Auf der Jagd nach Fangesängen

Auf der Jagd nach Fangesängen
Der Engländer Michael Dennis reist um die Welt und sammelt die Gesänge der Fußballfans.

Es kann schon einmal passieren, dass Michael Dennis im Stadion sitzt und ein Tor verpasst. Es ist auch schon vorgekommen, dass er erst am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren hat, was für einem spektakulären Match er da eigentlich beigewohnt hat.

Aber deswegen kommt er auch nicht ins Stadion, Ballstafetten, Doppelpässe, Tore, solche Sachen sind Michael Dennis ziemlich wurscht. Sein Match findet auf den Tribünen statt, seine Passion ist die Leidenschaft der Fans. "Es fasziniert mich, wenn die Anhänger zu singen beginnen", meint der selbst ernannte Fußball-Globetrotter.

Michael Dennis schaut ein Fußballspiel nicht an, er hört es sich an. Kein Schlachtruf aus dem Fan-Sektor entgeht seinen Ohren, jede Melodie weckt sein Interesse. So hat er bereits mehr als 20.000 verschiedene Fangesänge auf seiner Homepage gesammelt. Allein im letzten Jahr bereiste Michael Dennis 45 Länder auf vier Kontinenten und wurde dabei Ohrenzeuge Hunderter Fußballspiele. "Zehn Spiele in einer Woche sind keine Seltenheit", sagt der Engländer.

12.000 englische Schlachtgesänge

Der KURIER erreicht den Fan-Forscher auf einer Expedition durch Kolumbien. Mit einem Campingbus tingelt Michael Dennis wochenlang durch das südamerikanische Land und zeigt sich begeistert von der Begeisterungsfähigkeit der kolumbianischen Anhänger. "Hier in Südamerika hörst du die schönsten Melodien", sagt der fanatische Engländer und schwärmt.

Die ironischsten Liedtexte hat er dafür in seiner Heimat England ausgemacht, wo er insgesamt knapp 12.000 unterschiedliche Schlachtgesänge registriert hat. In seiner persönlichen Hit­parade ist ein Song über den italienischen Exzentriker Mario Balotelli die klare Nummer eins. "Der Text geht auf seine Grasallergie und auf seine Fähigkeiten im Darts ein, weil er einmal mit Pfeilen nach Nachwuchsspielern geworfen hat", schmunzelt Michael Dennis.

Eine weitere Lieblingshymne kommt aus einem fußballverrückten Land, das in unseren Breitengraden im völligen Abseits steht: Indonesien. "Unvorstellbar, was für eine Begeisterung in diesem Land herrscht. In unserer Hitparade ist ein Fansong des Vereins PSS Sleman gerade ganz vorne."

Österreichische Überraschung

So beeindruckend die Expedition nach Indonesien, so ernüchternd die Hörprobe aus dem Estadio Bernabéu von Real Madrid. "Die Spanier sind generell enttäuschend. Bei Real spürst du wenig Begeisterung, und die Fans von Villarreal hatten überhaupt gar kein Lied auf Lager."

Die Weltreise führte Michael Dennis auch bereits nach Österreich, in seiner Datenbank sind mittlerweile mehr als 40 heimische Fangesänge gespeichert. "Österreich war für uns eine große Überraschung, weil wir nicht damit gerechnet hatten, in diesem Land so einfallsreiche Fans anzutreffen", sagt der Engländer, der auf seinen Reisen von Stadion zu Stadion auch so manches Abenteuer erlebt.

Vor allem, weil er aus Kostengründen nicht in luxuriösen Hotels nächtigt, sondern am Straßenrand im Campingbus. "So zu reisen ist spannend, aber man stolpert automatisch immer wieder in brenzlige Situationen", berichtet Michael Dennis, "inzwischen sind wir schon neun Mal ausgeraubt worden." Interessanterweise fühlt sich der umtriebige Engländer mittlerweile in Spanien am unwohlsten. "In Spanien hat man uns innerhalb von drei Monaten vier Mal ausgeraubt. Einmal wurden wir sogar mit Lachgas betäubt."

Doch all die Strapazen und Problemchen nimmt der abenteuerlustige Michael Dennis gerne in Kauf. Er hat längst die nächste Destination im Visier: Nicht Camp Nou oder Old Trafford, es geht nach Asien. Für Dennis ein Paradies. "Die Fans dort sind begnadete Sänger."

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