Nach der WM ist vor der WM: Es herrscht Katar-Stimmung
Nach der WM ist vor der WM: Russland 2018 ist seit gestern Geschichte, das kommende Turnier 2022 in Katar wird gleich aus mehreren Gründen Neues bringen. Erstmals in der Geschichte wird die FIFA den Fußballfans den Weltmeister knapp vor Weihnachten bescheren, weil man den sommerlichen Temperaturen im Wüstenstaat mit bis zu 50 Grad ausweichen muss.
Rund um die WM am Persischen Golf herrscht einige Verstimmung, von der zwielichtigen Vergabe bis hin zu den Arbeitsbedingungen für die vielen Gastarbeiter auf den Baustellen. Glenn Jäger zeichnet in seinem Buch „In den Sand gesetzt“ auf 311 Seiten ein ernüchterndes Bild von Katar, der FIFA und der Vergabe der WM 2022. Nach der Lektüre stellt man sich nicht mehr die Frage, weshalb eine WM in ein Land vergeben wurde, das ganz und gar keine Tradition im Fußball vorzuweisen hat.
Dubiose Geschäfte
Warum? Weil es einerlei erscheint und sich alles relativiert ob der Fakten, die vorgelegt werden. Die allgemeine Kritik erweckt den Eindruck der Scheinheiligkeit, weil es nicht um den Fußball oder die WM allein, sondern um viel größere Zusammenhänge geht. Viele westliche Länder sehen Katar als wahre Oase, was die geschäftlichen Beziehungen betrifft. Eine grundsätzliche Kritik vieler Veröffentlichungen und Kommentare aus der „alten Fußballwelt“, sprich Westeuropa, bezieht sich auf das wenig transparente Abstimmungsverhalten der Mitglieder des FIFA-Exekutivausschusses. Autor Jäger serviert in seinem Buch viele Indizien, die auf einen umfangreichen Stimmenkauf von Seiten Katars hindeuten.
Dabei reichte die Einflussnahme bis in höchste politische Kreise. Frankreichs Präsident Sarkozy soll sich ebenso wie sein deutscher Amtskollege Christian Wulff für die WM in Katar ausgesprochen haben. Nach der Vergabe gab es zufälligerweise Milliarden-Aufträge für französische und deutsche Unternehmen im Baugewerbe, so auch beim Ausbau des Schienennetzes in der Wüste.
Intensiver Doppelpass
Der Zuschlag für Katar 2022 kam nicht von ungefähr und für Insider auch wenig überraschend, zu lange drängt das Land schon in den internationalen Fußball. Pep Guardiola soll elf Millionen Euro erhalten haben, um den Sponsordeal für den FC Barcelona einzufädeln. Zinédine Zidane konnte man als Testimonial für die WM-Bewerbung gewinnen, jetzt ist der Ex-Real-Trainer im Gespräch als Teamchef von Katar in Hinblick auf die WM. Das Land strebt Unabhängigkeit an – von den Rohstoffen, die dem Staat unermesslichen Reichtum bescheren. Im Projekt „Katar 2030“ spielt der Sport eine wichtige Rolle, um den Tourismus anzukurbeln. Die Fußball-Weltmeisterschaft stellt dabei den absoluten Höhepunkt dar. Zu vielversprechend sind die Geschäfte für den Westen, als dass er ernsthaft gegen die üblen Arbeitsbedingungen für die Gastarbeiter auf dem WM-Baustellen vorgehen würde.
Wer bei den gern gesehenen Dollars die Hände aufhält, kann gleichzeitig nur schwerlich beanstanden, dass Katar in die Kriege im Jemen, in Libyen und in Syrien verwickelt ist. Die USA haben ihren größten Militärstützpunkt im arabischen Raum – richtig, in Katar.
Die romantische Einstellung, bei der FIFA-WM ginge es ausschließlich um den Sport in einem Land mit Fußball-Tradition, steht jedenfalls schon seit langer Zeit klar im Abseits.
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