Der Feind im eigenen Team

Formula One - Australia Grand Prix - Melbourne, Australia - 20/03/16 - Australian Formula One Grand Prix winner, Mercedes F1 driver Nico Rosberg (R) speaks with team mate Lewis Hamilton at the post-race press conference in Melbourne. REUTERS/Brandon Malone
Der "Krieg der Sterne" verschärft sich erneut.

Schon zum dritten Mal in dieser Saison sind die Mercedes-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton am Sonntag auf der Strecke aneinandergeraten. Statt einer Siegesfeier stand beim Formel-1-Spitzenteam auch in Spielberg die leidige Suche nach dem Verantwortlichen im Vordergrund. Das war für Rosberg und Hamilton jeweils der andere. Im Paddock war die Schuldfrage aber ziemlich schnell geklärt.

Experten sahen Schuld klar bei Rosberg

Abgebrühte Beobachter hatten schon vor der letzten Runde geahnt, dass es auf dem Red-Bull-Ring fast unweigerlich noch zur Konfrontation kommen würde. Rosberg hatte von seinem ohnehin geringen Vorsprung im Österreich-Grand-Prix kontinuierlich verloren, Hamilton pirschte sich immer näher heran.

Auf der längsten Geraden setzte der Brite zum Überholversuch an und war außen eigentlich vorbei, als es in der Remus-Kurve zum Carbon-Kontakt kam. Rosberg zerstörte dabei seinen Frontflügel und hatte in der Folge keine Chance gegen den auf die Strecke zurückkehrenden Teamkollegen, dessen Auto unversehrt geblieben war. Statt des Sieg-Hattricks in Spielberg musste er sich mit Platz vier begnügen.

Die Experten, Ex-Fahrer und Zaungäste im Formel-1-Paddock machten fast unisono den Deutschen als Hauptverantwortlichen für den Crash aus. Rosberg habe zu spät eingelenkt. Vielleicht habe er den Spieß umdrehen wollen, um sich für ähnliche Manöver von Hamilton (Austin 2015, Montreal 2016) zu revanchieren, hieß es etwa auf "Sky Sports", wo man freilich den 250. Sieg eines Briten in der Formel 1 bejubelte.

Rosberg betonte Unschuld

Für den WM-Führenden sah die Sache freilich anders aus. "Ich habe die Innenseite verteidigt und habe mich in einer starken Position gefühlt. Ich bin tief in die Kurve gefahren, weil das der beste Weg zu dem Zeitpunkt war, meine Ecke zu verteidigen und ihn auf der Außenseite zu lassen. Natürlich muss ich ihm Platz lassen, das habe ich getan", erläuterte Rosberg. "Dann hat mich Lewis total überrascht und hat eingelenkt."

Hamilton verteidigte sich. "Ich habe eine Menge Platz gelassen. Ich habe nicht versucht, ihn in die Enge zu treiben. Ich bin gerade auf die weiße Linie zugefahren. Vielleicht war es seine Ecke, aber er hat einen Fehler gemacht und ist in mich reingefahren. Ich habe definitiv keine Schuld", entgegnete Hamilton, der von den Fans bei der Siegerehrung ausgebuht wurde. "Lewis hat nichts falsch gemacht", meinte auch Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Dass die FIA-Rennkommissare Rosberg mit einer Zehn-Sekunden-Zeitstrafe belegten, stützt diese Sichtweise.

"Das hat zwar keine Auswirkung auf mein Resultat, aber natürlich geben sie mir die Schuld, was Mist ist", bekannte Rosberg in einem Video für seine Social-Media-Fans. "Ich respektiere das, aber ich habe eine andere Meinung. Und ich kann sehen, dass die meisten von Euch auch eine andere Meinung haben."

Teamchef Toto Wolf kündigte Konsequenzen an

"Ich möchte keinem die Schuld zuweisen", sagte Mercedes-Sportchef Toto Wolff und versuchte, Rosbergs Verhalten mit einem Bremsdefekt zu verteidigen. "Am Ende der vorletzten Runde hat das Break-by-Wire versagt, natürlich reduziert das die Brems-Performance", erklärte der Wiener. "Er hat versucht dort zu bremsen, wo er normalerweise mit einer elektronischen Bremse bremst, die nicht mehr funktioniert hat." Dieses Argument wischte Rosberg aber selbst beiseite. "Ich war auch so überzeugt, dass ich das halte. Nichtsdestotrotz war alles unter Kontrolle."

Bleibt die Frage nach der untypischen, weil wenig deutlichen Lenkbewegung am Eingang der Kurve. Als Wolff vom TV-Experten Johnny Herbert mit entsprechenden Bildern konfrontiert und darauf angesprochen wurde, dass Rosberg sein Lenkrad nicht nach rechts gedreht habe, konnte der Österreicher nur leise zustimmen. "Aber Autos, die kollidieren, das ist für uns wie ein Deja-vu. Wir müssen Konsequenzen ziehen", sagte Wolff, der später im Mercedes-Motorhome offenbarte, dass er auch eine private Meinung habe. "Die werde ich aber nicht verraten."

Rosberg hatte noch eine andere, behelfsmäßige Erklärung parat. "Offenbar hat er in einem TV-Interview gesagt, dass ich in seinem toten Winkel war, weshalb er nicht sehen konnte, wo ich war. Vielleicht könnte das dann der Grund gewesen sein", spekulierte er. Dass das Thema mit dieser Sprachregelung abgehakt ist, darf bezweifelt werden.

Kommentare