Wahre Champions zeigen Größe
Wie es der Zufall so will: Vergangene Saison verschlug es den frischgebackenen Meister Austria just im ersten Spiel nach dem Titelgewinn nach Salzburg ins Stadion des einzigen Verfolgers.
Mit im Gepäck hatten die Austrianer in der letzten Runde auch den Meisterteller. Und den präsentierten sie voller Stolz in der Red-Bull-Arena. Und nicht nur das: Die Co-Trainer hatten – nach einer verlorenen Wette – Lederhosen an. Ausgelassen wurde gefeiert mit den Fans, mit dem Meisterteller in den Händen und in Lederhosen, aber nicht nach, sondern schon vor dem Spiel. "Wir wollten mit den Fans feiern, weil so viele mitgereist waren", verteidigt Torhüter Heinz Lindner die Aktion.
Chance auf Revanche
Die Salzburger empfanden dies jedoch als Respektlosigkeit. "So etwas tut man nicht", war der allgemeine Tenor der Red-Bull-Spieler, die diesen Tag bis heute nicht vergessen haben.
Nun hätten sie am Mittwoch die Chance, sich dafür zu revanchieren. Denn wie es eben der Zufall so will, sind die Salzburger im ersten Spiel nach der Fixierung des Titels in der Generali-Arena zu Gast. Die Lederhosen bleiben aber in Salzburg, den Meisterteller können die Salzburger auch noch nicht mitbringen, weil er ihnen erst überreicht wird. So feiern, wie es die Austrianer in der Red-Bull-Arena getan haben, werden die Salzburger nicht: "Das passt nicht zu uns", sagt Trainer Roger Schmidt.
In Wien diskutierte man bei der Austria seit zwei Tagen, ob man vor dem Spiel mit einem Spalier dem neuen Meister huldigen sollte. In Spanien und England ist diese faire Geste Usus. Austrias Sportvorstand Thomas Parits antwortete am Dienstag auf der offiziellen Pressekonferenz noch mit Sandkasten-Logik: "Haben die Salzburger das im Vorjahr gemacht?"
Nach einer internen Diskussion rund um das Nachmittagstraining wurde jedoch in die andere Richtung entschieden – die Austrianer stehen vor dem Spiel Spalier und zeigen damit Größe und Fairness. Befürworter und treibende Kraft dieser Variante war Kapitän Manuel Ortlechner. Er weiß, dass solch eine Geste weit mehr Wirkung hat als sämtliche künstlich inszenierten Fair-Play-Aktionen.
Finanz-Vorstand Markus Kraetschmer versichert jedenfalls: "Wir gratulieren den Salzburgern zum Meistertitel und zollen ihren Leistungen Respekt." Für Trainer Herbert Gager und seine Schützlinge ist es eine riesige Herausforderung, gegen den Meister, der die letzten 12 Spiele in Serie gewonnen hat, zu spielen. "Wir wollen zeigen, dass die Salzburger Serie ein Ende nimmt. Wir möchten die Mannschaft sein, die nach zwölf Spielen endlich wieder gegen sie gewinnt."
Knappe Heimspiele
Roger Schmidt hat mit seiner Mannschaft – trotz des vorzeitigen Gewinns der Meisterschaft – noch einiges vor in den letzten acht Runden: "Wir werden alles dafür tun, dass wir diese Saison auf diesem Niveau auch zu Ende bringen. Wir werden versuchen, so viele Tore wie möglich zu schießen. Ich liebe den Fußball, aber insbesondere liebe ich das Toreschießen. Und ich glaube, meine Mannschaft sieht das genauso."
98 Treffer haben die Salzburger in 28 Runden erzielt. Zwei fehlen also noch, um den magischen Hunderter zu erreichen. Und mindestens so viele haben die Salzburger seit der Austria-Meisterfeier in jedem Spiel gegen die Wiener erzielt. 3:0, 5:1, 2:1 und 4:0 lauten die Ergebnisse der letzten vier Duelle.
Herbert Gager fordert eine kompakte Leistung in der Defensive und wünscht, dass sich seine Spieler nach vorne einiges zutrauen und bei Standardsituationen wachsam sind. Und er hofft, dass die Salzburger Meisterfeier Spuren hinterlassen hat: "Vielleicht spüren sie ja das eine oder andere Bier."
Bilder vom Salzburger Meisterjubel
Austrias Meistertrainer Peter Stöger, der jetzt mit Köln auch in der zweiten deutschen Liga an erster Stelle steht, war in der letzten Wiener Erfolgssaison nur eine kleine Schwäche anzulasten: Als er seine Kicker vor Anpfiff in Salzburg mit dem Meisterteller triumphierend herumrennen und damit Gegner und Fans provozieren ließ. Am Mittwoch ist die Situation umgekehrt. Am Mittwoch kommen die Salzburger als Meister nach Wien. Und sie werden so klug sein, das die Gastgeber nicht schon beim Aufwärmen mit eindeutig zweideutigen Gesten spüren zu lassen. Ein g’sundes Häkerl kommt in humorbefreiten Zeiten wie diesen nicht gut an. Zumal auf den Tribünen gegenüber den Roten Bullen allein schon wegen des Geldes mehr Vorurteil als Respekt besteht.
Die Austria-Spieler hingegen werden über ihre Schatten springen. Und der neuen Meisterelf, die in der Europa League zum Wohl des österreichischen Klubfußballs für die Gesamtwertung so viele Punkte sammelte, applaudierend Spalier stehen. So wie das in Spanien ungeschriebenes Gesetz ist. Selbst die Barcelona-Stars hatten in der Vergangenheit den Rivalen von Real (bzw. umgekehrt) für deren Titelgewinn habtacht stehend Beifall bekundet.
In der Austria-Chefetage fühlte man sich nicht zum Nachahmen verpflichtet. Bis sie Kapitän Ortlechner umstimmte und entschied: Vor Anpfiff wird zu Salzburgs Ehren Haltung angenommen und geklatscht. Dafür gebührt auch Ortlechner Applaus.
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