Belgien plant Brasilien-Coup: "Es ist unser Finale"

Die Belgier spielen am Freitag um ihr erstes Halbfinale seit 1986 und den ersehnten großen Sieg der "goldenen Generation".

Brasilien hat sich bei der Fußball-WM zuletzt immer mehr in die Rolle des Topfavoriten gespielt. Mit Belgien wartet im Viertelfinale von Kasan am Freitag (20.00 Uhr/live ORF eins) nun die erste richtig hohe Hürde. Denn die treffsicheren Belgier spielen um ihr erstes Halbfinale seit 1986 und den ersehnten großen Sieg einer bereits lange als "goldene Generation" titulierten Mannschaft.

Brasiliens Ausgangslage ist schnell umrissen: Im Land, das sein Selbstverständnis mitunter über Fußball definiert, wäre ein Out im Viertelfinale eine nationale Tragödie. Die Belgier fiebern zwar ebenfalls mit ihrem Starensemble, doch der Druck ist anderer Natur: Nicht die Nation als solche, sondern Belgiens "goldene Fußballer-Generation" steht auf dem Prüfstein. "Dass das Spiel gegen Brasilien für unsere Generation prägend ist, ist eine Tatsache", sagte Belgiens Abwehrchef Vincent Kompany.

Bereits zur WM 2014 und EM 2016 fuhr Belgien mit Titel-Ambitionen, konnte den großen Erwartungen aber nicht gerecht werden. Räumt Belgien nun die bisher so souverän wirkenden Brasilianer aus dem Weg, könnte es tatsächlich mit dem großen Wurf für Kompany, Kevin de Bruyne, Eden Hazard oder Goalie Thibaut Courtois klappen. Ein Halbfinale bei einem Großereignis haben die Belgier zuletzt 1986 erreicht, damals war gegen den späteren Weltmeister Argentinien Schluss (2:0). "Es ist nicht so, dass wir bisher versagt haben, aber es gibt noch ein Level über dem bisherigen", meinte Kompany. "Das können wir durch ein Spiel wie gegen Brasilien erreichen."

"Müssen auf uns schauen und unseren Job machen"

Die "Roten Teufel" planen Großes. "Brasilien ist einer der Turnierfavoriten, aber wir müssen nur auf uns schauen und unseren Job machen. Wenn du ein Turnier gewinnen willst, musst du jede Mannschaft schlagen", erklärte Mittelfeldstratege De Bruyne. Der 3:2-Achtelfinal-Sieg gegen Japan in letzter Sekunde hat eine Euphoriewelle ausgelöst. Eine, die sie nun über den Topfavoriten hinweg tragen soll. "Wir gehen ins Spiel, um es zu gewinnen. Der Einzug ins Viertelfinale hat überhaupt keine Bedeutung, wenn wir das nicht schaffen", sagte De Bruyne.

Kompany erwartet die bisher härteste Prüfung. "Brasilien ist das stärkste Team bei dieser WM, aber wir haben keine Angst", sagte der 32-Jährige. Der Abwehrspieler von Manchester City wird trotz mangelnder Spielpraxis und vereinzelten Schwächen im Defensivverhalten auch in Kasan in der Startelf erwartet. "Brasilien im Finale wäre mir lieber gewesen", betonte Kompany. "Aber nun ist das unser Finale." Das vorgezogene Endspiel solle seine Mannschaft, so Trainer Roberto Martinez, von der ersten Minute an genießen: "Ich glaube, es nimmt niemand an, dass wir das Semifinale erreichen."

Beide Teams können auf beachtliche Statistiken bauen. Brasilien ist seit 16 Matches ungeschlagen, Belgien sogar seit 22. Unter Martinez haben die Belgier nur dessen Debüt gegen Spanien verloren. Die Offensive funktioniert auch in Russland exzellent: Goalgetter Romelu Lukaku und Co. jubelten bereits zwölfmal und damit am öftesten. Brasilien aber blieb unter Teamchef Tite 19 Mal ohne Gegentor und wenn es hinten einschlug, dann jeweils höchstens nur einmal pro Spiel. Bei dieser WM hat die Selecao bisher - wie Uruguay - nur einen Gegentreffer (gegen die Schweiz) kassiert.

Neymar erneut im Fokus

Dass die "Canarinhos" (Kanarienvögel) so wenig zulassen, lag zu weiten Teilen auch an Mittelfeld-Stabilisator Casemiro, der gelbgesperrt fehlt. Lokale Medien erwarten Fernandinho von Manchester City als Ersatz neben Paulinho im defensiven Mittelfeld. Ob Außenbahn-Dauerläufer Marcelo, dessen Fehlen im Spielaufbau auch gegen Mexiko deutlich wurde, seinen Hexenschuss rechtzeitig auskuriert hat, wird sich kurzfristig entscheiden.

Im Fokus dürfte aber erneut Superstar Neymar stehen, der zuletzt immer besser wurde. Führt der 26-Jährige sein Team nun ins Halbfinale? Oder fällt sein Hang zur theatralischen Selbstinszenierung wieder überbordend aus? Laut dem Spieldaten-Provider "RTS" hat Neymar gestoppte 13:50 Minuten der WM-Spielzeit am Boden liegend oder sitzend verbracht. Die Aktionen des Dribbelkünstlers sind mediale Dauerthemen.

Vor dem Spiel sprangen Neymar, dem u.a. Mexiko-Coach Juan Carlos Osorio Schauspielerei - "eine Schande für den Fußball" - vorgeworfen hat, ehemalige Größen zur Seite. "Neymar, spiel wie immer und achte nicht auf Kommentare aus anderen Ländern, denn viele von diesen mussten schon nach Hause fahren", schrieb Rivaldo, der mit der Selecao 2002 Weltmeister geworden war, auf Instagram. "Wenn du wegen eines Fouls hinfallen musst, fall hin. Und wenn du auf dem Boden Zeit gewinnen musst, dann mach das."

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