Formel 1 in Sotschi: Die Welt der Diktatoren

Putins Spielplatz: 260 Millionen Euro kostete die Rennstrecke im Olympiapark von Sotschi. Für die Winterspiele selbst investierte Russland unter Präsident Putin mehr als 50 Milliarden Euro.
Putin und Ecclestone holten die Rennserie nach Russland. Dort sind sie in ihrem Element.

Auf der Strecke gehört dieses Rennen Lewis Hamilton. Zwei Grands Prix wurden auf dem Sochi International Street Circuit ausgetragen, zwei Mal gewann der Engländer, beide Male holte er danach den WM-Titel.

In jeder anderen Hinsicht allerdings gehört der Grand Prix von Russland (Sonntag, 14 Uhr, live ORF eins) Wladimir Putin. Der russische Präsident ließ es sich nicht nehmen, den Vertrag persönlich mit Bernie Ecclestone abzuschließen; 260 Millionen Euro wurden in die Errichtung der Formel-1-Rennstrecke investiert, die sich durch den Olympiapark von Sotschi schlängelt; ein Klacks im Vergleich zu den 50 Milliarden Euro, die die teuersten Winterspiele der Sportgeschichte 2014 gekostet haben. Nichts war Putin zu teuer, um sich selbst ein Denkmal zu setzen – und um sich selbst zu inszenieren.

"Nothing to say"

Stören darf dabei niemand. Verpönt sind Fragen zur Nachnutzung der olympischen Sportstätten und vor allem zur politischen Lage Russlands. Sotschi ist nur 300 Kilometer von der Halbinsel Krim entfernt. Fast kurios war die Situation, als 2014 beim ersten Rennen in Russland ein Journalist der New York Times (und Pulitzerpreisträger) es wagte, bei der Pressekonferenz eine dieser kritischen Frage zu stellen. Verwunderte oder leere Blicke erntete er vom Podium, auf dem die Teamchefs saßen. Die Antworten erschöpften sich in einem "nothing to say."

Formel 1 in Sotschi: Die Welt der Diktatoren
epa04973772 Russian President Vladimir Putin (L) chats with Formula One boss Bernie Ecclestone (R) during the 2015 Formula One Grand Prix of Russia at the Sochi Autodrom circuit, in Sochi, Russia, 11 October 2015. EPA/SRDJAN SUKI
Allzu kritische Stimmen sind auch Bernie Ecclestone nicht genehm. Im Reich des mächtigen Kremlchefs kehrt auch der 85-jährige Brite den starken Mann hervor. Denn der Status des einst unantastbaren Chefvermarkters bröckelt. Fahrer und Rennställe haben mittlerweile den Mut, sich vom Mister Formel 1 zu distanzieren.

Doch seit 40 Jahren ist Ecclestone ein Meister des Machterhalts, seine Befugnisse will er wieder erweitern. Das russische Sportblatt Sowjetskij Sport zitiert ihn: "Wir müssen zu den guten alten Zeiten zurückkehren, als wir begannen, die Formel 1 so aufzubauen, wie wir sie heute alle so gut kennen. Als ich ein Diktator war!"

Nach Ecclestones Ansicht haben vor allem Ferrari und Mercedes zu viel Macht. "Sie liefern die Motoren für viele andere Teams, und sie üben großen Einfluss auf sie aus."

Ins Schwärmen kommt Ecclestone nur, wenn es um andere starke Männer geht. In einem etwas bizarren Gespräch bei einer Podiumsdiskussion in London plädierte er "zu hundert Prozent" für einen Austritt Großbritanniens aus der EU. In den USA wäre Donald Trump als Präsident "fantastisch". Dafür solle Wladimir Putin Europa regieren.

Seinen Lieblingspräsidenten hofft Ecclestone am Sonntag zu treffen. Vermutlich wird Putin, geschützt von Scharfschützen auf den umliegenden Dächern, wieder die Siegerehrung beim umstrittensten Rennen des Jahres durchführen.

Diesen Titel wird Sotschi am 19. Juni allerdings schon wieder los sein. Denn dann gastiert die Formel 1 erstmals in Aserbaidschan, in Baku, der Heimat von Präsident Ilham Alijew. Bernie Ecclestone darf sich schon auf das nächste Autorennen bei einem Autokraten freuen.

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