Juventus ohne die Agnellis wäre nicht Juventus. Seit fast 100 Jahren hat die Turiner Unternehmerdynastie beim italienischen Rekordmeister das Sagen. Andrea Agnelli ist auch schon der vierte Juve-Präsident mit dem Familiennamen Agnelli – nach Vater Umberto, Onkel Gianni und Großvater Edoardo. Der Sohn des FIAT-Gründers Giovanni Agnelli übernahm seinen dahinsiechenden Lieblingsklub 1923. Es sollte eine sportliche Erfolgsgeschichte werden, die sein Enkel nun seit elf Jahren weiterschreibt.
2010 war Andrea Agnelli von seinem Neffen zweiten Grades, John Elkann, in das Präsidentenamt gehievt worden. Das Oberhaupt des Industriellen-Clans war unter Druck gehalten. Bei Juventus lief es sportlich nach turbulenten Jahren mit dem Zwangsabstieg wegen eines Manipulationsskandals trotz sofortigen Wiederaufstiegs in die Serie A nicht so, wie es sich die weltweit gut 200 Millionen Juve-Fans erwarten.
Beruhigungspille
Der Name Agnelli sollte diese beruhigen. Und der 1975 in Turin geborene Andrea war dem Klub auch viel näher als sein in Großbritannien, Frankreich und Brasilien aufgewachsener Verwandter, der dazu mit der Umstrukturierung des Familien-Konzerns beschäftigt war. Andrea Agnelli hielt, was sich die Fans von seinem Familiennamen erwartet hatten: Juve wurde wieder die Nummer 1 in Italien. Seit 2012 sind nur die Turiner Meister geworden – eine Erfolgsserie, die in diesem Jahr zu Ende gehen könnte. Aktuell liegt der große Rivale Inter Mailand auf Meisterkurs.
In Europa hinkt Juventus den erfolgreichen Zeiten hingegen nach, obwohl mit Cristiano Ronaldo einer der weltbesten Spieler mittlerweile die dritte Saison bei den Turinern spielt. Seit 1996, als zuletzt die Champions League gewonnen werden konnte, wartet Italiens Rekordmeister auf einen großen Titel. Andrea Agnelli hat hingegen als Fußball-Funktionär auch in Europa Karriere gemacht. Seit 2017 steht er als Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge der European Club Association (ECA) vor und ist in seiner Funktion federführend bei jener geplanten Reform, die die Champions League von Grund auf verändern wird.
Ab 2024 werden 36 statt 32 Klubs dabei sein. Das soll fix sein – genauso wie die Abschaffung der Gruppenphase. Es wird dann nur mehr in einer Liga gespielt, in der natürlich nicht jeder gegen jeden antritt. Für den Aufstieg gibt es zwei Varianten: Die besten acht Teams der Gesamttabelle erreichen direkt das Achtelfinale, die 16 folgenden Teams tragen ein Play-off um die restlichen acht Plätze aus. Oder die 16 besten Teams stehen im Achtelfinale. Alle Teilnehmer hätten zehn (oder zumindest acht) statt wie bisher sechs Spiele vor der ersten K.-o.-Runde. Das soll höhere Einnahmen garantieren. Darum geht es letztlich natürlich auch bei dieser Reform. Agnelli pries sein Lieblingsprojekt nach der ECA-Versammlung Anfang März jedenfalls einmal begeistert an: „Jeder hat die Schönheit des neuen Modus erkannt.“
Hintertür
Dass die Planungssicherheit der großen Klubs im Vordergrund steht, beweist jener Plan, nach dem zwei der vier zusätzlichen Startplätze verteilt werden sollen. Dafür soll das Zehnjahresranking der UEFA maßgeblich sein, in dem die Vereine aus den Topligen die vorderen Plätze belegen. Sollte so ein Klub einmal schwächeln, dann würde er über diese Hintertür in die Champions League kommen, auch wenn er sich nur für die Europa League oder die neue Conference League qualifiziert hätte. Dies ist umstritten. Dagegen hat sich auch die nicht ganz so mächtige Vereinigung der europäischen Profiligen (EPFL) klar positioniert, die zumindest drei der zusätzlichen Startplätze Meistern aus kleineren Ligen zukommen lassen will. Wer sich durchsetzt, wird wohl noch vor dem UEFA-Kongress am 20. April in Montreux klar sein.
Für Andrea Agnelli ist Fußball nicht nur Leidenschaft – wie einst für seinen legendären Onkel Gianni. Der war in jungen Jahren Juve-Präsident (1947 bis 1954), ließ dann das Tagesgeschäft sein, zog im Hintergrund aber jahrzehntelang die Fäden. Er ließ sich mit dem Hubschrauber zum Training fliegen, um den Juve-Stars auf die Schultern zu klopfen, er sah den Klub als Hobby.
Sein Neffe denkt da anders. Er machte aus Juventus ein Fußballunternehmen, das er auch mit einem vereinfachten, an das digitale Zeitalter angepassten Logo neu positionierte. Der Umsatz stieg von 154 (2010/’11)auf bis zu 460 Millionen (2018/’19). Wegen Covid ist aber nicht nur dieser geschrumpft. Im vergangenen Geschäftsjahr betrug das Minus 90 Millionen Euro. Aber auch in dieser angespannten Lage hilft ihm sein Familienname. Dass dieser eine Zukunft hat, dafür hat er gesorgt: Andrea Agnelli war bei seinem Amtsantritt bei Juve noch das letzte männliche Mitglied der Großfamilie, das diesen Namen trug. Mittlerweile ist er Vater eines Sohnes.
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