Island gegen Argentinien: „Dann geht die Insel unter“

Island gegen Argentinien: „Dann geht die Insel unter“
Ein Sieg Islands gegen Argentinien? Die Folgen wären unabsehbar. Ein Lokalaugenschein von Bernhard Hanisch.

Spartakus steht und steht, was könnte ihn schon umhauen? Schön anzusehen ist er nicht, vom einstigen Kampf gegen die Römer ziemlich zerfleddert, doch 25 Meter in den Himmel ragende Mächtigkeit vermittelt die Bereitschaft zum ewigen Aufstand. Und weil er als Monument vor dem Spartak-Stadion von Moskau zu dienen hat, haben sie ihn eben dort positioniert. Festgegossen an einen riesigen Fußball.

Widerstand, Auflehnung, Mut, keine Verzweiflung. In die Fußball-Historie wird dieser Stoff heute gemeißelt, im Spiel der Isländer gegen die von einem gewissen Lionel Messi angeführte Übermacht. Island, mit 348.000 Einwohnern kleiner als Vorarlberg, sowieso das kleinste Land, das jemals an einer WM teilgenommen hat, bei der EM 2016 die Österreicher nach Hause schickte, die Briten bis auf die Knochen blamierte, fordert mit „Huh“-Gebrüll die Argentinier heraus. Am Mittwoch, in Moskau, im Stadion von Spartak (15.00 Uhr MESZ/live ORFeins).

Begehrt

Die Männer aus dem Norden gelten als internationale Sensation, haben 4500 ihrer Landsleute und eine Menge Sympathien nach Russland mitgebracht. Dementsprechend groß und raumerhitzend ist der Ansturm bei der abschließenden Pressekonferenz.

Heimir Hallgrímson, der Trainer, und sein Kapitän Aron Gunnarsson genießen die Neugierde. „Als ich hier hereinkam, ist mir bewusst geworden, wie groß das alles ist“, sagt der Legionär aus dem walisischen Cardiff.

Ein Journalist aus Kolumbien erzählt, aus seinem Land seien Fans nach Russland gekommen, nur um Island zu sehen. Hallgrímsson, der im richtigen Leben einmal ein Zahnarzt war, weiß um die weltweite Popularität. Eine Erklärung? „Wir machen einiges anders, worüber sich viele Länder vielleicht wundern.“ Und er fügt grinsend hinzu: „Wir haben noch nie jemanden überfallen und sind möglicherweise irgendwie liebenswert.“

Anders und mit Sicherheit inniger ist das Verhältnis zwischen Team und Fans. Vor jedem Heimspiel erscheint der Trainer in einem Pub unweit des Stadions von Reykjavik, um eine Stunde vor der offiziellen Bekanntgabe seine Aufstellung zu verkünden. „So etwas funktioniert nur, weil das gegenseitige Vertrauen so groß ist.“

Was sich denn geändert habe nach der Europameisterschaft in Frankreich? „Wir sind um zwei Jahre älter“, stellt Gunnarsson rein rechnerisch fest. Für den Trainer bedeutet dies, in einem Lernprozess die richtigen Schlüsse gezogen zu haben, „denn in Frankreich wussten wir nicht, wo wir da überhaupt gelandet waren. Das Adrenalin spielte eine entscheidende Rolle.“

„Aber“ – und auf diese Feststellung legt Hallgrímsson großen Wert – „Wunder ist das keines gewesen. Und ist es auch jetzt nicht. Es ist ein Produkt des Teamworks, wir haben gute Betreuer und gute Spieler, wir sind eine Einheit.“ Der beachtliche Rang 22 im FIFA-Ranking könne schließlich kein Irrtum sein. Nebenbei bemerkt, als Gruppenerster der Qualifikation wurde das WM-Ticket gelöst.

Unfair

Weiterentwicklung lautet das Credo. Völlig egal, mit welchen Resultaten man Russland wieder verlassen werde. Die eigenen Stärken müssten im Vordergrund bleiben, obwohl „die Gegner unser Spiel längst genau studiert haben“. Ein Team, stark wie Argentinien, habe es aber nicht nötig, sich mit Island zu beschäftigen. „Wir hingegen müssen uns alle um Messi kümmern und uns gegenseitig helfen. Es wäre extrem unfair, das einem Einzelnen zu überlassen.“ Was denn passieren würde, sollten die Isländer das übermächtige Argentinien schlagen? Kristinn Páll Teitsson, einer von 27 mitgereisten isländischen Journalisten, müsste jedenfalls seinen Rückflug streichen.

„Denn dann“, so sagt er, „geht die Insel unter.“

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