Angela Merkel: Sehen und gesehen werden

Angela Merkel: Sehen und gesehen werden
Die deutsche Bundeskanzlerin zeigt Emotionen, wenn die deutsche Nationalmannschaft spielt.

Zwar ist die Kanzlerin prinzipiell ein Fan von Kürzest- Dienstreisen, aber hier schlummert ein neuer Rekord: Ihre Flüge von Berlin nach Brasilien und zurück dauern zusammen länger als der Aufenthalt dort – 23 Stunden. Trotz des neuen Kanzler-Airbus, der ausnahmsweise einmal hinten nicht mit Journalisten aufgefüllt war.

Nicht einmal ihr Ehemann Joachim Sauer war dabei, er macht sich nicht so viel aus diesem Spektakel.

Angela Merkel ist laut enger Umgebung hingegen ein echter Fußballfan. Schon als Studentin in der DDR sei sie nicht nur bei Länderspielen ins Stadion gepilgert. Auch wenn sie als "Bewegungsidiot" (Eigendefinition) nie selbst Fuß an den Ball gelegt hat. Im Unterschied zu ihrem SPD-Vorgänger Gerhard Schröder, der als Jungspund in der untersten Regionalliga von Niedersachsen aktiv war. Merkel kann an Tagen nach Nachtsitzungen in Brüssel trotzdem die Tore eines gleichzeitigen Länderspiels nacherzählen. Und zwar genauer, als es ein Briefing durch ihre Berater vermuten ließe. Allerdings verheimlicht sie bisher, ob sie neben den Deutschen eine weitere Lieblingsmannschaft hat.

Aber klar ist auch, dass Merkel nicht nur live deren Auftakt-Spiel sehen wollte, sondern vor allem auch dabei selbst gesehen werden wollte. Die Kurzschnitte der TV-Regie auf sie bei der Übertragung – in der Regel nicht öfter als auf den ORF-Generaldirektor beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker – sind Gold wert. In der Währung jedes Politikers, also in Sympathiepunkten und Imagebildung als volkstümlich und wählernah - siehe etwa dieses Foto:

Für die Wähler wirkt Merkel beim Fußball offenbar weniger "volksdümmlich" als manche Kollegen, wenn sie mit ihrer sonst selten getragenen Fernbrille auf der VIP-Tribüne endlich einmal mehr Emotionen zeigt als in der Politik. Vielleicht sind es ja auch solche Szenen, weshalb sie bis weit hinein in die Kernwählerschaft der SPD mehr Vertrauen genießt als deren Kanzlerkandidaten und Chefs.

Außerdem hat diese Reise Merkel genutzt, um die seit Langem geplante Verbesserung der Beziehung zu Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff zu finalisieren und auch noch ein paar deutsche Hilfsprojekte vor Ort zu besuchen.

Wie ihre echte Prognose für das Auftakt-Spiel war, durften die Deutschen allerdings nicht erfahren. Und auch nicht, ob sie ernsthaft damit rechnet, wieder zum Semifinale oder gar zum Finale anzufliegen. Offiziell hofft sie darauf. Natürlich.

Merkel und der Fußball

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