„Du schaust so männlich aus und dann plärrst du so laut!“ Aufziehen musste sich der Salzburger Andre Ramalho von Bayern-Star Thomas Müller lassen, nachdem er im ersten Champions-League-Duell vor drei Wochen schreiend zu Boden gegangen war. Es kann schon wehtun, wenn man aus kurzer Distanz den Ball in die Nieren bekommt. Der Brasilianer schrie aber schon besonders laut.
Typisch war Müllers Reaktion. Der 31-Jährige ist einer der letzten Typen im Fußball, einer, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, sagt, was er sich denkt – ungewöhnlich in einer Zeit, in der sich Fußballer (gebrieft von Sprachtrainern) im Phrasendreschen überbieten.
Müller kann sich seine „große Goschen“ aber auch leisten. Unter den Millionen Bayern-Fans hat er Kultstatus. Er ist jener Spieler, der personifiziert, wofür die Bayern stehen: Ehrgeiz, Siegeswille und der Drang, nie zufrieden zu sein, das alles zeichnet den Offensivspieler aus, der schon 20 Jahre für den deutschen Rekordmeister spielt.
Und Müller ist noch etwas, was ihm im aktuellen Bayern-Erfolgsteam eine besondere Stellung sichert: Er ist waschechter Bayer, aufgewachsen in Pähl am Ammersee. Viel mehr Oberbayern geht kaum. Müllers Eltern leben noch heute in der 2.400-Einwohner-Gemeinde. Zurückgezogen von der Öffentlichkeit. Am Land kennt nicht nur jeder jeden, dort wird auch die Privatsphäre respektiert.
Müller wuchs in einer beschaulichen Dorfidylle auf. Er war Ministrant, was im erzkatholischen Oberbayern nichts Außergewöhnliches ist. Sein Fußballtalent war das allerdings schon. Als Knirps erzielte er für den TSV Pähl Tor um Tor. 200 Treffer sollen es einmal in einer Saison gewesen sein. Kein Wunder, dass der größte Klub aus der nächstgelegenen Großstadt früh auf ihn aufmerksam wurde. Und da Müller schon immer Bayern-Fan war, waren weder ihm noch den Eltern des damals 11-Jährigen die 50 Kilometer nach München zu weit.
Er schaffte den Sprung von der D-Jugend bis zu den Profis. Und wie schwer das bei einem Großklub ist, beweist die Tatsache, dass der 31-Jährige der letzte Spieler ist, der in München über diesen weiten Weg den Durchbruch geschafft hat und noch immer da ist. 2008, mit 18 Jahren, debütierte er unter Trainer Jürgen Klinsmann in der Bundesliga. Stammspieler wurde er aber erst ein Jahr danach unter Louis van Gaal. Vom Niederländer stammt auch jener Satz, der bei Bayern zum elften Gebot wurde: „Thomas Müller spielt immer.“
Förderer Van Gaal
Daran hielten sich auch alle Trainer, egal ob nun Jupp Heynckes, Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti. Als Niko Kovac am Denkmal Müller rüttelte, kam das gar nicht gut an. Die Aussage, „Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen“, war der Anfang vom Ende des Kroaten mit Salzburg-Vergangenheit in München.
Müller ist aber nicht nur nach Außen der Lautsprecher der Bayern-Mannschaft. „Wenn er in die Kabine kommt, sage ich immer ’Radio Pähl ist wieder da’“, erzählte Langzeit-Co-Trainer Hermann Gerland einmal. Privat ist das ganz anders. Müllers Leben verläuft völlig skandalfrei. Mit seiner Frau ist er schon 14 Jahre zusammen, geheiratet wurde, als beide gerade 20 waren.
Die Müllers verbindet auch die große Liebe zu Pferden. Beide haben im Süden Münchens ein Gestüt gepachtet, züchten sogar. Lisa Müller, die vom deutschen Boulevard gerne als „Anti-Spielerfrau“ bezeichnet wird, ist selbst eine durchaus erfolgreiche Dressur-Reiterin. Ihr Mann hat aber nicht nur Fußball und Pferde im Kopf. Thomas Müller, der das Gymnasium mit dem Abitur abgeschlossen hat, ist Botschafter der „Stiftung Lesen“ und auch unter die Kinderbuch-Autoren gegangen. „Lesen bildet fürs Leben“, sagt er. Dazu unterstützt der Bayern-Star die Stiftung „YoungWings“, die sich um Waisenkinder kümmert, aktiv.
Kovac-Nachfolger Hansi Flick hält sich wieder an das elfte Gebot. Ist Müller fit, spielt er. Für viele Bayern-Insider ist er die wichtigste Säule beim Champions-League-Sieger. Müller ist der perfekte Teamplayer geworden, glänzt eher als Vorlagengeber, denn als Torschütze. Das bekamen auch die Salzburger in der Champions League zu spüren. Beim 6:2 in der Red-Bull-Arena bereitete Müller zwei Bayern-Treffer vor.
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