Vom Obdachlosen zum Goalie, der Ronaldos Elfer parierte
Der Iran verabschiedete sich nach dem 1:1-Unentschieden gegen Portugal von der WM. Nur ein weiteres Tor hätte der vom Portugiesen Carlos Queiroz trainierten iranischen Truppe genügt, um den Europameister in der Gruppe hinter sich zu lassen und damit selbst ins Achtelfinale einzuziehen. Wegen der vergebenen Chance, Historisches zu schaffen, sah man nach dem Schlusspfiff in der Mordowia Arena in Saransk viele traurige Spieler in Weiß. Doch einer, der Blau trug, ragte bei der "Trauerfeier" auf dem Rasen heraus.
Dabei hatte Alireza Beiranvand am wenigsten Grund, niedergeschlagen zu sein. Hatte der iranische Schlussmann doch zuvor einen Elfmeter des Weltfußballers Cristiano Ronaldo pariert und ansonsten auch eine starke Vorstellung abgeliefert. Doch der Ehrgeiz des Herrn Beiranvand kann sich mit solchen "Teilerfolgen" nicht zufrieden geben. Er trieb ihn immerhin von der Straße weg zum Helden auf der großen Fußballbühne.
Weg von daheim
Beiranvand stammt aus einer Nomadenfamilie und wuchs in der gebirgigen Provinz Lorestan auf. Mit der Schafherde ging es von Ort zu Ort, immer auf der Suche nach Grasland. Als ältester Sohn musste Alireza schon früh selbst Schafe hüten.
Als er zwölf war, ließ sich die Familie in einem Vorort der Provinzhauptstadt Chorramabad endlich nieder. Alireza schloss sich dort dem lokalen Fußballteam an, wo er zuerst im Sturm eingesetzt wurde, nach der Verletzung des Stammgoalies aber ins Tor wechselte. Dort sollte er auch bleiben.
Beiranvands Vater hielt jedoch überhaupt nichts davon, dass sein Sohn eine Fußballerkarriere anstrebte. "Er wollte, dass ich arbeite", verriet der heute 25-Jährige gegenüber der englischen Zeitung Guardian und erinnerte sich: "Er zerriss sogar meine Handschuhe, so dass ich manchmal mit bloßen Händen spielen musste."
Eines Tages entschloss sich Beiranvand, seinem alten Leben den Rücken zu kehren und wagte den Sprung in die Selbständigkeit. Er lieh sich von einem Verwandten Geld, verließ das Elternhaus und setzte sich in den Bus nach Teheran. Dort angekommen, war der Jugendliche ganz auf sich allein gestellt. Ohne Geld und Unterkunft musste er auf der Straße schlafen, meistens im Schatten des Freiheitsturms, dem bekanntesten Wahrzeichen der iranischen Hauptstadt, erzählt Beiranvand im
Neustart
Vahdat FC hieß der kleine Klub in Teheran, bei dem der 194 cm große Tormann zuerst mittrainieren durfte. Von da an ging es auch privat bergauf, Beiranvand musste die Nächte nicht mehr auf der Straße verbringen. Der Vater eines Mannschaftskollegen ließ ihn in seiner Textilfabrik arbeiten, wo er auch übernachten durfte.
Seinen nächsten Job bekam er in einer Autowaschanlage, wo der Legende nach auch Irans Fußballlegende Ali Daei zu den Stammkunden zählte. Beiranvands Kollegen sollen ihn dazu ermuntert haben, den ehemaligen Bayern-München-Stürmer anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Doch der großgewachsene junge Mann war zu schüchtern.
Mit 16 hatte Beiranvand immer noch keine feste Unterkunft, aber das Glück, einen Trainer des iranischen Erstligisten Naft Teheran kennengelernt zu haben. Der Klub gab ihm eine Chance, ließ ihn zudem in einem Gebetsraum unterkommen. Auch beruflich veränderte er sich immer wieder: Auf den Job als Kellner in einer Pizzeria folgte die Stelle als Straßenreiniger.
Durchbruch
Den Traum von einer Profifußballer-Karriere ließ er allerdings niemals links liegen und machte trotz der schwierigen Ausgangslage Fortschritte. Erst wurde er die Nummer eins im U23-Team von Naft, wenig später gelang ihm der Durchbruch bei den Profis.
2015 gab er sein Länderspieldebüt, 2016 folgte der Wechsel zum Spitzenklub Persepolis. Inzwischen hat er bereits 22 Auftritte für sein Land auf dem Konto und spätestens seit dieser WM gute Aussichten, in seiner Karriere weiter voranzukommen. An Ehrgeiz fehlt es dem jungen Mann, dessen Markenzeichen der weite Abwurf ist, jedenfalls nicht.
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