein historisches Highlight heraufbeschwor. "Ich habe noch nie ein so gutes deutsches Team gesehen."

Tatsächlich präsentierten sich die Deutschen 60 Minuten von ihrer allerfeinsten Seite: Eine Stunde lang war es eine Freude, den Özils und Schweinsteigers bei ihrer Spielfreude zuzusehen. Eine deutsche Traumkombination folgte der nächsten, ein Angriff jagte den anderen, die Schweden waren willkommenes Kanonenfutter.

Und dann das: Chaos in der Verteidigung. Fehlpässe in der Offensive. Unsicherheit und Pannen auf allen deutschen Ebenen. Ein Gegentor durch Ibrahimovic, das eigentlich in die Rubrik Ergebniskosmetik gehört, reichte schon, um bei den vorher so souveränen deutschen Teamspielern einen Schock auszulösen, von dem sie sich nicht mehr erholen sollten. Das 4:4 in der Nachspielzeit war der negative Höhepunkt einer chaotischen Performance, die Joachim Löw sogar die Kraft zum Wutausbruch nahm. "Ich kann mir das alles nicht erklären", stammelte der Bundestrainer nach dem Gala-Abend, der in einer großen Schmach endete.

Die deutschen Spieler verkrochen sich nicht in der Kabine, sondern übten sich in Selbstkritik. "Es ist vielleicht alles zu leicht gegangen", meinte Toni Kroos, "jeder hat sich zu sicher gefühlt", ergänzte Bastian Schweinsteiger. Wohl wissend, dass eben dieses 4:4 die beste Nahrung ist für die Dauer-Debatte über fehlende Führungsspieler im deutschen Nationalteam.

Joachim Löw will sich erst gar nicht auf diese Diskussionen einlassen. Er gab seinen Spielern nur folgenden Rat mit: "Das muss uns für alle Zeiten eine Lehre sein."

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