CL-Halbfinale statt Absturz: Lyons großartiger Irrtum
„Wenn die Ligue 1 abgebrochen wird, werden wir in der Champions League von Teams massakriert, die eine physische Vorbereitung haben, die wir nicht haben werden.“ So kann man sich täuschen, wie Lyon-Präsident Aulas mit seiner im Mai getätigten Aussage. Der mächtigste Mann im Verein hatte sich seinerzeit vehement dafür eingesetzt, dass die heimische Liga fortgesetzt wird.
Zum einen, weil der 71-Jährige im Hinblick auf das Achtelfinal-Rückspiel gegen Juventus Turin im Spielrhythmus bleiben wollte. Zum anderen, weil „OL“ zum Zeitpunkt des coronabedingten Abbruchs genau einen Punkt hinter den Europa-League-Rängen nur auf Platz sieben lag. Wenige Monate später fordert Lyon im Halbfinale der Champions League am Mittwoch (21/live auf Sky und DAZN) die Bayern heraus, nachdem man schon Größen wie Juventus Turin und Manchester City aus dem Bewerb geworfen hatte. Diese zwei Heldentaten reichen aber nicht aus, um gegen die Münchener in die Favoritenrolle zu schlüpfen. Denn die hat sich der Gegner mit dem historischen 8:2 über Barcelona schon gesichert.
Die Ausbildner
Lyon lebt seit vielen Jahren davon, seine besten Spieler an europäische Top-Klubs zu verkaufen. Bei Karim Benzema (2009 zu Real Madrid) war das so, bei Michael Essien (2005 zu Chelsea) und bei Éric Abidal (2007 zum FC Barcelona). Auch Tolisso, Miralem Pjanic (Juventus Turin) und Hugo Lloris (Tottenham Hotspur) spielten einst für den siebenmaligen Meister, dessen letzter nationaler Titel mit dem Pokalsieg 2012 allerdings auch schon acht Jahre zurückliegt. Daran denkt Trainer Rudi Garcia absolut nicht vor dem Duell mit den Bayern: „Der Appetit kommt mit dem Essen. Unser Selbstvertrauen ist gewachsen.“
Garcia hat in Lyon vor allem bei den Fans einen sehr schweren Stand, kam er doch vom Erzrivalen aus Marseille und konnte in der aktuellen Saison keine Erfolge feiern. Bisher.
Lyon als Motivation
Das Halbfinale Bayern gegen Lyon weckt zudem Erinnerungen an ein Münchner Debakel vor fast zwei Jahrzehnten. Es war der Abend, als der damalige Präsident Franz Beckenbauer in seiner wohl legendärsten Bankettrede das damalige Team um Kapitän Stefan Effenberg und die beiden heutigen Vorstandsmitglieder Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic als „Altherrenfußballer“ und „Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft“ verhöhnte.
Am 6. März 2001 ging Trainer Ottmar Hitzfeld mit seiner Elf in der damals noch ausgespielten zweiten Gruppenphase mit 0:3 in Lyon unter. „Das war eine Blamage. Das hat nichts mit Fußball zu tun. Das ist eine andere Sportart, die wir spielen“, spottete Beckenbauer später im Teamhotel. Die Spieler hörten mit gesenkten Köpfen zu. „Wir sind jetzt in einer Situation, wo wir sicherlich noch einiges retten können“, sagte Beckenbauer und empfahl: „Ihr müsst euer Spiel komplett umstellen. Wenn ihr so weiterspielt wie jetzt, werden die ganzen Trophäen sicherlich nicht nach München gehen.“ Die Worte des „Kaisers“ waren eine Watschn, aber sie provozierten eine Reaktion. Zwei Monate später wurden die Bayern zunächst deutscher Meister und dann in Mailand erstmals Champions-League-Sieger.
Bärenstarke Bayern
Aktuell strotzen die Bayern nur so vor Selbstvertrauen – und das zu Recht. Torhüter Manuel Neuer sieht sein Team für Großes bereit. „Ich denke, dass wir Wettbewerbstypen alle wirklich hungrig sind und auch mental so fit sind im Moment, dass wir einfach da sind, auch vom Kopf her.“ Nach den Titelgewinnen in der deutschen Bundesliga und dem DFB-Pokal soll der dritte Champions-League-Sieg der Klubgeschichte eine Saison nach Maß unter Trainer Hansi Flick gebührend abrunden. Seit dem Gewinn der Trophäe 2013 standen die Bayern nicht mehr in einem Endspiel der Königsklasse.
Für David Alaba wäre es das bereits dritte Endspiel in der Champions League. 2012 sah er die Niederlage gegen Chelsea im „Finale dahoam“ nur von der Tribüne der Allianz Arena aus, 2013 holte er den Titel.
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