Besuch in der Box: Viel gehört und wenig verstanden
Der Boden ist strahlend weiß lackiert, es riecht wie in einem Billig-Schuhgeschäft – nach Reifengummi. Die Kopfhörer filtern fast alle Umgebungsgeräusche, zu hören sind die Stimmen der beiden Ingenieure und der Fahrer. Gesprochen wird Englisch, doch man versteht nur Spanisch. "Szenario neun und 13 bitte. Wenn du auf deiner schnellen Runde bist, machen wir Szenario zehn. Frontflügel auf 32,7."
Der KURIER war zu Gast in der Box von Renault und bekam Einblicke, wie ein Training in der Formel 1 läuft.
Überraschung 1 Es sind hier sehr viele Menschen auf sehr wenigen Quadratmetern. Inklusive der beiden Fahrer Jolyon Palmer und Kevin Magnussen, die ständig in ihren Autos sitzen, sind es 41, darunter zwei Frauen. Eine ist Mechanikerin, die andere fokussiert ständig einen Wetter-Monitor.
Überraschung 2 Es gibt fast ebenso viele Monitore wie Menschen. Computer-Monitore, TV-Monitore, Monitore, die Wolkenformationen zeigen, Telemetrie-Daten oder die anderen Autos auf der Strecke.
Überraschung 3 Es ist sauber. Richtig sauber. Feinsäuberlich geordnet liegt jedes kleinste Werkzeug an seinem vorgesehenen Platz, ein Traum für jeden Hobby-Schrauber. Sobald ein Auto die Box verlässt, wird wieder der Boden gewischt. Weiß lackiert ist er, um auslaufende Flüssigkeiten an der Farbe erkennen zu können.
Überraschung 4Dass es in der Formel 1 um Tausendstelsekunden geht, ist bekannt. Doch auch das Verlassen der Box wird genau geplant. Ebenso, welche Runden wie schnell angegangen werden. Eine typische Anweisung des Ingenieurs: "Jolyon, 85 Sekunden. Schnell-Schnell-Langsam-Schnell-Schnell. Das gibt uns Flexibilität, was das Reifenmanagement betrifft. Kupplungseinstellung acht bitte. Start mit dem ersten Gang, Burnout in Kurve neun." – "Verstanden."
Überraschung 5Auch die moderne Formel 1 ist laut. Zwei Meter neben dem startenden Auto sind die 128 Dezibel trotz Ohrenschutz gerade noch erträglich. Die Vibrationen sind im Magen zu spüren.
Überraschung 6 Sobald die Autos die Garage verlassen haben, kehrt Ruhe ein. Kein hektisches Treiben, keine Aufregung. Ein Mechaniker kontrolliert den Luftdruck der gestapelten Reifen, ein paar tippen auf den Laptops herum, die meisten spielen auf ihren Handys.
Geschäftig wird es erst ab dem Kommando "Box, Box, Box". Die Handys werden eingesteckt, die Mechaniker erwarten das Auto vor der Garage. Sobald der Fahrer stoppt, wird der Motor abgedreht und Trockeneis vor die Kühlschlitze platziert. Ein Mann wischt die Karosserie sauber. Zentimetergenau wird das Auto auf die markierte Position geschoben, Wagenheber, Reifen runter, Fahrer raus. Das war’s.
Erkenntnisse?
... für den Reporter wenige. Zu komplex ist die Formel 1, zu kompliziert sind die Fahrzeuge, zu oft wird mit unverständlichen Fachausdrücken herumgeworfen.
... für den Formel-1-Piloten viele. "Dieser Freitag war äußerst produktiv", sagt Jolyon Palmer. "Jetzt habe ich das Auto endlich verstanden."
Na dann ...
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