Ein norwegisches Naturschauspiel namens Kilde
Als Aleksander Aamodt Kilde nach seiner Kreuzbandverletzung im Jänner verkündete, er wolle „noch stärker zurückkommen“, klang das nicht wie ein Versprechen, sondern viel eher wie eine Drohung.
Der Norweger war schon vor seiner Zwangspause ein Bär von einem Mann, mit einem Sixpack, der selbst den austrainierten Cristiano Ronaldo vor Neid erblassen lässt, und mit Oberschenkeln, so mächtig wie Baumstämme.
Wo sollte das nur hinführen, wenn der Kraftlackl nun notgedrungen noch mehr Zeit in der Kraftkammer verbringen würde, fragten sich viele. Im Höchsttempo zurück an die Weltspitze.
Rasante Rückkehr
Aleksander Aamodt Kilde hat ein Comeback hingelegt, wie es das in dieser Form im Weltcup selten einmal nach einer so schweren Knieverletzung zu bestaunen gab. Seit jeher gilt im Skisport die landläufige Ansicht, dass 18 bis 24 Monate vergehen müssten, ehe ein Läufer nach einem Kreuzbandriss wieder ganz der Alte sein würde.
Bei Aamodt Kilde dauerte es kein Jahr, ehe er wieder ganz oben auf dem Siegespodest stand. Und tatsächlich hat sich der 29-Jährige dermaßen stark zurückgemeldet, dass sogar er selbst nun vom besten Kilde aller Zeiten spricht: „Ich bin im Flow“, sagte der Norweger nach seiner Triumphfahrt im Super-G von Gröden.
Es war sein dritter Sieg in Serie auf der Saslong, sein dritter Erfolg en suite in Weltcup-Speedbewerben, nachdem er zuvor schon in Beaver Creek den Super-G und die Abfahrt für sich entschieden hatte. „Wenn man wie ich Selbstvertrauen hat, dann funktioniert es einfach“, meint der Gesamtweltcupsieger von 2019/’20.
Diese Sicherheit und Leichtigkeit sieht man ihm auch auf der Piste an. Beeindruckend, wie mühelos und elegant er die vielen Bodenwellen auf der Saslong meisterte. Faszinierend, wie er immer wieder auf seiner Lieblingsstrecke im Grödnertal die schnellste Linie findet. „Er fährt da herunter wie auf Schienen“, zollte der zweitplatzierte Matthias Mayer dem vierfachen Gröden-Gewinner Respekt.
Lust auf mehr
Aleksander Aamodt Kilde ist sich selbst nicht ganz geheuer. Denn es ist noch gar nicht so lange her, da wurde er von Zweifeln geplagt. Nach der ersten schweren Verletzung seiner Karriere fragte sich der 29-Jährige noch im Herbst: „Ob mein Kopf und mein Körper wieder richtig zusammenarbeiten?“
Und auch noch nach dem Comeback-Rennen in Lake Louise und Rang neun in der Abfahrt war sich Kilde seiner Sache nicht sicher. „Da habe ich mir gedacht, dass ich noch Zeit brauche“, erzählt er, „am nächsten Tag habe ich im Super-G gewonnen. Ich war selbst überrascht, dass es so schnell gegangen ist.“
Mittlerweile hält Aleksander Aamodt Kilde bei mehr Saisonsiegen als seine Freundin Mikaela Shiffrin (2), und er sieht ein erstes Etappenziel erreicht, das er nach seinem Gewinn des Gesamtweltcups ausgegeben hatte. „In dem Winter, in dem ich die große Kugel geholt habe, habe ich nur ein Rennen gewonnen. Das war mir zu wenig. Ich wollte mehr Rennen gewinnen“, erzählt Kilde.
Seine Ansage für die Abfahrt am Samstag (11.45 Uhr/live ORF1) klingt deshalb wie die nächste Drohung: „Siegen wird nie langweilig“.
Kommentare