Blaues Wunder im grauen Alltag

Blaues Wunder im grauen Alltag
Giorgos Karagounis war 2004 Europameister. Am Samstag sorgte er mit seinem Tor für Freude im geplagten Griechenland.

Die Parlamentswahlen am Sonntag werden richtungsweisend für die Griechen sein, auf der Spielwiese des Fußballs hatten sie Samstag nur eine Wahl, um im EURO-Geschäft zu bleiben: gewinnen. Gesagt, getan. Russland wurde 1:0 geschlagen und nach Hause geschickt, in Athen wurde die ganze Nacht gefeiert.

Giorgos Karagounis wussten Samstag Nacht nicht, ob er lachen oder weinen soll, ob er mit seinen Kollegen den Aufstieg bejubeln oder sich in sein stilles Kämmerlein zurückziehen soll. Mit seinem Tor gegen die Russen fixierte der 35-jährige Mittelfeldspieler den Aufstieg seiner Griechen, wegen seiner zweiten gelben Karte fehlt der Kapitän ausgerechnet im Viertelfinale, in dem am 22. Juni der Sieger der Deutschland-Gruppe B wartet. "Wir geben nie auf, egal, was passiert. Ich danke Gott, dass er uns diesen Moment gegeben hat." Und: "Mein Team wird auch ohne mich ins Semi­finale aufsteigen können", sagte der Routinier, der seit Samstag gemeinsam mit Theodoros Zagorakis mit 120 Einsätzen Rekordspieler seines Landes ist.

Semifinale? Warum nicht? Die Griechen hatte auch 2004 keiner auf der Liste der Titelfavoriten. Was dann geschah, ist längst Fußballgeschichte. Mittendrin unter den späteren Europameistern war Karagounis bereits damals. Er schoss gegen Gastgeber Portugal nach sechs Minuten das erste Tor der EM, leitete damit den größten Triumph der griechischen Fußballgeschichte ein. Und: Karagounis war damals schon ein Routinier.

Treue

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Seit Debüt in Griechenlands Team gab er 1999, auch im Klubfußball hielt er seiner Heimat fast immer die Treue. Nur für vier Jahre verließ er sein Land, von 2003 bis 2005 absolvierte er 32 Spiele in der italienischen Serie A für Inter Mailand, bis 2007 kickte er in Portugal bei Benfica Lissabon. Seit seiner Rückkehr schnürt er wieder für seinen Stammklub Panathinaikos Athen die Fußballschuhe. In seiner Heimat ist er auch deshalb längst ein Held.

Auch wenn nicht alles weltmeisterlich war bei den Europameistern von 2004. "Dieser Abend ist sehr wichtig für alle Griechen. Wir haben gesagt, dass wir trotz all der Probleme alles geben", erklärte Karagounis.

Probleme bekam auch die Nationalmannschaft, die zu lange am großen Wurf von Portugal gemessen wurde. 2006 qualifizierte sich Griechenland nicht für die WM, 2010 scheiterte sie in der Vorrunde. Und bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz schieden sie ebenfalls in der Vorrunde aus. Nach einem desaströsen Auftreten.

Der gestrige 1:0-Sieg gegen die Russen war übrigens der erste Sieg bei einer EM seit dem Finalerfolg über die Portugiesen vor acht Jahren.

Feiertag

Er ist Balsam auf den Wunden eines Fußballvolkes, aber vor allem auf jenen eines ganzen Volkes, das heute wohl zur wichtigsten Wahl seiner Geschichte gerufen wird. Vorher wurde aber noch die ganze Nacht in Athen gefeiert, nur Sekunden nach dem Sieg in Warschau wurden Feuerwerkskörper in den Himmel geschossen. In allen Stadtteilen waren Leuchtkugeln zu sehen. In den Arbeitervierteln Patissia und Kypseli bildeten sich schon Minuten nach dem Überraschungscoup Autokorsos.

"Wir hoffen, dass das Volk für ein paar Stunden die Probleme vergessen konnte, dass der Fußball ihnen ein Stück Glückseligkeit brachte in den schweren Stunden", sagte der Portugiese Fernando Santos, seit 2010 Nationaltrainer der Griechen.

Ob er ein neuer Otto Rehhagel wird? "Wir haben nur einen kleinen Schritt geschafft", erklärte Santos. Bei der Europameisterschaft 2004 waren es auch nur kleine Schritte, die mit dem größten Triumph endeten...

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