Constantini: "Nicht alles war falsch"

Constantini: "Nicht alles war falsch"
Der Ex-Teamchef über Alaba und Arnautovic, über Fehler und Schuldige, und warum er nicht immer der Feinste war.

Alaba. Ein Wort genügt, und Dietmar Constantini gerät ins Schwärmen. "So ein Spitzbua", schmunzelt der Vorgänger von Marcel Koller als österreichischer Teamchef. Es war Constantini, der den 16-jährigen David Alaba seinerzeit in den Profikader der Austria beförderte. Und der Tiroler war es auch, der dem Jungstar 2009 im Alter von 17 Jahren zum Debüt in der Nationalmannschaft verhalf.

KURIER: Herr Constantini, einmal ehrlich: Verspüren Sie heute so etwas wie Stolz oder Genugtuung, wenn Sie die Leistungsentwicklung von David Alaba sehen?
Dietmar Constantini:
Ich freu’ mich für ihn, dass er so durchgestartet ist. Mit Genugtuung hat das nichts zu tun. Aber ich würde es okay finden, wenn sich diejenigen, die damals laut aufgeschrien haben, weil ich Alaba geholt habe, jetzt im Stillen denken würden: ,Hoppla, da hab’ ich mich getäuscht. Da hat der Wahn- sinnige doch Recht gehabt." Aber wahrscheinlich ist es jetzt so, dass es die meisten eh schon immer gewusst haben. Außerdem gehört das Lob sowieso anderen.

Nämlich?
Den Nachwuchstrainern. Weil sie es sind, die die Spieler machen und formen, die Cheftrainer können sie nur mehr fördern. Oben ist es dann umgekehrt: Da machen die Spieler die Trainer. Weil: Wenn du die Spieler nicht hast, die dir die Spiele gewinnen, dann bist zu als Trainer weg. Da kannst du noch so Saltos schlagen.

Also hat es an der Qualität gefehlt, dass sich Österreich nicht für die EM qualifizieren konnte?
Das ist schon ganz ein guter Haufen, alles gute Burschen. Aber Fakt ist: Wenn sich eine österreichische Nationalmannschaft qualifizieren will, dann braucht sie Glück. Und zwar in allen zehn Gruppenspielen.

Ist eine Qualifikation also eine reine Glückssache?
Natürlich nicht. Das kann man mir jetzt glauben oder nicht: Aber es kommt viel auf den Spielverlauf an. Nehmen wir zum Beispiel das Heimspiel gegen Belgien.

Das Spiel ging 0:2 verloren.
Du gehst mit großen Erwartungen ins Spiel und nach fünf Minuten liegst du hinten. Nichts gegen Macho, aber das war ein Eigentor. Fünf Minuten später trifft der Janko aus zehn Metern nicht ins Tor. Deshalb sage ich: Die letzte Entscheidung hast du als Trainer nie.

Sondern?
Das ist immer der Spieler. Je mehr Klassespieler du hast, desto leichter tust du dich als Trainer. Was kann ich tun, wenn der Scharner in Belgien direkt neben dem Schiedsrichter einen umräumt und Rot kriegt? Bei der Austria kann’s auch nicht nur am Vastic gelegen haben. So was kann ich nicht mehr hören. Was ist mit der Eigenverantwortung der Spieler? Ein Einzelsportler könnte so was nie machen.

Warum nicht?
Weil ein Einzelsportler nackert da steht, wenn es nicht läuft. Der kann sich maximal drauf ausreden, dass er nicht richtig fit war. Aber in einem Teamsport wie Fußball, da kannst du dich leicht verstecken. Da kannst du schlecht spielen und trotzdem gewinnen. Aber wenn sich alle verstecken, bist du nirgends. Und wer ist dann der Schuldige? Der Trainer. Und trotzdem ...

... und trotzdem?
Und trotzdem ist es der geilste Job im Fußball. Und Teamchef im eigenen Land ist eine besondere Ehre.

Obwohl Sie rückblickend viel Kritik einstecken mussten?
Das ist doch alles vergänglich. Natürlich habe ich einige Sachen gemacht, die gegen die Regeln sind. Da hatte Peter Pacult schon recht mit der Aussage, dass einer nur mit dem Hintern wackeln muss, um ins Team zu kommen. Nur sollte man wissen, wie’s zugegangen ist, wie ich das Team übernommen hab.

Verraten Sie’s.
Das war ein zerstrittener Haufen, die haben beim Essen nicht einmal miteinander geredet. Da habe ich mir gedacht: Da bring ich eben sukzessive Junge daher und bau’ sie ein. Alaba, Dragovic, Jantscher, Arnautovic.

Sie haben Marko Arnautovic angesprochen: Wie fällt Ihr Urteil über ihn aus?
Ich sag’s ganz offen: Im Nachhinein wüsste ich nicht mehr, ob ich ihn noch einmal dazunehmen würde. Er hat alles, super Anlagen, aber ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob er es noch schafft. Weil er einfach die Demut nicht kennt.

Ein anderes Reizthema Ihrer Ära war Andreas Ivanschitz.
Als Teamchef wird einem immer vorgeworfen: Warum nimmst du den nicht, der vorher immer dabei war? Nur: Das Team hat sich vor mir auch nicht qualifiziert. Auch nicht mit den Spielern wie Ivanschitz, die dann oft gefordert wurden. Und der berühmte Satz, dass er sich in der Trainingsgruppe anbieten will, und wenn er nicht gut genug ist, setzt er sich auf die Bank, dieser Satz ist nicht gefallen. Für mich. Für ihn ist er wahrscheinlich gefallen. Er hat nur gesagt, er müsste normal eigentlich spielen, weil er in einer besseren Liga spielt.

Würden Sie heute einige Dinge anders regeln?
Im Nachhinein kann man natürlich immer sagen: Hätte ich damals das und jenes anders gemacht. Bringt aber nichts. Wir hatten einige Spiele dabei, die nicht zum Anschauen waren. Aber es waren auch welche dabei, wo es blutig runtergegangen ist. Und 200.000 Zuschauer in vier Spielen in Wien, das passiert nicht jedes Jahr. Natürlich habe ich Fehler gemacht. Wie jeder.

Zum Beispiel?
Aufstellungsfehler macht man sowieso immer. Ab und an ist mir natürlich was rausgerutscht: Wenn ich zum Beispiel sage, der Christoph Leitgeb ist ein super Typ und guter Fußballer, aber er ist halt kein Killer und schießt zu wenig Tore, dann heißt es sofort: ,Wahnsinn, der verurteilt den." Du kannst heute oft die Wahrheit gar nicht sagen. Mich wundert es nicht, dass die älteren Trainer fast nichts mehr sagen wollen.

Andererseits haben Sie selbst auch sehr dünnhäutig auf Kritik reagiert.
Ich bin auch dünnhäutig geworden. Irgendwann geht es dir auf den Geist, wenn dir so wenig Respekt entgegen gebracht wird. Dass ich ganz der Ahnungslose bin, das lass’ ich mir nicht sagen. Ich war sicher nicht immer der Feinste, hab’ mit einigen Journalisten nichts geredet, auch mit Kollegen vom KURIER. Aber ich muss lachen, wenn ich mich an meine Abschlusspressekonferenz erinnere: Dann sind dann meine Freunde zu sechst auf einem Platz gesessen, wo nur drei hinpassen. Aber darum geht’s ja nicht: Welcher Trainer das Team zu einem Turnier führt, ist nicht das Thema. Sondern dass wir uns qualifizieren, darum geht’s.

Und trauen Sie der Mannschaft die Qualifikation für Brasilien 2014 zu?
Das muss das Ziel sein. Die Spieler sind wieder ein Jahr weiter, die steigern sich mit jedem Monat. Ich wünsche es dem Marcel Koller, dass es im Nachhinein greift. Dann wird man auch sehen, dass nicht alles falsch gewesen ist, was wir gemacht haben.

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