Die große Nummer 7 und ihre zehn Statisten
Das Thema scheint unerschöpflich, João Ricardo Pateiro hat seit einer halben Stunde das Mikro in festem Griff und redet. Es ist ein Name, der es zu häufiger Erwähnung in seinem Wortschwall bringt. Ronaldo. Logisch.
Wer sonst?
Pateiro, Reporter des portugiesischen Radiosenders TSF , nimmt die Brille ab, reibt sich die Augen und kennt die einzige Wahrheit: „Die Leute in Portugal lieben ihn. Es gibt viele Prinzen im Fußball. Di Stefano, Pelé, Maradona Zidane, Messi sind Götter. Und Ronaldo ist einer von ihnen.“
Es ist wieder Ronaldo-Show. Im Moskauer Luschniki-Stadion, Portugal gegen Marokko, ein Spiel der Gruppe B, liefert dazu den Inhalt des Rahmenprogramms.
Das Publikum will ohnehin keine Überraschungen, wenn es um Heldenepen geht. Ronaldo macht einfach dort weiter, wo er zuletzt aufgehört hat. Er trifft. Das Spiel dauert keine vier Minuten, da ist es wieder geschehen. Ein Eckball, träumende Marokkaner, der ideale Schleichweg vors Tor, ein Kopfball. Sein viertes Tor im laufenden Turnier – drei Mal war der Real-Star bereits zum Auftakt gegen die Spanier erfolgreich . Portugals Nummer 7 setzt sich eine weitere Krone auf – 85 Länderspiel-Treffer bedeuten alleinigen europäischen Rekord.
Effizient
Die Diva des Fußballs bleibt dieses Mal im Rampenlicht ohne zu glänzen. Das genügt. Zehn Statisten aus Portugal freuen sich mit ihm über vier WM-Punkte, die sie auf sich alleingestellt nie auf ihrem Konto hätten.
Weil aber ein muskelbepackter, sogar als Gott verehrter Strahlemann nicht ausreicht für eine spannungsgeladene Aufführung, übernahm ein 81-jähriger, eigentlich in die Verbannung geschickter Mann, die Rolle des Provokateurs. Sepp Blatter kam tatsächlich von Zürich nach Moskau angeflogen. Vom Veranstalter des Spektakels, der FIFA, deren Präsident er einst gewesen war, wurde er für sechs Jahre gesperrt. Aber wen kratzt das schon, wenn man eine Einladung von höchster russischer Stelle in Händen hält? Blatter war Gast von Wladimir Putin und zwang damit FIFA-Präsident Gianni Infantino in die Rolle des betretenen Schweigers.
In den von der FIFA gesteuerten TV-Bildern kam Blatter nicht vor.
Ronaldo schon. Als alleiniger Entscheidungsträger. Er hat es gerichtet, stellvertretend für sein Team, das gegen hoch motivierte Marokkaner ihre Nöte hatte.
Genügsam
Ronaldo sollte in der zweiten Halbzeit noch zwei Gelegenheiten bekommen. Doch er bleibt Schütze des einzigen Tors und besiegelt die Heimfahrt der Nordafrikaner nach der Gruppenphase, weil Younes Belhanda und Mehdi Benatia ihre Ausgleichschancen nicht nützen. „Messi, Messi“, schreien Marokkos Fans, wohl eher ein Akt der Verzweiflung als gelungene Provokation.
Ronaldo wird „Man of the Match“, weil es an diesem Tag keinen besseren geben sollte. Keine göttliche Offenbarung, eher von irdischer Schlichtheit sein Resümee: „Wir haben in unserer Gruppe das erste Ziel erreicht. Aber wir müssen weiter an uns arbeiten.“
Egal. Für João Ricardo Pateiro nichts Neues. „Ronaldo sei der absolute Star und die anderen akzeptieren das ganz einfach“, sagt er. Das gelte auch für seine Zukunft. Kein Mensch in Portugal wisse, ob er Real verlassen, wohin es ihn ziehen würde. „Das weiß nur Ronaldo selbst.“
Dann nimmt der Radio-Mann wieder sein Mikro in die Hand, dreht sich noch einmal um und meint über die Chancen des portugiesischen Teams: „Das ist wie in der der Formel 1. Wir starten aus der dritten Reihe und überholen vielleicht alle. “ Ja, Portugal könne Weltmeister werden.
Jetzt übertreibt es Herr Pateiro doch etwas. Denn ein Gott alleine wird wohl zu wenig sein.
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