Nicht jede neue Maßnahme der Bundesregierung fanden Sie logisch. Was werfen Sie der Politik vor?
Peschek: Ich habe einen großen Respekt vor der Politik und weiß, dass die Entscheidungen derzeit schwierig zu treffen sind. Wir sind auch dankbar, dass wir die Chance bekamen, wieder Fußball zu spielen. Dennoch ist es für uns als Verantwortliche schwierig, zu planen. Wir arbeiten mittlerweile mit der sechsten Zuschauerzahl. Im Cup spielten wir vor 1.250, dann bei grüner Corona-Ampel waren 10.000 zulässig, bei Gelb 5.000 und bei Orange 500. Dann waren es plötzlich 3.000, und jetzt sind es 1.500. Wir nehmen das Virus total ernst. Aber uns fehlt hier die Logik. Wir haben immer wieder gehört, dass im Freien die Ansteckungsgefahr geringer ist als indoor. Warum sind dort 1.000 möglich und Outdoor 1.500 – dafür fehlt uns das Verständnis.
Ein Kritikpunkt der Politik war, dass die Fans vor und nach dem Spiel beim Wirten oder Würstelstand zuhauf zusammenstehen.
Peschek: Das Stadion ist unser Einflussbereich, dort haben sich die Fans sehr verantwortungsvoll verhalten. Außerhalb gibt es jedoch andere Verantwortliche. Wir können nicht jedem, der beim Wirten ein Rapid-Kapperl aufhat, sagen, was er zu tun hat.
Die Austria kann ein Lied von den sich schnell ändernden Maßnahmen singen. Vor dem Spiel gegen Salzburg waren zunächst 3.000, dann 1.500 und plötzlich doch 3.000 Zuschauer zugelassen. Die von Ihnen gewünschte Planbarkeit sucht man vergeblich.
Kraetschmer: Das ist das große Problem für uns alle, wenn wir Planbarkeit und Klarheit nicht bieten können. Am Montag kam die Zuschauerreduktion, wir mussten umplanen, Fans und Partner ausladen. Und dann musst du in einer Nacht-und-Nebel-Aktion wieder reagieren, weil die Verordnung verschoben wurde. Ein Match zu planen ist ja nicht, als würden sich elf Leute zum Kicken treffen. Es geht um die Sicherheit oder die Gastro. Bei allem Verständnis für die Maßnahmen, wir hätten gerne eine gewisse Logik dabei. In den ersten 64 Liga-Spielen gab es keinen Corona-Cluster. Fußball vor Fans ist unsere Geschäftsgrundlage.
Wie schwer ist es logistisch und auch emotional, treue Fans auszuladen?
Kraetschmer: In diese Phase kommen wir, das macht es für alle schwer. Im Frühjahr hatten wir von den Fans viel Solidarität. Jetzt müssen wir Leute immer mehr enttäuschen. Ohne Planung werden die Fans verunsichert. Wir kennen noch nicht den Kollateralschaden für die Zukunft.
Rapid hat den höchsten Zuschauerschnitt in Österreich – und auch die größte Fallhöhe, wenn es auf 1.500 runtergeht. Wie sehr schmerzt das?
Peschek: Das grün-weiße Herz blutet da. Es ist ein emotionaler und wirtschaftlicher Schaden. Bei 1.500 Zuschauern ist es für uns ganz schwer, überhaupt vernünftige Lösungen zu finden. Wir sind traurig und frustriert. Ich verstehe die Absolutzahlen nicht. Klüger wäre es, sich an der jeweiligen Stadionkapazität zu orientieren. Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Dieses Pauschalisieren ist für mich nicht nachvollziehbar.
Ein Spiel vor 1.500 Zuschauern ist für Rapid defizitär. Welche Summe verlieren Sie?
Peschek: Schon bei 3.000 ist es defizitär, weil wir gewisse Grundkosten haben. Wir reden übers Jahr gesehen von einem Schaden im zweistelligen Millionenbereich. Das Europacup-Spiel gegen Arsenal hätte einen Umsatz gebracht von einer Million Euro. 1.500 Zuschauer bringen 75.000 Euro.
Hat die Kultur die bessere Lobbyarbeit als der Sport?
Kraetschmer: Das würde ich nicht sagen. Die Bundesliga-Klubs haben gemeinsam mit Vorstand Christian Ebenbauer ein tolles Konzept erarbeitet. Es passt auch indoor die Verhältnismäßigkeit nicht bei 1.000 Leuten beim Tennis in der Stadthalle mit 10.000 Plätzen im Vergleich zur Staatsoper mit knapp 1.800 Plätzen. Unsere Stadien sind für Familien konzipiert, mit Sicherheit und Hygienevorkehrungen. Das wurde in den letzten Tagen und Wochen weggewischt. Wenn generell regionale Maßnahmen wegen Corona gesetzt werden, warum auch nicht im Fußball?
Wie lange halten die Vereine diese Situation aus?
Peschek: Der Fonds für den Sport ist vor diesem Hintergrund schon sehr wichtig. Für diese Unterstützung sind wir sehr dankbar. Als Sportvereine sind wir aber auch ein gesellschaftlicher Kitt, wir leisten Integratives. Aber wir sind auch ein Wirtschaftsfaktor. Rapid hat eine Bruttoregional-Wertschöpfung von 48 Millionen Euro, einen fiskalischen Effekt von 20 Millionen. Wir sichern 700 Arbeitsplätze in Wien. Allein deswegen macht es Sinn, die Klubs zu unterstützen. Das Coronavirus wird einige Narben hinterlassen. Wir planen mit einer Normalität im Sommer 2021, aber die Folgen werden wir noch Jahre spüren.
Haben Sie Angst, Fans dauerhaft zu verlieren?
Peschek: Natürlich, mit dieser Frage setzen wir uns intensiv auseinander. Es macht uns Sorge, weil wir aktuell dauernd Menschen enttäuschen müssen. Wir arbeiten an Konzepten, um Bindungen zu den Fans aufrechtzuhalten.
Ende November findet das Wiener Derby in Hütteldorf statt. Stand jetzt vor 1.500 Zuschauern. Wie groß ist da die Vorfreude?
Kraetschmer: Die Vorfreude auf ein Derby ist immer groß, vor allem, weil wir in den letzten Jahren weniger Derbys hatten aufgrund unserer sportlichen Performance, das muss man ehrlich sagen. 1.500 Fans in einem so großen Stadion, das ist sicher frustrierend. Aber wir sollten nicht jammern.
Peschek: Wir freuen uns auf ein Derby, noch mehr würden wir uns über einen Sieg freuen. Aber es ist natürlich nicht dasselbe wie sonst.
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