Die knappsten WM-Entscheidungen der Formel 1
Nico Rosberg oder Lewis Hamilton - welcher der beiden Mercedes-Stars krönt sich am Sonntag zum Formel-1-Weltmeister? Beide Piloten haben noch rechnerische Chancen, auch wenn Rosberg dank seiner 12 Punkte Vorsprung die besseren Karten im WM-Duell hat. Dass ein Vorsprung vor dem letzten Lauf aber nicht zwangsläufig den Titel mit sich bringt, das hat die Formel 1 schon oft gezeigt...
1950: Farina holt den ersten Titel
Gleich die erste Formel-1-Saison der Geschichte endete mit einem echten Thriller. Vier Punkte Vorsprung hatte Juan Manuel Fangio vor dem letzten Rennen in Monza auf seinen Alfa-Romeo-Teamkollegen Giuseppe Farina. In einer Zeit, in der der Sieger eines Grand Prix gerade mal acht Punkte erhielt und überhaupt nur den ersten fünf Fahrern im Klassement Zähler gutgeschrieben wurden, schienen diese vier Punkte wie ein sicheres Polster.
1964: Der Motorrad-Fahrer, der Weltmeister wurde
Eigentlich hatte BRM-Pilot Graham Hill den Titel 1964 schon so gut wie sicher. Seine beiden britischen Landsleute John Surtees im Ferrari und Lotus-Star Jim Clark hatten bestenfalls noch rechnerische Chancen - Hill hatte 41 Punkte gesammelt, Surtees hielt bei 34 und Clark bei 30. Damals zählten jedoch nur die besten sechs von zehn Resultaten zum Klassement, sodass Hill effektiv nur 39 Punkte hatte. Bei neun Punkten für den Sieg hätte Clark gewinnen müssen, während Hill nicht punkten durfte.
Einen Mann hatte kaum jemand auf der Rechnung: Den Zweitplatzierten Surtees. Als vierfacher Motorrad-Weltmeister zählte er ohnehin eher zu den Kuriositäten im Starterfeld, einen seiner zwei Siege hatte er nur deshalb eingefahren, weil Hill und Clark ausgeschieden waren. Im letzten Rennen brauchte Hill nur einen dritten Platz für den Titel.
Bis zur vorletzten Runde: Dort gab der Motor seines Lotus den Geist auf, Guerney übernahm die Führung und Hill war wieder Weltmeister, lag Surtees doch nur auf Rang drei. Dann sprintete Enzo Ferrari zur Boxenmauer und signalisierte Bandini bei der Einfahrt in die letzte Runde, langsam zu machen und Surtees vorbeizulassen. Das tat der Italiener - und machte Surtees damit zum ersten und bis heute einzigen Weltmeister auf zwei und vier Rädern.
1984: Niki Lauda - der knappste Weltmeister
Zweimal war Niki Lauda schon Weltmeister geworden, nach zwei Jahren Auszeit hatte er 1982 sein Comeback gefeiert - und 1984 das dominante Auto zur Verfügung. Zwölf von sechzehn Saisonrennen gewann McLaren mit Lauda und dessen Teamkollegen Alain Prost. Kein Wunder, dass der Österreicher und der Franzose bis zum Schluss um den WM-Titel kämpften.
Der Grand Prix von Portugal sollte die Entscheidung im WM-Duell bringen: Prost lag in der WM an zweiter Stelle, mit 3,5 Punkten Rückstand auf Lauda. Dreieinhalb Punkte? Ja - denn beim Grand Prix von Monaco waren nur halbe Punkte vergeben worden, das Rennen musste nach 29 Runden wegen starken Regens abgebrochen werden. Den Sieg hatte damals Prost geholt.
1989 - 1990: Man trifft sich immer zwei Mal
Für viele ist es die berühmteste Rivalität der Formel-1-Geschichte - auch wenn sie anders als die Geschichte um Lauda und James Hunt aus dem Jahr 1976 (noch) nicht verfilmt wurde. Aber das Duell zwischen Ayrton Senna und Alain Prost hatte vor allem 1989 Brisanz, als die beiden beim überlegenen McLaren-Rennstall Teamkollegen waren.
Sechzehn Punkte betrug der Vorsprung von Prost vor dem vorletzten Rennen in Japan, bei maximal noch achtzehn zu vergebenden Zählern. Senna brauchte zwei Siege und im Idealfall zwei Ausfälle von Prost. Aber der Franzose führte in Japan sieben Runden vor Schluss, als Senna nach einer Aufholjagd zum Überholmanöver in der letzten Schikane ansetzte. Prost zog nach innen, die Autos kollidierten und starben ab. Senna konnte weiterfahren, wurde aber disqualifiziert - und Prost war trotz des Ausfalls Weltmeister.
Ein Jahr später, an selber Stelle, fast dieselbe Situation. Prost, mittlerweile Ferrari-Pilot, brauchte zumindest zwei zweite Plätze, Senna durfte nicht mehr in die Punkte fahren, andernfalls wäre der Brasilianer Weltmeister. Senna holte sich die Pole-Position, hatte damit aber die schlechtere Linie in die erste Kurve. Er kündigte an, gegen den als Zweiten startenden Prost jede Lücke zu nutzen - und tat das auch. Es kam zur Kollision, beide strandeten im Kiesbett - und diesmal war Senna Weltmeister.
1994: Schumacher und der Crash zum Titel
Das Jahr 1994 stand vor allem im Zeichen des Unfalltods von Ayrton Senna. Der Brasilianer, für viele heute noch der beste Formel-1-Fahrer aller Zeiten, hatte als großer Favorit auf den WM-Titel gegolten. Zum Zeitpunkt seines tödlichen Unfalls im dritten Saisonrennen in Imola lag Senna nach zwei Ausfällen aber punktelos an letzter Stelle im Klassement. Die Führung hatte da ein anderer inne - ein gewisser Michael Schumacher, Deuschlands größte Motorsporthoffnung.
Vor dem letzten Lauf im australischen Adelaide lag Schumacher nach zwei Disqualifikationen und zwei Sperren nur noch einen Punkt voran. Hill aber hatte das bessere Auto, machte Druck auf Schumacher und trieb den Deutschen in einen Fehler. Schumacher traf die Barriere und beschädigte sich die Vorderradaufhängung. In der nächsten Kurve wollte Hill innen vorbeiziehen - Schumacher verteidigte sich und traf den Boliden des Briten.
Beide schieden aus - und Schumacher war mit einem Punkt Vorsprung auf Hill Weltmeister. Es war der erste von sieben Titeln für den Deutschen - bis heute Rekordwert in der Formel 1.
2008: Für dreißig Sekunden Weltmeister
Das Formel-1-Finale in Brasilien 2008 wird vielen Fans als einer der emotionalsten Momente des Jahrzehnts in Erinnerung bleiben. Auf heimischem, brasilianischem Boden hatte Ferrari-Pilot Felipe Massa die Chance, mit einem Sieg Weltmeister zu werden, wenn McLaren-Pilot Lewis Hamilton bestenfalls Sechster wurde. Dann hätte der mit Punktegleichstand und einem Sieg mehr den Titel gesichert.
Und alles lief zu Gunsten Massas. Bei schwierigsten Bedingungen zeigte der Brasilianer eine bemerkenswerte Fahrt, fuhr überlegen zum Sieg. Als Massa über die Ziellinie kam, lag Hamilton mit knapp dreißig Sekunden Rückstand auf Massa auf dem sechsten Rang. In der Ferrari-Box brach grenzenloser Jubel aus. Und dann folgte die letzte Kurve. Hamilton holte auf den ins Rutschen geratenen Timo Glock auf, presste sich vorbei und war plötzlich Fünfter - und Weltmeister.
Der Brite krönte sich zum damals jüngsten Weltmeister der Geschichte, und Massa hatte auf dem Siegerpodest keine Gewalt über seine Tränen. Acht Jahre später beendet der Brasilianer zum Saisonende seine Karriere - zum WM-Titel hat es nie ganz gereicht, aber für dreißig Sekunden war er Weltmeister.
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